Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.durch den Degen auszuzeichnen, so spricht er damit seinem Adel alle die Müssen wir anerkennen, daß unsere heutigen deutschen Wehrverhältnisse durch den Degen auszuzeichnen, so spricht er damit seinem Adel alle die Müssen wir anerkennen, daß unsere heutigen deutschen Wehrverhältnisse <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186913"/> <p xml:id="ID_1123" prev="#ID_1122"> durch den Degen auszuzeichnen, so spricht er damit seinem Adel alle die<lb/> Selbständigkeit ad, welche für ihn die Bedingung eines würdigen Daseins<lb/> ist. Aber freilich wie sehr im Geiste jener Zeit diese Anschauung ist, zeigt<lb/> sich dei der Erwägung, das, in Frankreich wenige Jahre vor der Revolution<lb/> erst die Quartiersprobe für Ofsizicrstellen eingeführt ward. Dieser Zeit mühte<lb/> denn auch begreiflicherweise eine volkstümliche Bildung des Heeres ferne lie¬<lb/> gen. Wie das Volk im Allgemeinen nur Bcsteurungsobject war. so war auch<lb/> das Heer nur ein blindes Werkzeug, von einer allgemeinen Dienstpflicht,<lb/> einem Heerbanne und Landsturm hatte man keine Idee, von der Conscription<lb/> finden sich nur schwache Anfänge, das überall giltige System war das der<lb/> Werbung, die Wasfcnführung war ein besonderes Gewerbe, der Krieg ward<lb/> als eine persönliche Angelegenheit des Fürsten und des sich in ihm verkörpern¬<lb/> den Staates angesehen, für den das Land nur die Büttel zu liefern habe.<lb/> Es war daher sehr begreiflich/ wenn man von diesem Standpunkte darauf<lb/> ausging, möglichst in andern Ländern das nöthige Material zum Heere zu su¬<lb/> chen, und in fremden Staaten warb, damit die Einheimischen ihre produc-<lb/> tiven Gewerbe betreiben könnten. Aber da ein deutscher Fürst immer im<lb/> Lande des andern zu werben suchte, so war das Ergebniß doch, daß von<lb/> dem ganzen deutschen Lande eine Masse der tüchtigsten Kräfte in Anspruch<lb/> genommen wurden; wenn dies nun für eine wahre Armee, wie die preußische<lb/> oder östreichische, noch wenigstens einen großen Zweck hatte, so war die Svl-<lb/> datenspielerei der kleinen Fürsten um so verwerflicher, als dem Vaterland« nichts<lb/> damit genutzt, sondern nur schwerer Schaden zugefügt ward, selbst wenn man<lb/> jenen schmachvollen Menschenhandel ganz unberücksichtigt läßt, den die deut¬<lb/> schen Souveräne als Finanzspeculation trieben; 34 Millionen Thlr. zahlte<lb/> England für 29,1ki6 Mann, die gegen die Amerikaner kämpfen mußten, wo¬<lb/> von > t,853 verloren gingen! Die aus aller Herren Ländern und allen Ständen<lb/> zusammengeworbenen Truppen konnten nur durch harte Zucht in Ordnung<lb/> gehalten werden, und bildeten eine von den andern Ständen gesonderte Kaste,<lb/> welche sich oft im anmaßlichstcn Uebermuth über den Bürger erhob. In den<lb/> meisten Staaten ward der Soldatenstand' als der erste betrachtet, eine Vor¬<lb/> stellung, die noch heute vielfach eingewurzelt ist. noch heute gibt es Staaten,<lb/> wo die Frau jedes Offiziers hoffähig ist, während die Frau eines reichen un¬<lb/> abhängigen Bürgers over hohen Beamten ihren Fuß nicht ins Schloß setzen<lb/> darf. Nach der französischen Revolution trat allerdings ein gewisser Umschwung<lb/> der Ideen ein. wie die berühmte Cabinetsvdre zeigt, welche Friedlich Wil¬<lb/> helm 4. 1798 erließ. „Kein Soldat darf sich unterstehen, den geringsten<lb/> meiner Bürger zu brüskiren. sie sind es. nicht Ich, die die Armee unterhalten,<lb/> in ihrem Brote steht das Heer der meinen Befehlen anvertrauten Truppen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1124" next="#ID_1125"> Müssen wir anerkennen, daß unsere heutigen deutschen Wehrverhältnisse</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0500]
durch den Degen auszuzeichnen, so spricht er damit seinem Adel alle die
Selbständigkeit ad, welche für ihn die Bedingung eines würdigen Daseins
ist. Aber freilich wie sehr im Geiste jener Zeit diese Anschauung ist, zeigt
sich dei der Erwägung, das, in Frankreich wenige Jahre vor der Revolution
erst die Quartiersprobe für Ofsizicrstellen eingeführt ward. Dieser Zeit mühte
denn auch begreiflicherweise eine volkstümliche Bildung des Heeres ferne lie¬
gen. Wie das Volk im Allgemeinen nur Bcsteurungsobject war. so war auch
das Heer nur ein blindes Werkzeug, von einer allgemeinen Dienstpflicht,
einem Heerbanne und Landsturm hatte man keine Idee, von der Conscription
finden sich nur schwache Anfänge, das überall giltige System war das der
Werbung, die Wasfcnführung war ein besonderes Gewerbe, der Krieg ward
als eine persönliche Angelegenheit des Fürsten und des sich in ihm verkörpern¬
den Staates angesehen, für den das Land nur die Büttel zu liefern habe.
Es war daher sehr begreiflich/ wenn man von diesem Standpunkte darauf
ausging, möglichst in andern Ländern das nöthige Material zum Heere zu su¬
chen, und in fremden Staaten warb, damit die Einheimischen ihre produc-
tiven Gewerbe betreiben könnten. Aber da ein deutscher Fürst immer im
Lande des andern zu werben suchte, so war das Ergebniß doch, daß von
dem ganzen deutschen Lande eine Masse der tüchtigsten Kräfte in Anspruch
genommen wurden; wenn dies nun für eine wahre Armee, wie die preußische
oder östreichische, noch wenigstens einen großen Zweck hatte, so war die Svl-
datenspielerei der kleinen Fürsten um so verwerflicher, als dem Vaterland« nichts
damit genutzt, sondern nur schwerer Schaden zugefügt ward, selbst wenn man
jenen schmachvollen Menschenhandel ganz unberücksichtigt läßt, den die deut¬
schen Souveräne als Finanzspeculation trieben; 34 Millionen Thlr. zahlte
England für 29,1ki6 Mann, die gegen die Amerikaner kämpfen mußten, wo¬
von > t,853 verloren gingen! Die aus aller Herren Ländern und allen Ständen
zusammengeworbenen Truppen konnten nur durch harte Zucht in Ordnung
gehalten werden, und bildeten eine von den andern Ständen gesonderte Kaste,
welche sich oft im anmaßlichstcn Uebermuth über den Bürger erhob. In den
meisten Staaten ward der Soldatenstand' als der erste betrachtet, eine Vor¬
stellung, die noch heute vielfach eingewurzelt ist. noch heute gibt es Staaten,
wo die Frau jedes Offiziers hoffähig ist, während die Frau eines reichen un¬
abhängigen Bürgers over hohen Beamten ihren Fuß nicht ins Schloß setzen
darf. Nach der französischen Revolution trat allerdings ein gewisser Umschwung
der Ideen ein. wie die berühmte Cabinetsvdre zeigt, welche Friedlich Wil¬
helm 4. 1798 erließ. „Kein Soldat darf sich unterstehen, den geringsten
meiner Bürger zu brüskiren. sie sind es. nicht Ich, die die Armee unterhalten,
in ihrem Brote steht das Heer der meinen Befehlen anvertrauten Truppen."
Müssen wir anerkennen, daß unsere heutigen deutschen Wehrverhältnisse
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