Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lich hatten gar leine Lust, sich ihrer lucratioeu Aemtet zu begeben und waren
Josv Tadeo durchaus nicht günstig gestimmt. da er zuweilen eine feindliche
Stellung einzunehmen schien. Wenn sie seine Wahl unterstützt hatten, so war
es, weil es keinen andern Ausweg gab. Ueberdem fürchteten die Neger seine
kräftige Hand, wohlwissend / daß er ihnen nicht den bisherigen Einfluß ge¬
statten würde. Man dachte daher vor Ablauf der Amtsfrist auf eine Dictatur
von Jos6 Gregvrio. Je näher die Zeit rückte, desto mehr verbreitete sich die
Aufregung durch die Stadt, und am le. Jan. 1855 fürchtete man allgemein
einen Versuch jener Parteigänger, dessen Dictatur zu proclamiren. Es hätte
sich darum gehandelt, die Constitution auch principiell, nicht mehr blos factisch
aufzuheben. So viel vermag der Schein einer Rechtsform. daß man nach
derlei Erfahrungen auch ihn festzuhalten sich ängstigte. Indeß man fürchtete
umsonst. Am 20. Jan. übergab der Präsident sein Amt dem Vicepräsidenten,
zugleich traten die Kammern zusaimnen, die Urne wurde eröffnet, und Josö
Tadeo, einstimmig erwählt, wurde als Präsident ausgerufen. Aber noch war
die Gefahr nicht vorüber. Tadeo war abwesend; er hatte noch nicht seine
Besitzung rü Barcelona verlassen, und 14 Tage konnten bis zu seiner Ankunft
vergehen. In dieser Art von Interregnum machte" der Erministcr Planas und
seine Satelliten einen letzten Versuch, durch Bearbeitung des Eongrcsses. den
sie aus ihren Ercatnren zusammengesetzt hatten, sich vor dem definitiven An¬
tritt Tndcos ihre Stellung zu sichern und sich zu Staatsräthen erwählen zu
lassen. Der lebhafte Widerspruch aber, den sie fanden -- ihre Macht hatte
ja der Kongreß nicht mehr zu fürchten -- die heftigen Reden und Gegenreden
während voller 8 Tage, die Aufregung der Stadt und die Leidenschaft des
Volks, die sich daran entzündete, brachte von neuem Caracas in eine sehr
kritische Lage -- als plötzlich am 29. Jan., und ohne angekündigt zu sein,
der General Jose Tadeo Monagas eintraf, den Eid leistete und von der höch¬
sten Gewalt Besitz nahm.

Bei dieser Sachlage wurde dieser vielen verhaßte Mann allgemein als
Bürge des Friedens und der Ruhe begrüßt. Ja die veränderte Stimmung
unterließ nicht, die besten Hoffnungen auf seine Verwaltung zu gründen. Man
war auf einmal über die Vorzüge einig, die er vor seinem Bruder habe. Er
war ja etwas civilisirter, einsichtiger, kräftiger und damit unabhängiger von
seiner Umgebung, überdem durchaus nicht Freund der Neger. So fand er
plötzlich Freunde in Männern, die er als Widersacher kannte, und die nächsten
Tage verliefen so festlich, so reich an servilen Ovationen, an Demonstrationen
der Ergebenheit und Freude, daß für den Unkundigen eine neue Aera anzubrechen
schien.

Indeß der Hintergrund, der diesen Schlaglichtern als Folie diente, war


lich hatten gar leine Lust, sich ihrer lucratioeu Aemtet zu begeben und waren
Josv Tadeo durchaus nicht günstig gestimmt. da er zuweilen eine feindliche
Stellung einzunehmen schien. Wenn sie seine Wahl unterstützt hatten, so war
es, weil es keinen andern Ausweg gab. Ueberdem fürchteten die Neger seine
kräftige Hand, wohlwissend / daß er ihnen nicht den bisherigen Einfluß ge¬
statten würde. Man dachte daher vor Ablauf der Amtsfrist auf eine Dictatur
von Jos6 Gregvrio. Je näher die Zeit rückte, desto mehr verbreitete sich die
Aufregung durch die Stadt, und am le. Jan. 1855 fürchtete man allgemein
einen Versuch jener Parteigänger, dessen Dictatur zu proclamiren. Es hätte
sich darum gehandelt, die Constitution auch principiell, nicht mehr blos factisch
aufzuheben. So viel vermag der Schein einer Rechtsform. daß man nach
derlei Erfahrungen auch ihn festzuhalten sich ängstigte. Indeß man fürchtete
umsonst. Am 20. Jan. übergab der Präsident sein Amt dem Vicepräsidenten,
zugleich traten die Kammern zusaimnen, die Urne wurde eröffnet, und Josö
Tadeo, einstimmig erwählt, wurde als Präsident ausgerufen. Aber noch war
die Gefahr nicht vorüber. Tadeo war abwesend; er hatte noch nicht seine
Besitzung rü Barcelona verlassen, und 14 Tage konnten bis zu seiner Ankunft
vergehen. In dieser Art von Interregnum machte» der Erministcr Planas und
seine Satelliten einen letzten Versuch, durch Bearbeitung des Eongrcsses. den
sie aus ihren Ercatnren zusammengesetzt hatten, sich vor dem definitiven An¬
tritt Tndcos ihre Stellung zu sichern und sich zu Staatsräthen erwählen zu
lassen. Der lebhafte Widerspruch aber, den sie fanden — ihre Macht hatte
ja der Kongreß nicht mehr zu fürchten — die heftigen Reden und Gegenreden
während voller 8 Tage, die Aufregung der Stadt und die Leidenschaft des
Volks, die sich daran entzündete, brachte von neuem Caracas in eine sehr
kritische Lage — als plötzlich am 29. Jan., und ohne angekündigt zu sein,
der General Jose Tadeo Monagas eintraf, den Eid leistete und von der höch¬
sten Gewalt Besitz nahm.

Bei dieser Sachlage wurde dieser vielen verhaßte Mann allgemein als
Bürge des Friedens und der Ruhe begrüßt. Ja die veränderte Stimmung
unterließ nicht, die besten Hoffnungen auf seine Verwaltung zu gründen. Man
war auf einmal über die Vorzüge einig, die er vor seinem Bruder habe. Er
war ja etwas civilisirter, einsichtiger, kräftiger und damit unabhängiger von
seiner Umgebung, überdem durchaus nicht Freund der Neger. So fand er
plötzlich Freunde in Männern, die er als Widersacher kannte, und die nächsten
Tage verliefen so festlich, so reich an servilen Ovationen, an Demonstrationen
der Ergebenheit und Freude, daß für den Unkundigen eine neue Aera anzubrechen
schien.

Indeß der Hintergrund, der diesen Schlaglichtern als Folie diente, war


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186935"/>
            <p xml:id="ID_1181" prev="#ID_1180"> lich hatten gar leine Lust, sich ihrer lucratioeu Aemtet zu begeben und waren<lb/>
Josv Tadeo durchaus nicht günstig gestimmt. da er zuweilen eine feindliche<lb/>
Stellung einzunehmen schien. Wenn sie seine Wahl unterstützt hatten, so war<lb/>
es, weil es keinen andern Ausweg gab. Ueberdem fürchteten die Neger seine<lb/>
kräftige Hand, wohlwissend / daß er ihnen nicht den bisherigen Einfluß ge¬<lb/>
statten würde. Man dachte daher vor Ablauf der Amtsfrist auf eine Dictatur<lb/>
von Jos6 Gregvrio. Je näher die Zeit rückte, desto mehr verbreitete sich die<lb/>
Aufregung durch die Stadt, und am le. Jan. 1855 fürchtete man allgemein<lb/>
einen Versuch jener Parteigänger, dessen Dictatur zu proclamiren. Es hätte<lb/>
sich darum gehandelt, die Constitution auch principiell, nicht mehr blos factisch<lb/>
aufzuheben. So viel vermag der Schein einer Rechtsform. daß man nach<lb/>
derlei Erfahrungen auch ihn festzuhalten sich ängstigte. Indeß man fürchtete<lb/>
umsonst. Am 20. Jan. übergab der Präsident sein Amt dem Vicepräsidenten,<lb/>
zugleich traten die Kammern zusaimnen, die Urne wurde eröffnet, und Josö<lb/>
Tadeo, einstimmig erwählt, wurde als Präsident ausgerufen. Aber noch war<lb/>
die Gefahr nicht vorüber. Tadeo war abwesend; er hatte noch nicht seine<lb/>
Besitzung rü Barcelona verlassen, und 14 Tage konnten bis zu seiner Ankunft<lb/>
vergehen. In dieser Art von Interregnum machte» der Erministcr Planas und<lb/>
seine Satelliten einen letzten Versuch, durch Bearbeitung des Eongrcsses. den<lb/>
sie aus ihren Ercatnren zusammengesetzt hatten, sich vor dem definitiven An¬<lb/>
tritt Tndcos ihre Stellung zu sichern und sich zu Staatsräthen erwählen zu<lb/>
lassen. Der lebhafte Widerspruch aber, den sie fanden &#x2014; ihre Macht hatte<lb/>
ja der Kongreß nicht mehr zu fürchten &#x2014; die heftigen Reden und Gegenreden<lb/>
während voller 8 Tage, die Aufregung der Stadt und die Leidenschaft des<lb/>
Volks, die sich daran entzündete, brachte von neuem Caracas in eine sehr<lb/>
kritische Lage &#x2014; als plötzlich am 29. Jan., und ohne angekündigt zu sein,<lb/>
der General Jose Tadeo Monagas eintraf, den Eid leistete und von der höch¬<lb/>
sten Gewalt Besitz nahm.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1182"> Bei dieser Sachlage wurde dieser vielen verhaßte Mann allgemein als<lb/>
Bürge des Friedens und der Ruhe begrüßt. Ja die veränderte Stimmung<lb/>
unterließ nicht, die besten Hoffnungen auf seine Verwaltung zu gründen. Man<lb/>
war auf einmal über die Vorzüge einig, die er vor seinem Bruder habe. Er<lb/>
war ja etwas civilisirter, einsichtiger, kräftiger und damit unabhängiger von<lb/>
seiner Umgebung, überdem durchaus nicht Freund der Neger. So fand er<lb/>
plötzlich Freunde in Männern, die er als Widersacher kannte, und die nächsten<lb/>
Tage verliefen so festlich, so reich an servilen Ovationen, an Demonstrationen<lb/>
der Ergebenheit und Freude, daß für den Unkundigen eine neue Aera anzubrechen<lb/>
schien.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1183" next="#ID_1184"> Indeß der Hintergrund, der diesen Schlaglichtern als Folie diente, war</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0522] lich hatten gar leine Lust, sich ihrer lucratioeu Aemtet zu begeben und waren Josv Tadeo durchaus nicht günstig gestimmt. da er zuweilen eine feindliche Stellung einzunehmen schien. Wenn sie seine Wahl unterstützt hatten, so war es, weil es keinen andern Ausweg gab. Ueberdem fürchteten die Neger seine kräftige Hand, wohlwissend / daß er ihnen nicht den bisherigen Einfluß ge¬ statten würde. Man dachte daher vor Ablauf der Amtsfrist auf eine Dictatur von Jos6 Gregvrio. Je näher die Zeit rückte, desto mehr verbreitete sich die Aufregung durch die Stadt, und am le. Jan. 1855 fürchtete man allgemein einen Versuch jener Parteigänger, dessen Dictatur zu proclamiren. Es hätte sich darum gehandelt, die Constitution auch principiell, nicht mehr blos factisch aufzuheben. So viel vermag der Schein einer Rechtsform. daß man nach derlei Erfahrungen auch ihn festzuhalten sich ängstigte. Indeß man fürchtete umsonst. Am 20. Jan. übergab der Präsident sein Amt dem Vicepräsidenten, zugleich traten die Kammern zusaimnen, die Urne wurde eröffnet, und Josö Tadeo, einstimmig erwählt, wurde als Präsident ausgerufen. Aber noch war die Gefahr nicht vorüber. Tadeo war abwesend; er hatte noch nicht seine Besitzung rü Barcelona verlassen, und 14 Tage konnten bis zu seiner Ankunft vergehen. In dieser Art von Interregnum machte» der Erministcr Planas und seine Satelliten einen letzten Versuch, durch Bearbeitung des Eongrcsses. den sie aus ihren Ercatnren zusammengesetzt hatten, sich vor dem definitiven An¬ tritt Tndcos ihre Stellung zu sichern und sich zu Staatsräthen erwählen zu lassen. Der lebhafte Widerspruch aber, den sie fanden — ihre Macht hatte ja der Kongreß nicht mehr zu fürchten — die heftigen Reden und Gegenreden während voller 8 Tage, die Aufregung der Stadt und die Leidenschaft des Volks, die sich daran entzündete, brachte von neuem Caracas in eine sehr kritische Lage — als plötzlich am 29. Jan., und ohne angekündigt zu sein, der General Jose Tadeo Monagas eintraf, den Eid leistete und von der höch¬ sten Gewalt Besitz nahm. Bei dieser Sachlage wurde dieser vielen verhaßte Mann allgemein als Bürge des Friedens und der Ruhe begrüßt. Ja die veränderte Stimmung unterließ nicht, die besten Hoffnungen auf seine Verwaltung zu gründen. Man war auf einmal über die Vorzüge einig, die er vor seinem Bruder habe. Er war ja etwas civilisirter, einsichtiger, kräftiger und damit unabhängiger von seiner Umgebung, überdem durchaus nicht Freund der Neger. So fand er plötzlich Freunde in Männern, die er als Widersacher kannte, und die nächsten Tage verliefen so festlich, so reich an servilen Ovationen, an Demonstrationen der Ergebenheit und Freude, daß für den Unkundigen eine neue Aera anzubrechen schien. Indeß der Hintergrund, der diesen Schlaglichtern als Folie diente, war

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/522
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/522>, abgerufen am 22.12.2024.