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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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soll man aber von einem Ministerium sagen, dessen größter Geist so wenige
Begriffe von der Verantwortlichkeit eines Staatsmannes und der Würde eines
Ministers hat? Wir meinen, es wird einmal grade aus diesem Grunde über
einen sehr kleinen Stein des Anstoßes stolpern. Lord Palmerston siel, weil
er sich sür den Mann der Nothwendigkeit hielt, und sich dadurch zu schreien¬
den Fehlern und noch größern Taktlosigkeiten verleiten ließ; er fiel, weil er
bei einem gradezu auf seinen Namen gewählten Unterhause den noch starkem
Einfluß einer draußen herrschenden Meinung vergaß; sein größter Fehler aber
war es vielleicht, daß er diesem Derbyschen Ministerium die Bahn zur Nach¬
folge chüele. Die bisherigen Triumphe desselben waren billig; es hat sie
machen müssen, wollte es nicht einen Selbstmord begehen, seine eigne schö¬
pferische Kraft hat sich eben bis jetzt schwach genug gezeigt.

Einerlei, das Schicksal der ostindischen Gesellschaft ist besiegelt, und
selbst die, welchen die aus ihrem Untergang bevorstehende Vergrößerung der
Gewalt der Krone oder des Ministeriums einen Grund abgibt, um
ihren Untergang als landesverderblich zu schildern, erheben, seit Derby
Minister geworden, kaum noch ihre Stimme zu Gunsten der ehrwürdigen
Handelsgesellschaft. Komisch ist es vor allem den Daily News ergangen.
Nachdem D'Jsraeli den Plan des neuen Ministeriums entwickelt hatte, war
sie über denselben ganz glücklich, alle die Patronage und sonstige Einrichtungen
des Palmerstonschen Plans betreffenden Einwendungen waren ja weggefallen,
und sie lobte um so eifriger den neuen Plan in dem Bewußtsein vielleicht,
daß sie nun nicht mehr nöthig habe, die bestehende Regierung Ostindiens zu
vertheidigen; aber nachdem sie die neuen Vorschläge sich etwas näher an¬
gesehen, fand sie doch daran so viel auszusetzen, daß sie dieselben seitdem
im Verein mit fast der gesammten englischen Presse der herbsten Kritik
unterwirst; aber auf den Bestand der ostindischen Gesellschaft kommt sie
doch nirgend wieder zurück. Es ist der Mühe werth, diese Thatsache zu
constatiren, weil sie grade beweist, daß die recht gesehen, welche den
Untergang der alten Handelsgesellschaft als nothwendig geboten voraus¬
gesagt haben.

Im Wesentlichen sind es zwei Punkte, durch welche sich der Plan
Palmerstons von dem EUenboroughs unterscheidet: die Macht des für die
ostindischen Angelegenheiten eingesetzten Ministers der Krone und die
Stellung und Zusammensetzung des ihm beigeordneten Rathes. Der eine
setzt den Minister überhaupt automatisch regierend ein. der andere weist ihn
an diesen Veirath, ohne ihn aber daran zu binden; dieser Unterschied ist offenbar
aber nur ein formeller, da das entscheidende Moment immer in der Persön¬
lichkeit des jeweiligen Ministers liegen wird. Der eine Plan gibt serner
dem Minister die Patronage d. h. die Stellenvergebung, der andere vertheilt


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soll man aber von einem Ministerium sagen, dessen größter Geist so wenige
Begriffe von der Verantwortlichkeit eines Staatsmannes und der Würde eines
Ministers hat? Wir meinen, es wird einmal grade aus diesem Grunde über
einen sehr kleinen Stein des Anstoßes stolpern. Lord Palmerston siel, weil
er sich sür den Mann der Nothwendigkeit hielt, und sich dadurch zu schreien¬
den Fehlern und noch größern Taktlosigkeiten verleiten ließ; er fiel, weil er
bei einem gradezu auf seinen Namen gewählten Unterhause den noch starkem
Einfluß einer draußen herrschenden Meinung vergaß; sein größter Fehler aber
war es vielleicht, daß er diesem Derbyschen Ministerium die Bahn zur Nach¬
folge chüele. Die bisherigen Triumphe desselben waren billig; es hat sie
machen müssen, wollte es nicht einen Selbstmord begehen, seine eigne schö¬
pferische Kraft hat sich eben bis jetzt schwach genug gezeigt.

Einerlei, das Schicksal der ostindischen Gesellschaft ist besiegelt, und
selbst die, welchen die aus ihrem Untergang bevorstehende Vergrößerung der
Gewalt der Krone oder des Ministeriums einen Grund abgibt, um
ihren Untergang als landesverderblich zu schildern, erheben, seit Derby
Minister geworden, kaum noch ihre Stimme zu Gunsten der ehrwürdigen
Handelsgesellschaft. Komisch ist es vor allem den Daily News ergangen.
Nachdem D'Jsraeli den Plan des neuen Ministeriums entwickelt hatte, war
sie über denselben ganz glücklich, alle die Patronage und sonstige Einrichtungen
des Palmerstonschen Plans betreffenden Einwendungen waren ja weggefallen,
und sie lobte um so eifriger den neuen Plan in dem Bewußtsein vielleicht,
daß sie nun nicht mehr nöthig habe, die bestehende Regierung Ostindiens zu
vertheidigen; aber nachdem sie die neuen Vorschläge sich etwas näher an¬
gesehen, fand sie doch daran so viel auszusetzen, daß sie dieselben seitdem
im Verein mit fast der gesammten englischen Presse der herbsten Kritik
unterwirst; aber auf den Bestand der ostindischen Gesellschaft kommt sie
doch nirgend wieder zurück. Es ist der Mühe werth, diese Thatsache zu
constatiren, weil sie grade beweist, daß die recht gesehen, welche den
Untergang der alten Handelsgesellschaft als nothwendig geboten voraus¬
gesagt haben.

Im Wesentlichen sind es zwei Punkte, durch welche sich der Plan
Palmerstons von dem EUenboroughs unterscheidet: die Macht des für die
ostindischen Angelegenheiten eingesetzten Ministers der Krone und die
Stellung und Zusammensetzung des ihm beigeordneten Rathes. Der eine
setzt den Minister überhaupt automatisch regierend ein. der andere weist ihn
an diesen Veirath, ohne ihn aber daran zu binden; dieser Unterschied ist offenbar
aber nur ein formeller, da das entscheidende Moment immer in der Persön¬
lichkeit des jeweiligen Ministers liegen wird. Der eine Plan gibt serner
dem Minister die Patronage d. h. die Stellenvergebung, der andere vertheilt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/91>, abgerufen am 21.12.2024.