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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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meiner Person und auf die Präsentation derselben durch Freunde an ... .
Solange ich nicht im Kreis politischer Geschäfte bin, bin ich nicht um meiner
Stelle und brillire in keiner Periode meines thätigen Lebens." Das ist in
den ersten Monaten des Jahres 1775 geschrieben. "Wenn Chesterfield mir
die Eigenschaften des Politikers herzählt, finde ich die Kenntnisse, so er begehrt,
entweder in meinem Kopf oder leicht hineinzubringen. Mein Charakter ge¬
winnt viel, seit ich meine Seele mehr, und mein großes Buch weniger zu
bereichern trachte. Wenn ich einen großen Zweck mit einiger Wahrscheinlich¬
keit zu erlangen hoffen kann, erhöhet sich meine Seele, und wird aller Efforts
fähig. Freund! leine Arbeit ist mir zu schwer, keine Wissenschaft zu weit-
läufig. wenn sie zu einem Plan führt. Also mögen Chesterfield. Firmian und
Sie unbarmherzige Forderungen an much machen. Mein Ehrgeiz kennt nur
sehr entfernte Grenzen, er schafft nach und nach meine Seele um, ich werde
ein neuer Mensch voll Verachtung unnützer Literatur, voll Enthusiasmus für
die großen Wissenschaften, voll Kenntniß der Völker, der Menschen und der
Maximen des Lebens und der Regierung. Und ich bin nicht glücklich bei dem allem;
ich fühle meine Armuth an Grazien, den großen Verlust sechs bis acht schöner
Jahre, und die Schwere der Ketten, welche mich in der Mittelmäßigkeit zurück¬
halten; was ich sein möchte und sollte und schwerlich werden werde/' Er
denkt eifrig darüber nach, auf welchem Wege er sich am schnellsten die Gnade
und das Vertrauen großer Regenten erwerben könne; die Grazie macht ihm
am meisten zu thun. "Ich will die Friedensschlüsse und die heutige Macht,
Handlung und Statistik, besonders der großen Staaten, studiren, in den
Memoires und Briefen der geschicktesten Negociatorcn und Staatsmänner den
Geist derselben suchen kennen zu lernen, durch selbige und die Geschichte der
Revolutionen mich mit dem Gang der Geschäfte famiiiarisiren, bei Cicero
und Quinctilian die Regeln, bei Demosthen. Rousseau und Pascal den Nachdruck,
beiden schönen Geistern die Feinheit, bei Bonnet, Euler, Büffon und Maupertuis
die Bilder, bei Shakespeare und Montaigne die Naivetät der Sprache erforschen;
dann mich selbst übermeistern, ehe ichs an andern versuche, wenig oder nie
von meinen Planen sprechen, in der Gesellschaft nicht sowol mein Herz als
meinen Observationsgeist handeln lassen, und mich bemühen, dnrch allerlei Auf¬
merksamkeiten zu gefallen; ich will mich hüten, zerstreut zu sein oder die Rede
auf Literatur zu lenken. Es soll mir nichts unüberwindlich sein; so sieghaft
herrscht die Ehrbegierde in nur, daß sie selbst das Feuer der Passionen nnr
alsdann entzünden wird, wenn sie mich zu einem Effort erhitzen sollen. .
Das Geheimniß des großen Mannes ist, mit Verstand nicht zu selbigen, aber
zu den Passionen zu sprechen . . . Ich will mich mit Gewalt auf gewisse
Art nothwendig machen, und Genie soll durchaus meine andern Mängel
suppliren."


meiner Person und auf die Präsentation derselben durch Freunde an ... .
Solange ich nicht im Kreis politischer Geschäfte bin, bin ich nicht um meiner
Stelle und brillire in keiner Periode meines thätigen Lebens." Das ist in
den ersten Monaten des Jahres 1775 geschrieben. „Wenn Chesterfield mir
die Eigenschaften des Politikers herzählt, finde ich die Kenntnisse, so er begehrt,
entweder in meinem Kopf oder leicht hineinzubringen. Mein Charakter ge¬
winnt viel, seit ich meine Seele mehr, und mein großes Buch weniger zu
bereichern trachte. Wenn ich einen großen Zweck mit einiger Wahrscheinlich¬
keit zu erlangen hoffen kann, erhöhet sich meine Seele, und wird aller Efforts
fähig. Freund! leine Arbeit ist mir zu schwer, keine Wissenschaft zu weit-
läufig. wenn sie zu einem Plan führt. Also mögen Chesterfield. Firmian und
Sie unbarmherzige Forderungen an much machen. Mein Ehrgeiz kennt nur
sehr entfernte Grenzen, er schafft nach und nach meine Seele um, ich werde
ein neuer Mensch voll Verachtung unnützer Literatur, voll Enthusiasmus für
die großen Wissenschaften, voll Kenntniß der Völker, der Menschen und der
Maximen des Lebens und der Regierung. Und ich bin nicht glücklich bei dem allem;
ich fühle meine Armuth an Grazien, den großen Verlust sechs bis acht schöner
Jahre, und die Schwere der Ketten, welche mich in der Mittelmäßigkeit zurück¬
halten; was ich sein möchte und sollte und schwerlich werden werde/' Er
denkt eifrig darüber nach, auf welchem Wege er sich am schnellsten die Gnade
und das Vertrauen großer Regenten erwerben könne; die Grazie macht ihm
am meisten zu thun. „Ich will die Friedensschlüsse und die heutige Macht,
Handlung und Statistik, besonders der großen Staaten, studiren, in den
Memoires und Briefen der geschicktesten Negociatorcn und Staatsmänner den
Geist derselben suchen kennen zu lernen, durch selbige und die Geschichte der
Revolutionen mich mit dem Gang der Geschäfte famiiiarisiren, bei Cicero
und Quinctilian die Regeln, bei Demosthen. Rousseau und Pascal den Nachdruck,
beiden schönen Geistern die Feinheit, bei Bonnet, Euler, Büffon und Maupertuis
die Bilder, bei Shakespeare und Montaigne die Naivetät der Sprache erforschen;
dann mich selbst übermeistern, ehe ichs an andern versuche, wenig oder nie
von meinen Planen sprechen, in der Gesellschaft nicht sowol mein Herz als
meinen Observationsgeist handeln lassen, und mich bemühen, dnrch allerlei Auf¬
merksamkeiten zu gefallen; ich will mich hüten, zerstreut zu sein oder die Rede
auf Literatur zu lenken. Es soll mir nichts unüberwindlich sein; so sieghaft
herrscht die Ehrbegierde in nur, daß sie selbst das Feuer der Passionen nnr
alsdann entzünden wird, wenn sie mich zu einem Effort erhitzen sollen. .
Das Geheimniß des großen Mannes ist, mit Verstand nicht zu selbigen, aber
zu den Passionen zu sprechen . . . Ich will mich mit Gewalt auf gewisse
Art nothwendig machen, und Genie soll durchaus meine andern Mängel
suppliren."


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[0070] meiner Person und auf die Präsentation derselben durch Freunde an ... . Solange ich nicht im Kreis politischer Geschäfte bin, bin ich nicht um meiner Stelle und brillire in keiner Periode meines thätigen Lebens." Das ist in den ersten Monaten des Jahres 1775 geschrieben. „Wenn Chesterfield mir die Eigenschaften des Politikers herzählt, finde ich die Kenntnisse, so er begehrt, entweder in meinem Kopf oder leicht hineinzubringen. Mein Charakter ge¬ winnt viel, seit ich meine Seele mehr, und mein großes Buch weniger zu bereichern trachte. Wenn ich einen großen Zweck mit einiger Wahrscheinlich¬ keit zu erlangen hoffen kann, erhöhet sich meine Seele, und wird aller Efforts fähig. Freund! leine Arbeit ist mir zu schwer, keine Wissenschaft zu weit- läufig. wenn sie zu einem Plan führt. Also mögen Chesterfield. Firmian und Sie unbarmherzige Forderungen an much machen. Mein Ehrgeiz kennt nur sehr entfernte Grenzen, er schafft nach und nach meine Seele um, ich werde ein neuer Mensch voll Verachtung unnützer Literatur, voll Enthusiasmus für die großen Wissenschaften, voll Kenntniß der Völker, der Menschen und der Maximen des Lebens und der Regierung. Und ich bin nicht glücklich bei dem allem; ich fühle meine Armuth an Grazien, den großen Verlust sechs bis acht schöner Jahre, und die Schwere der Ketten, welche mich in der Mittelmäßigkeit zurück¬ halten; was ich sein möchte und sollte und schwerlich werden werde/' Er denkt eifrig darüber nach, auf welchem Wege er sich am schnellsten die Gnade und das Vertrauen großer Regenten erwerben könne; die Grazie macht ihm am meisten zu thun. „Ich will die Friedensschlüsse und die heutige Macht, Handlung und Statistik, besonders der großen Staaten, studiren, in den Memoires und Briefen der geschicktesten Negociatorcn und Staatsmänner den Geist derselben suchen kennen zu lernen, durch selbige und die Geschichte der Revolutionen mich mit dem Gang der Geschäfte famiiiarisiren, bei Cicero und Quinctilian die Regeln, bei Demosthen. Rousseau und Pascal den Nachdruck, beiden schönen Geistern die Feinheit, bei Bonnet, Euler, Büffon und Maupertuis die Bilder, bei Shakespeare und Montaigne die Naivetät der Sprache erforschen; dann mich selbst übermeistern, ehe ichs an andern versuche, wenig oder nie von meinen Planen sprechen, in der Gesellschaft nicht sowol mein Herz als meinen Observationsgeist handeln lassen, und mich bemühen, dnrch allerlei Auf¬ merksamkeiten zu gefallen; ich will mich hüten, zerstreut zu sein oder die Rede auf Literatur zu lenken. Es soll mir nichts unüberwindlich sein; so sieghaft herrscht die Ehrbegierde in nur, daß sie selbst das Feuer der Passionen nnr alsdann entzünden wird, wenn sie mich zu einem Effort erhitzen sollen. . Das Geheimniß des großen Mannes ist, mit Verstand nicht zu selbigen, aber zu den Passionen zu sprechen . . . Ich will mich mit Gewalt auf gewisse Art nothwendig machen, und Genie soll durchaus meine andern Mängel suppliren."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/70>, abgerufen am 21.12.2024.