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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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So umfassende Vorsichtsmaßregeln die Negierung getroffen hatte, so fühlte
sie sich doch keineswegs sicher. Das Gespenst der Revolution nahte heran,
und sie fürchtete sich gar sehr vor diesem Gespenst. Zeugniß gaben donnernde
Proclamntionen, welche dem Volte Schrecken vor dem nahenden Tyrannen
Paez. der die Sklaverei wiederherstellen wolle, einstoßen sollten. Die fre>-
heitsmorderischen Oligarchen mußten als Popanz dienen, um zum Kampf für
die heiligsten Rechte, zur Warnung vor der Gefahr aufzurufen. "Nieder mit
Paez! Nieder mit den Oligarchen! Tod den Verräthern!" -c. las mau nicht
blos in den Blättern, nein, mit elleuhohen Buchstaben stand es eines Mor¬
gens die ganze Fronte lang an die Wände und Häuser aller Mißliebigen ge¬
malt, nachdem Regierungsbauten die Nacht vorher die Straßen heimlich durch¬
zogen hatten. Alles verkündete in der Hauptstadt einen Krieg auf Leben und
Tod. Die Drohungen auf der einen, die Ungewißheit der Lage auf der
andern Seite steigerte die fieberhafte Aufregung der Parteien. Paez mußte
jeden Augenblick landen; ein Blutbad inmitten der Hauptstadt schien unab¬
wendbar.

Da auf einmal kam aus dem Westen der Republik die erste Nachricht der
ausgebrochenen Insurrecüon. Das war denn sür die Regierung Handhabe
genng, um die strengsten und willkürlichsten Schritte zu thun. schleunige An¬
werbungen waren das Erste; unmittelbar folgte eine Zwangsanleihe -- die
zweite seit einem Jahre und gleich dieser auf die für dortige Verhältnisse enorme
Summe von 500.000 Pesos sich belauscnd. Darauf ging es an die Verhaf¬
tungen. Auch hier entschied der leiseste Verdacht. Da indeß wenige sich sür
sicher hielten, so hatten sie sich alle bei Zeiten versteckt, und nur 10-- 12 no¬
table Männer gelang es zu überrumpeln und in Haft zu bringen. Unter andern
lockte man einen bekannten Arzt früh 6 Uhr aus dem Bette unter dem Vorgeben,
daß ihn ein Kranker nöthig habe, in die, Schlinge. Denn List mußte man
anwenden, weil Neger wie Farbige im Durchschnitt ein feiges Volk sind und
persönlicher Muth eines einzigen Weißen eine ganze Rotte in die Flucht
schlägt. So hatte sich das Jahr vorher Aeosta. infolge geheimer Warnung,
eben bevor man ihn früh 5 Uhr verhaften wollte, zu dem spamscheu Consul
geflüchtet, der in der öffentlichen Posada wohnte und einen Salon nebst (La¬
bmet inne hatte. Kaum hatte die Regierung dies erspäht, so sandte sie 2"
Mann bewaffnet hin, um Acosta herauszufordern. Sie drangen ungehindert
bis vor die Thür des Consuls. Da erschien dieser mit der spanischen Flagge,
breitete sie auf den Fußboden und erklärte, zwei Pistolen in der Hand, fest und
männlich - wer den ersten Schritt auf die Flagge thut, den schieße ich nieder.
Niemand wagte es auf solche Drohung hin. und obgleich die Schergen die
"ganze Nacht hindurch sich im Hause lagerten; Acosta blieb unangefochten noch
acht Tage in seinem Asyle. Nicht als ob die Regierung die spanische Flagge


So umfassende Vorsichtsmaßregeln die Negierung getroffen hatte, so fühlte
sie sich doch keineswegs sicher. Das Gespenst der Revolution nahte heran,
und sie fürchtete sich gar sehr vor diesem Gespenst. Zeugniß gaben donnernde
Proclamntionen, welche dem Volte Schrecken vor dem nahenden Tyrannen
Paez. der die Sklaverei wiederherstellen wolle, einstoßen sollten. Die fre>-
heitsmorderischen Oligarchen mußten als Popanz dienen, um zum Kampf für
die heiligsten Rechte, zur Warnung vor der Gefahr aufzurufen. „Nieder mit
Paez! Nieder mit den Oligarchen! Tod den Verräthern!" -c. las mau nicht
blos in den Blättern, nein, mit elleuhohen Buchstaben stand es eines Mor¬
gens die ganze Fronte lang an die Wände und Häuser aller Mißliebigen ge¬
malt, nachdem Regierungsbauten die Nacht vorher die Straßen heimlich durch¬
zogen hatten. Alles verkündete in der Hauptstadt einen Krieg auf Leben und
Tod. Die Drohungen auf der einen, die Ungewißheit der Lage auf der
andern Seite steigerte die fieberhafte Aufregung der Parteien. Paez mußte
jeden Augenblick landen; ein Blutbad inmitten der Hauptstadt schien unab¬
wendbar.

Da auf einmal kam aus dem Westen der Republik die erste Nachricht der
ausgebrochenen Insurrecüon. Das war denn sür die Regierung Handhabe
genng, um die strengsten und willkürlichsten Schritte zu thun. schleunige An¬
werbungen waren das Erste; unmittelbar folgte eine Zwangsanleihe — die
zweite seit einem Jahre und gleich dieser auf die für dortige Verhältnisse enorme
Summe von 500.000 Pesos sich belauscnd. Darauf ging es an die Verhaf¬
tungen. Auch hier entschied der leiseste Verdacht. Da indeß wenige sich sür
sicher hielten, so hatten sie sich alle bei Zeiten versteckt, und nur 10— 12 no¬
table Männer gelang es zu überrumpeln und in Haft zu bringen. Unter andern
lockte man einen bekannten Arzt früh 6 Uhr aus dem Bette unter dem Vorgeben,
daß ihn ein Kranker nöthig habe, in die, Schlinge. Denn List mußte man
anwenden, weil Neger wie Farbige im Durchschnitt ein feiges Volk sind und
persönlicher Muth eines einzigen Weißen eine ganze Rotte in die Flucht
schlägt. So hatte sich das Jahr vorher Aeosta. infolge geheimer Warnung,
eben bevor man ihn früh 5 Uhr verhaften wollte, zu dem spamscheu Consul
geflüchtet, der in der öffentlichen Posada wohnte und einen Salon nebst (La¬
bmet inne hatte. Kaum hatte die Regierung dies erspäht, so sandte sie 2«
Mann bewaffnet hin, um Acosta herauszufordern. Sie drangen ungehindert
bis vor die Thür des Consuls. Da erschien dieser mit der spanischen Flagge,
breitete sie auf den Fußboden und erklärte, zwei Pistolen in der Hand, fest und
männlich - wer den ersten Schritt auf die Flagge thut, den schieße ich nieder.
Niemand wagte es auf solche Drohung hin. und obgleich die Schergen die
«ganze Nacht hindurch sich im Hause lagerten; Acosta blieb unangefochten noch
acht Tage in seinem Asyle. Nicht als ob die Regierung die spanische Flagge


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[0519] So umfassende Vorsichtsmaßregeln die Negierung getroffen hatte, so fühlte sie sich doch keineswegs sicher. Das Gespenst der Revolution nahte heran, und sie fürchtete sich gar sehr vor diesem Gespenst. Zeugniß gaben donnernde Proclamntionen, welche dem Volte Schrecken vor dem nahenden Tyrannen Paez. der die Sklaverei wiederherstellen wolle, einstoßen sollten. Die fre>- heitsmorderischen Oligarchen mußten als Popanz dienen, um zum Kampf für die heiligsten Rechte, zur Warnung vor der Gefahr aufzurufen. „Nieder mit Paez! Nieder mit den Oligarchen! Tod den Verräthern!" -c. las mau nicht blos in den Blättern, nein, mit elleuhohen Buchstaben stand es eines Mor¬ gens die ganze Fronte lang an die Wände und Häuser aller Mißliebigen ge¬ malt, nachdem Regierungsbauten die Nacht vorher die Straßen heimlich durch¬ zogen hatten. Alles verkündete in der Hauptstadt einen Krieg auf Leben und Tod. Die Drohungen auf der einen, die Ungewißheit der Lage auf der andern Seite steigerte die fieberhafte Aufregung der Parteien. Paez mußte jeden Augenblick landen; ein Blutbad inmitten der Hauptstadt schien unab¬ wendbar. Da auf einmal kam aus dem Westen der Republik die erste Nachricht der ausgebrochenen Insurrecüon. Das war denn sür die Regierung Handhabe genng, um die strengsten und willkürlichsten Schritte zu thun. schleunige An¬ werbungen waren das Erste; unmittelbar folgte eine Zwangsanleihe — die zweite seit einem Jahre und gleich dieser auf die für dortige Verhältnisse enorme Summe von 500.000 Pesos sich belauscnd. Darauf ging es an die Verhaf¬ tungen. Auch hier entschied der leiseste Verdacht. Da indeß wenige sich sür sicher hielten, so hatten sie sich alle bei Zeiten versteckt, und nur 10— 12 no¬ table Männer gelang es zu überrumpeln und in Haft zu bringen. Unter andern lockte man einen bekannten Arzt früh 6 Uhr aus dem Bette unter dem Vorgeben, daß ihn ein Kranker nöthig habe, in die, Schlinge. Denn List mußte man anwenden, weil Neger wie Farbige im Durchschnitt ein feiges Volk sind und persönlicher Muth eines einzigen Weißen eine ganze Rotte in die Flucht schlägt. So hatte sich das Jahr vorher Aeosta. infolge geheimer Warnung, eben bevor man ihn früh 5 Uhr verhaften wollte, zu dem spamscheu Consul geflüchtet, der in der öffentlichen Posada wohnte und einen Salon nebst (La¬ bmet inne hatte. Kaum hatte die Regierung dies erspäht, so sandte sie 2« Mann bewaffnet hin, um Acosta herauszufordern. Sie drangen ungehindert bis vor die Thür des Consuls. Da erschien dieser mit der spanischen Flagge, breitete sie auf den Fußboden und erklärte, zwei Pistolen in der Hand, fest und männlich - wer den ersten Schritt auf die Flagge thut, den schieße ich nieder. Niemand wagte es auf solche Drohung hin. und obgleich die Schergen die «ganze Nacht hindurch sich im Hause lagerten; Acosta blieb unangefochten noch acht Tage in seinem Asyle. Nicht als ob die Regierung die spanische Flagge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/519>, abgerufen am 22.12.2024.