Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.dets. eben jene Passion, und seine Oratorien hineinstellt, erscheint mehr ge¬ 1716 ging Händel wieder nach England zurück, und wurde Musikdirektor dets. eben jene Passion, und seine Oratorien hineinstellt, erscheint mehr ge¬ 1716 ging Händel wieder nach England zurück, und wurde Musikdirektor <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/265926"/> <p xml:id="ID_279" prev="#ID_278"> dets. eben jene Passion, und seine Oratorien hineinstellt, erscheint mehr ge¬<lb/> schickt construirt, als wahr, und nicht unabhängig.von dem Einfluß, den der<lb/> Meister aus seinen Biographen geübt hat. Solch ein Urtheil, welches Bach<lb/> in sehr enge vom Pietismus gezogene Grenzen hineinbannt, steht von der<lb/> unter Laien noch keineswegs ausgetilgten Meinung, .er sei nur ein contra-<lb/> punktistischer Formkünstlcr gewesen, nicht sehr weit entfernt. Ein allgemeines<lb/> Urtheil über diese beiden Meister wird erst dann möglich, wenn die Ausgaben<lb/> der Werke beider vollständig da und in die Hände des gebildeten Volkes<lb/> übergegangen sind; bis dahin werden immer nur vereinzelte, mehr oder we¬<lb/> niger durch Naturrichtung und Individualität bedingte Meinungen, durch<lb/> größere oder geringere Beweiskraft «unterstützt, entstehen und auch gelten<lb/> müssen. Ein wahrhaft allgemeines Urtheil wird wol den Streit darüber,<lb/> wer von beiden höher steht, ganz bei Seite werfen, und beide Meister als<lb/> zwei sich ergänzende gleiche Größen feststellen. Man findet es. besonders<lb/> unter Musikern oft bestätigt, und in der eignen Entwicklung hat es mancher<lb/> durchgemacht, daß die Neigung für Händel bei einer ernsteren Beschäftigung<lb/> mit Bach zurücktritt. Wenn man durch den gesunden, kraftvollen Realismus<lb/> Handels einen festen Grund gewonnen hat. wird das Eindringen in Bachs<lb/> Ideen und Gestaltcnkreise eine das ganze fernere Leben mit Befriedigung er¬<lb/> füllende Aufgabe. Bach beschäftigt neben dem Combinatwnsvermögen mehr<lb/> die Empfindung und Phantasie wie Händel, deshalb ist die Neigung derer,<lb/> die der Kunst als Künstler, nicht als Gelehrte angehören, stets mehr auf Bach<lb/> gerichtet. Der Forscher wird durch Handels Klarheit und Prägnanz der For¬<lb/> men unbedingt mehr belohnt, er findet mehr zu erklären, vermag die Ent¬<lb/> wicklung seines Lebens und seiner Werke erfolgreicher darzustellen — bei Bach<lb/> ist vieles in Dunkel gehüllt, vieles bleibt in seinen Werken dem Wort un¬<lb/> erklärbar. Handels Schöpfungen umfassen ein größeres Gebiet, die Oper und<lb/> das Oratorwm, Bach hat nur die Kirchenmusik, aber in ihr einen ebenso un¬<lb/> endlich allgemeinen Inhalt und Formenrc.ichthum offenbart, daß sie, trotz der<lb/> oft allerdings pietistischer Texte über diese selbst und jede zeitweilige Neligions-<lb/> anschauung- zur reinsten Idealität sich erheben. Was aber die rein musika¬<lb/> lischen Werke kleinerer Formen, als Sonaten. Orgelsugen u. tgi. anbelangt,<lb/> so wird es heute keinem Menschen mehr einfallen, Händel darin höher wie<lb/> Bach zu stellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_280" next="#ID_281"> 1716 ging Händel wieder nach England zurück, und wurde Musikdirektor<lb/> des Herzogs von Chandos zu Cannons; der Tod seiner Schwester. 1718. ver¬<lb/> anlaßte ihn zu einem jedoch erst später ausgeführten Besuch der Seinigen in<lb/> Deutschland. Ehrysander schließt mit dem ersten Band auch den ersten Lebens-<lb/> abschnitt, den der Studien und der Entwicklung, um uns hoffentlich bald in<lb/> den zweiten, den der Reife und des völlig freien und selbstständigen Schaf-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0117]
dets. eben jene Passion, und seine Oratorien hineinstellt, erscheint mehr ge¬
schickt construirt, als wahr, und nicht unabhängig.von dem Einfluß, den der
Meister aus seinen Biographen geübt hat. Solch ein Urtheil, welches Bach
in sehr enge vom Pietismus gezogene Grenzen hineinbannt, steht von der
unter Laien noch keineswegs ausgetilgten Meinung, .er sei nur ein contra-
punktistischer Formkünstlcr gewesen, nicht sehr weit entfernt. Ein allgemeines
Urtheil über diese beiden Meister wird erst dann möglich, wenn die Ausgaben
der Werke beider vollständig da und in die Hände des gebildeten Volkes
übergegangen sind; bis dahin werden immer nur vereinzelte, mehr oder we¬
niger durch Naturrichtung und Individualität bedingte Meinungen, durch
größere oder geringere Beweiskraft «unterstützt, entstehen und auch gelten
müssen. Ein wahrhaft allgemeines Urtheil wird wol den Streit darüber,
wer von beiden höher steht, ganz bei Seite werfen, und beide Meister als
zwei sich ergänzende gleiche Größen feststellen. Man findet es. besonders
unter Musikern oft bestätigt, und in der eignen Entwicklung hat es mancher
durchgemacht, daß die Neigung für Händel bei einer ernsteren Beschäftigung
mit Bach zurücktritt. Wenn man durch den gesunden, kraftvollen Realismus
Handels einen festen Grund gewonnen hat. wird das Eindringen in Bachs
Ideen und Gestaltcnkreise eine das ganze fernere Leben mit Befriedigung er¬
füllende Aufgabe. Bach beschäftigt neben dem Combinatwnsvermögen mehr
die Empfindung und Phantasie wie Händel, deshalb ist die Neigung derer,
die der Kunst als Künstler, nicht als Gelehrte angehören, stets mehr auf Bach
gerichtet. Der Forscher wird durch Handels Klarheit und Prägnanz der For¬
men unbedingt mehr belohnt, er findet mehr zu erklären, vermag die Ent¬
wicklung seines Lebens und seiner Werke erfolgreicher darzustellen — bei Bach
ist vieles in Dunkel gehüllt, vieles bleibt in seinen Werken dem Wort un¬
erklärbar. Handels Schöpfungen umfassen ein größeres Gebiet, die Oper und
das Oratorwm, Bach hat nur die Kirchenmusik, aber in ihr einen ebenso un¬
endlich allgemeinen Inhalt und Formenrc.ichthum offenbart, daß sie, trotz der
oft allerdings pietistischer Texte über diese selbst und jede zeitweilige Neligions-
anschauung- zur reinsten Idealität sich erheben. Was aber die rein musika¬
lischen Werke kleinerer Formen, als Sonaten. Orgelsugen u. tgi. anbelangt,
so wird es heute keinem Menschen mehr einfallen, Händel darin höher wie
Bach zu stellen.
1716 ging Händel wieder nach England zurück, und wurde Musikdirektor
des Herzogs von Chandos zu Cannons; der Tod seiner Schwester. 1718. ver¬
anlaßte ihn zu einem jedoch erst später ausgeführten Besuch der Seinigen in
Deutschland. Ehrysander schließt mit dem ersten Band auch den ersten Lebens-
abschnitt, den der Studien und der Entwicklung, um uns hoffentlich bald in
den zweiten, den der Reife und des völlig freien und selbstständigen Schaf-
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