Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.bejaht und der Aufschwung der Landschafts- und Sittenmalerei aus der Be¬ Die Vergleichung der modernen Kunst mit jener früherer Jahrhunderte bejaht und der Aufschwung der Landschafts- und Sittenmalerei aus der Be¬ Die Vergleichung der modernen Kunst mit jener früherer Jahrhunderte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0119" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/265928"/> <p xml:id="ID_286" prev="#ID_285"> bejaht und der Aufschwung der Landschafts- und Sittenmalerei aus der Be¬<lb/> quemlichkeit, mit welcher sich solche Gemälde in unsern Stuben zwischen<lb/> Blumentischen und Etageren unterbringen, aus der Leichtigkeit, mit welcher<lb/> dieselben dem übrigen Zimmerschmuck sich einordnen lassen, erklärt wer¬<lb/> den wird. Mögen aber auch manche Kunstfreunde und Bildertaufcr van<lb/> solchen Rücksichten sich leiten lassen: so folgt daraus noch keineswegs,<lb/> daß die Künstler in gleicher Weise fremdartigen, niedrigen Zwecken nach¬<lb/> gehen und mit der Rolle einfacher Decoration sich begnügen wollen.<lb/> Aus der schlechten oder unwürdigen Verwendung darf man noch Keines¬<lb/> wegs auf den geringern inneren Kunstwerth schließen. Wir zweifeln<lb/> nicht an der vollkommnen Ebenbürtigkeit der Landschafts- und Genremalerei<lb/> mit den übrigen Kunstzweigen; poetische Kraft und malerischer Blick finden<lb/> auch hier einen reichen Wirkungskreis und sind die wesentliche Bedingung zum<lb/> Gelingen des Werkes. Ueberdies liegen die ästhetischen Anregungen unserer<lb/> Bildung vorzugsweise in dieser Richtung und befördern die Lebendigkeit der<lb/> Anschauungen bei dem Künstler, die Unmittelbarkeit des Verständnisses bei<lb/> dem Beschauer. Offenbar werden die Kreise der Landschafts- und Genre¬<lb/> malerei von der Gunst der Zeit getragen, fragen wir nun, welchen Gebrauch<lb/> die auf der Münchner Ausstellung vertretenen Maler von dieser Gunst<lb/> machten?</p><lb/> <p xml:id="ID_287" next="#ID_288"> Die Vergleichung der modernen Kunst mit jener früherer Jahrhunderte<lb/> wird von den wohlwollenden Freunden der ersteren nicht allzueifrig empfohlen.<lb/> Bleibt doch gewöhnlich als Resultat die Ueberzeugung übrig, daß hentzutage<lb/> dem Künstler Fehler und Irrthümer ungleich näher liegen und lockender er¬<lb/> scheinen, als die einfache, wahre Schönheit. In einem einzigen Punkt allein<lb/> scheuen wir uns nicht, die Unterschiede zwischen Jetzt und Sonst aufzusuchen.<lb/> Er betrifft die Bildungsverhältnisse unserer Künstler. Wer eine längere Reihe<lb/> holländischer Genrebilder ohne Unterbrechung nacheinander betrachtete hat<lb/> gewiß die Einförmigkeit der Motive, und in der Wahl der wenigen, die stets<lb/> wiederkehren, das Walten eines nicht immer seinen Sinnes beobachtet.<lb/> Ausnahmen gibt es nach der einen und der andern Nichtigung. Bei Jan<lb/> Steen z. B. überrascht grade die große Mannigfachheit der Motive, bei an¬<lb/> deren ist die elegante, zierliche Formengebung nur der Ausdruck entsprechen¬<lb/> der Vorstellungen. Von der Mehrzahl niederländischer Genremaler jedoch kann<lb/> man weder die reiche Erfindungskraft loben, noch behaupten, daß die rauchenden<lb/> und trinkenden Bauern, die Zahnbrecher, die wasscrveschauenden Aerzte, die Ge¬<lb/> müsehändlerinnen und ähnliche Vorwürfe eine gehobene Lebensanschauung ver¬<lb/> rathen. Unsere Maler dagegen geben uns am wenigsten Grund, sie der<lb/> Lässigkeit im Erfinden anzuklagen; jeder strengt sich an. durch Originalität zu<lb/> glänzen und den ihm eigenthümlichen poetischen Sinn schon in der Wahl der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0119]
bejaht und der Aufschwung der Landschafts- und Sittenmalerei aus der Be¬
quemlichkeit, mit welcher sich solche Gemälde in unsern Stuben zwischen
Blumentischen und Etageren unterbringen, aus der Leichtigkeit, mit welcher
dieselben dem übrigen Zimmerschmuck sich einordnen lassen, erklärt wer¬
den wird. Mögen aber auch manche Kunstfreunde und Bildertaufcr van
solchen Rücksichten sich leiten lassen: so folgt daraus noch keineswegs,
daß die Künstler in gleicher Weise fremdartigen, niedrigen Zwecken nach¬
gehen und mit der Rolle einfacher Decoration sich begnügen wollen.
Aus der schlechten oder unwürdigen Verwendung darf man noch Keines¬
wegs auf den geringern inneren Kunstwerth schließen. Wir zweifeln
nicht an der vollkommnen Ebenbürtigkeit der Landschafts- und Genremalerei
mit den übrigen Kunstzweigen; poetische Kraft und malerischer Blick finden
auch hier einen reichen Wirkungskreis und sind die wesentliche Bedingung zum
Gelingen des Werkes. Ueberdies liegen die ästhetischen Anregungen unserer
Bildung vorzugsweise in dieser Richtung und befördern die Lebendigkeit der
Anschauungen bei dem Künstler, die Unmittelbarkeit des Verständnisses bei
dem Beschauer. Offenbar werden die Kreise der Landschafts- und Genre¬
malerei von der Gunst der Zeit getragen, fragen wir nun, welchen Gebrauch
die auf der Münchner Ausstellung vertretenen Maler von dieser Gunst
machten?
Die Vergleichung der modernen Kunst mit jener früherer Jahrhunderte
wird von den wohlwollenden Freunden der ersteren nicht allzueifrig empfohlen.
Bleibt doch gewöhnlich als Resultat die Ueberzeugung übrig, daß hentzutage
dem Künstler Fehler und Irrthümer ungleich näher liegen und lockender er¬
scheinen, als die einfache, wahre Schönheit. In einem einzigen Punkt allein
scheuen wir uns nicht, die Unterschiede zwischen Jetzt und Sonst aufzusuchen.
Er betrifft die Bildungsverhältnisse unserer Künstler. Wer eine längere Reihe
holländischer Genrebilder ohne Unterbrechung nacheinander betrachtete hat
gewiß die Einförmigkeit der Motive, und in der Wahl der wenigen, die stets
wiederkehren, das Walten eines nicht immer seinen Sinnes beobachtet.
Ausnahmen gibt es nach der einen und der andern Nichtigung. Bei Jan
Steen z. B. überrascht grade die große Mannigfachheit der Motive, bei an¬
deren ist die elegante, zierliche Formengebung nur der Ausdruck entsprechen¬
der Vorstellungen. Von der Mehrzahl niederländischer Genremaler jedoch kann
man weder die reiche Erfindungskraft loben, noch behaupten, daß die rauchenden
und trinkenden Bauern, die Zahnbrecher, die wasscrveschauenden Aerzte, die Ge¬
müsehändlerinnen und ähnliche Vorwürfe eine gehobene Lebensanschauung ver¬
rathen. Unsere Maler dagegen geben uns am wenigsten Grund, sie der
Lässigkeit im Erfinden anzuklagen; jeder strengt sich an. durch Originalität zu
glänzen und den ihm eigenthümlichen poetischen Sinn schon in der Wahl der
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