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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Aber diesmal wie vor zehn Jahren unter ähnlichen Umständen versagte sie
ihre Dienste und konnte nur dadurch aufrecht erhalten werden, daß man sie
zeitweilig bei Seite schob. Allein das geschah erst im äußersten Momente
und erst auf die nächste Krisis wird der Einfluß dieses Vorgangs voll sich
geltend machen, da man nun einmal fest darauf rechnen kann, daß bei
außerordentlichen Zeiten Ausnahmsmaßregein eintreten. Ehe das jedoch
geschah, hatte die Bank Wochen hindurch zu Maßregeln gegriffen, die für den
Handel viel tiefer einschneidend waren und die doch kaum ein leises Murren
erregten. Sie erhöhte unaufhaltsam den Disconto, sie ward in der An¬
nahme von Wechseln und im Ertheiler von Vorschüssen schwieriger, verlangte
größere Sicherheiten, wollte auf Staatspapiere gar nicht mehr leihen
u. f. w. Dies alles Maßregeln, welche es dem um Geldmittel so verlegenen
Kaufmannsstande noch schwieriger machten, dazu zu gelangen. Dennoch waren
sie unzweifelhaft in der Lage der Verhältnisse begründet, indem sie den bereits
schadhaft gewordenen Verkehrsknoten die Möglichkeit entzogen, sich noch
einige Zeit oder gar auf Kosten der übrigen Handelswelt aufrecht zu erhalten.
Aber, und auf diese Frage kommt es wesentlich an, warum hat man bei
frühern Krisen nicht zu denselben Maßregeln gegriffen und weshalb diesmal?
In der Peelsacte waren sie mindestens nicht vorgeschrieben.

Man konnte in frühern Zeiten dazu nicht greifen, weil Bankverwaltung
und Publicum es gleichmäßig für Sache der Bank hielten, in schwieriger
werdenden Vcrkehrsverhültnissen dem Handel helfend beizuspringen. und später
noch, als die Bankverwaltung erfahren, wohin solche Hilfen führten, nämlich
zur Ansteckung der noch gesunden Kräfte durch die ungesunden, vermochte
sie doch nicht consequent dem Andringen einer Meinung' zu widerstehen,
welche jammernd nach Beistand schrie. Erst bei der letzten Krisis ist die
Bank durch die öffentliche Meinung und die Presse Englands, die beide
mehr Einsicht in die wirthschaftlichen Gesetze genommen hatten, so kräftig
unterstützt worden, um ihre einschränkenden Maßregeln vollständig durchführen
zu können. Wir wollen hier denn auch einen Satz aussprechen, der
von denen, welche für das wirthschaftliche Leben allzeit ausreichende
Formeln erfinden wollen, natürlich nie begriffen werden kann, der aber
durch alle Erfahrungen bestätigt wird. Eine Bankverwaltung hängt
in der Auswahl ihrer Maßregeln und in ihrem ganzen Ge¬
schäftsbetrieb ebenso sehr von den mit ihr in Verbindung stehen¬
den Geschäftskreisen ab, wie diese von ihr. Es ist dies auch nur
ein von andern Verwaltungssphären übertragener Satz, der seine natürliche
Erklärung darin findet, daß die Maßregeln sich nicht von selber machen, son¬
dern durch Menschen ausgeführt werden. Und zwar tritt dies auf dem wirthschaft¬
lichen Gebiete um so stärker hervor, je mehr grade hier Zwang und Despotie aus-


Aber diesmal wie vor zehn Jahren unter ähnlichen Umständen versagte sie
ihre Dienste und konnte nur dadurch aufrecht erhalten werden, daß man sie
zeitweilig bei Seite schob. Allein das geschah erst im äußersten Momente
und erst auf die nächste Krisis wird der Einfluß dieses Vorgangs voll sich
geltend machen, da man nun einmal fest darauf rechnen kann, daß bei
außerordentlichen Zeiten Ausnahmsmaßregein eintreten. Ehe das jedoch
geschah, hatte die Bank Wochen hindurch zu Maßregeln gegriffen, die für den
Handel viel tiefer einschneidend waren und die doch kaum ein leises Murren
erregten. Sie erhöhte unaufhaltsam den Disconto, sie ward in der An¬
nahme von Wechseln und im Ertheiler von Vorschüssen schwieriger, verlangte
größere Sicherheiten, wollte auf Staatspapiere gar nicht mehr leihen
u. f. w. Dies alles Maßregeln, welche es dem um Geldmittel so verlegenen
Kaufmannsstande noch schwieriger machten, dazu zu gelangen. Dennoch waren
sie unzweifelhaft in der Lage der Verhältnisse begründet, indem sie den bereits
schadhaft gewordenen Verkehrsknoten die Möglichkeit entzogen, sich noch
einige Zeit oder gar auf Kosten der übrigen Handelswelt aufrecht zu erhalten.
Aber, und auf diese Frage kommt es wesentlich an, warum hat man bei
frühern Krisen nicht zu denselben Maßregeln gegriffen und weshalb diesmal?
In der Peelsacte waren sie mindestens nicht vorgeschrieben.

Man konnte in frühern Zeiten dazu nicht greifen, weil Bankverwaltung
und Publicum es gleichmäßig für Sache der Bank hielten, in schwieriger
werdenden Vcrkehrsverhültnissen dem Handel helfend beizuspringen. und später
noch, als die Bankverwaltung erfahren, wohin solche Hilfen führten, nämlich
zur Ansteckung der noch gesunden Kräfte durch die ungesunden, vermochte
sie doch nicht consequent dem Andringen einer Meinung' zu widerstehen,
welche jammernd nach Beistand schrie. Erst bei der letzten Krisis ist die
Bank durch die öffentliche Meinung und die Presse Englands, die beide
mehr Einsicht in die wirthschaftlichen Gesetze genommen hatten, so kräftig
unterstützt worden, um ihre einschränkenden Maßregeln vollständig durchführen
zu können. Wir wollen hier denn auch einen Satz aussprechen, der
von denen, welche für das wirthschaftliche Leben allzeit ausreichende
Formeln erfinden wollen, natürlich nie begriffen werden kann, der aber
durch alle Erfahrungen bestätigt wird. Eine Bankverwaltung hängt
in der Auswahl ihrer Maßregeln und in ihrem ganzen Ge¬
schäftsbetrieb ebenso sehr von den mit ihr in Verbindung stehen¬
den Geschäftskreisen ab, wie diese von ihr. Es ist dies auch nur
ein von andern Verwaltungssphären übertragener Satz, der seine natürliche
Erklärung darin findet, daß die Maßregeln sich nicht von selber machen, son¬
dern durch Menschen ausgeführt werden. Und zwar tritt dies auf dem wirthschaft¬
lichen Gebiete um so stärker hervor, je mehr grade hier Zwang und Despotie aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/78>, abgerufen am 30.12.2024.