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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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landwirthschaftlichen Creditkassen wurden gegründet, weite Strecken Sumpf¬
landes trocken gelegt, überall Verbesserungen in der Cultur eingeführt. Ader
hierbei verfuhr der große König >vie bei seiner Gewerbepolitik ganz in bevor¬
mundender Weise und schrieb in ausführlichen Jnstructionen vor. wie der
Hecksel zu schneiden und die Bäume zu pfropfen seien. Doch läßt sich nicht
leugnen, daß bei dem gänzlichen Mangel an Initiative in der lnndbanenden
Bevölkerung selbst jene Bevormundung, die bei entwickelter" Verhältnissen
abgestreift ist, anregend und verbessernd gewirkt hat. Gegen Ende des Jahr¬
hunderts sing man auch an die Fortschritte fremder Länder auf diesem Gebiete,
namentlich Englands zu studiren, landwirthschaftliche Vereine entstanden durch
den Einfluß größerer Grundbesitzer, deren Mittel es erlaubten, mit Verbesserungen
voranzugehen, besondere Zeitschriften begannen zu erscheinen, und die syste¬
matische Bearbeitung des Faches ward durch A. Thaers Epoche machende
Schriften begründet. So wurden nacheinander eingeführt die Benutzung der
Bräche zur Futtererzeugung, die Sralifütterung, der Kleebau, der Kartoffelbau
ward ausgedehnt, die Schafzucht namentlich in Sachsen sehr vervollkommn
Pferde und Rindvieh durch sorgfältige Kreuzung veredelt. Trotzdem stand die
deutsche Landwirthschaft des achtzehnten Jahrhunderts weit hinter der englischen,
holländischen, lombardischen zurück, sie deckte nur den Bedarf der einheimischen
Bevölkerung, eine Ausfuhr deutscher Ackerbanerzeugnisse fand nur in geringem
Maße statt, und sehr richtig schließt der Verfasser aus den großen und plötzlichen
Schwankungen der Preise der ersten Lebensmittel auf ein wenig entwickeltes
wirthschaftliches Leben, besonders waren die schlechten Verkehrsmittel der Aus¬
gleichung der Preise hinderlich.

Der Schilderung der materiellen Zustände in Bezug auf die Nahruugs-
verhältnisse, welche der Verfasser nach den dürftigen vorhandenen Angaben
entwirft, zu folgen, würde hier zu weit führen, die Preise waren damals für
die ersten Lebensbedürfnisse nominell niedriger als jetzt, aber wie viel geringer
war auch der Wohlstand! Im Allgemeinen kann man sagen, daß alle Classen
der Bevölkerung jetzt sehr viel reichlicher leben als im vorigen Jahrhundert,
und namentlich ist eine oerhältnißmüßig größere Ausgleichung der verschiednen
Classen eingetreten. Durch die Bürgerkriege und die daraus folgende Ver¬
armung ward die alte Solidität und Gediegenheit in Kleidung, Wohnung
und Geräth vielfach verdrängt; Moser klagt, daß so wenig damalige Mobilien
die Vollendung der ältern deutschen oder der englischen Arbeiten haben; durch
das Beispiel der glänzenden Höfe ward eine Putzsucht hervorgerufen, welche
nicht un Verhältniß zu den Mitteln stand, und so kam das, was Lady Mon-
tague schäbige Eleganz nennt, in Aufnahme, wo mehr auf eine Spitzcnhaube
als ein gutes Hemde gesehen wird. Wie verhältnißmäßig einfach aber selbst
die höchsten Kreise vielfach lebten, zeigt ein Auszug, den der Verfasser über


landwirthschaftlichen Creditkassen wurden gegründet, weite Strecken Sumpf¬
landes trocken gelegt, überall Verbesserungen in der Cultur eingeführt. Ader
hierbei verfuhr der große König >vie bei seiner Gewerbepolitik ganz in bevor¬
mundender Weise und schrieb in ausführlichen Jnstructionen vor. wie der
Hecksel zu schneiden und die Bäume zu pfropfen seien. Doch läßt sich nicht
leugnen, daß bei dem gänzlichen Mangel an Initiative in der lnndbanenden
Bevölkerung selbst jene Bevormundung, die bei entwickelter» Verhältnissen
abgestreift ist, anregend und verbessernd gewirkt hat. Gegen Ende des Jahr¬
hunderts sing man auch an die Fortschritte fremder Länder auf diesem Gebiete,
namentlich Englands zu studiren, landwirthschaftliche Vereine entstanden durch
den Einfluß größerer Grundbesitzer, deren Mittel es erlaubten, mit Verbesserungen
voranzugehen, besondere Zeitschriften begannen zu erscheinen, und die syste¬
matische Bearbeitung des Faches ward durch A. Thaers Epoche machende
Schriften begründet. So wurden nacheinander eingeführt die Benutzung der
Bräche zur Futtererzeugung, die Sralifütterung, der Kleebau, der Kartoffelbau
ward ausgedehnt, die Schafzucht namentlich in Sachsen sehr vervollkommn
Pferde und Rindvieh durch sorgfältige Kreuzung veredelt. Trotzdem stand die
deutsche Landwirthschaft des achtzehnten Jahrhunderts weit hinter der englischen,
holländischen, lombardischen zurück, sie deckte nur den Bedarf der einheimischen
Bevölkerung, eine Ausfuhr deutscher Ackerbanerzeugnisse fand nur in geringem
Maße statt, und sehr richtig schließt der Verfasser aus den großen und plötzlichen
Schwankungen der Preise der ersten Lebensmittel auf ein wenig entwickeltes
wirthschaftliches Leben, besonders waren die schlechten Verkehrsmittel der Aus¬
gleichung der Preise hinderlich.

Der Schilderung der materiellen Zustände in Bezug auf die Nahruugs-
verhältnisse, welche der Verfasser nach den dürftigen vorhandenen Angaben
entwirft, zu folgen, würde hier zu weit führen, die Preise waren damals für
die ersten Lebensbedürfnisse nominell niedriger als jetzt, aber wie viel geringer
war auch der Wohlstand! Im Allgemeinen kann man sagen, daß alle Classen
der Bevölkerung jetzt sehr viel reichlicher leben als im vorigen Jahrhundert,
und namentlich ist eine oerhältnißmüßig größere Ausgleichung der verschiednen
Classen eingetreten. Durch die Bürgerkriege und die daraus folgende Ver¬
armung ward die alte Solidität und Gediegenheit in Kleidung, Wohnung
und Geräth vielfach verdrängt; Moser klagt, daß so wenig damalige Mobilien
die Vollendung der ältern deutschen oder der englischen Arbeiten haben; durch
das Beispiel der glänzenden Höfe ward eine Putzsucht hervorgerufen, welche
nicht un Verhältniß zu den Mitteln stand, und so kam das, was Lady Mon-
tague schäbige Eleganz nennt, in Aufnahme, wo mehr auf eine Spitzcnhaube
als ein gutes Hemde gesehen wird. Wie verhältnißmäßig einfach aber selbst
die höchsten Kreise vielfach lebten, zeigt ein Auszug, den der Verfasser über


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[0504] landwirthschaftlichen Creditkassen wurden gegründet, weite Strecken Sumpf¬ landes trocken gelegt, überall Verbesserungen in der Cultur eingeführt. Ader hierbei verfuhr der große König >vie bei seiner Gewerbepolitik ganz in bevor¬ mundender Weise und schrieb in ausführlichen Jnstructionen vor. wie der Hecksel zu schneiden und die Bäume zu pfropfen seien. Doch läßt sich nicht leugnen, daß bei dem gänzlichen Mangel an Initiative in der lnndbanenden Bevölkerung selbst jene Bevormundung, die bei entwickelter» Verhältnissen abgestreift ist, anregend und verbessernd gewirkt hat. Gegen Ende des Jahr¬ hunderts sing man auch an die Fortschritte fremder Länder auf diesem Gebiete, namentlich Englands zu studiren, landwirthschaftliche Vereine entstanden durch den Einfluß größerer Grundbesitzer, deren Mittel es erlaubten, mit Verbesserungen voranzugehen, besondere Zeitschriften begannen zu erscheinen, und die syste¬ matische Bearbeitung des Faches ward durch A. Thaers Epoche machende Schriften begründet. So wurden nacheinander eingeführt die Benutzung der Bräche zur Futtererzeugung, die Sralifütterung, der Kleebau, der Kartoffelbau ward ausgedehnt, die Schafzucht namentlich in Sachsen sehr vervollkommn Pferde und Rindvieh durch sorgfältige Kreuzung veredelt. Trotzdem stand die deutsche Landwirthschaft des achtzehnten Jahrhunderts weit hinter der englischen, holländischen, lombardischen zurück, sie deckte nur den Bedarf der einheimischen Bevölkerung, eine Ausfuhr deutscher Ackerbanerzeugnisse fand nur in geringem Maße statt, und sehr richtig schließt der Verfasser aus den großen und plötzlichen Schwankungen der Preise der ersten Lebensmittel auf ein wenig entwickeltes wirthschaftliches Leben, besonders waren die schlechten Verkehrsmittel der Aus¬ gleichung der Preise hinderlich. Der Schilderung der materiellen Zustände in Bezug auf die Nahruugs- verhältnisse, welche der Verfasser nach den dürftigen vorhandenen Angaben entwirft, zu folgen, würde hier zu weit führen, die Preise waren damals für die ersten Lebensbedürfnisse nominell niedriger als jetzt, aber wie viel geringer war auch der Wohlstand! Im Allgemeinen kann man sagen, daß alle Classen der Bevölkerung jetzt sehr viel reichlicher leben als im vorigen Jahrhundert, und namentlich ist eine oerhältnißmüßig größere Ausgleichung der verschiednen Classen eingetreten. Durch die Bürgerkriege und die daraus folgende Ver¬ armung ward die alte Solidität und Gediegenheit in Kleidung, Wohnung und Geräth vielfach verdrängt; Moser klagt, daß so wenig damalige Mobilien die Vollendung der ältern deutschen oder der englischen Arbeiten haben; durch das Beispiel der glänzenden Höfe ward eine Putzsucht hervorgerufen, welche nicht un Verhältniß zu den Mitteln stand, und so kam das, was Lady Mon- tague schäbige Eleganz nennt, in Aufnahme, wo mehr auf eine Spitzcnhaube als ein gutes Hemde gesehen wird. Wie verhältnißmäßig einfach aber selbst die höchsten Kreise vielfach lebten, zeigt ein Auszug, den der Verfasser über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/504>, abgerufen am 22.12.2024.