Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.Erzählung lebhaft, trotz aller Verwicklung durchsichtig und anziehend. Der Wir knüpfen an diese Besprechung der Sansara die Anzeige einer zweiten Erzählung lebhaft, trotz aller Verwicklung durchsichtig und anziehend. Der Wir knüpfen an diese Besprechung der Sansara die Anzeige einer zweiten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186911"/> <p xml:id="ID_1117" prev="#ID_1116"> Erzählung lebhaft, trotz aller Verwicklung durchsichtig und anziehend. Der<lb/> Dialog in den meisten Fällen natürlich und frei von aller Pedanterie; einzelne<lb/> Scenen, namentlich da. wo eine landschaftliche Decoration die Seelenstimmung<lb/> unterstützt, glänzend ausgeführt; so namentlich die erste Episode, die auch wol<lb/> die Krone des Ganzen bleiben möchte. Es ist ferner dem Dichter gelungen,<lb/> seinen Figuren eine kenntliche Physiognomie zu geben, was um so verdienst¬<lb/> licher ist. da die Herrschaften in der großen Welt viel ähnliches haben; und<lb/> dabei sieht man, daß die Charakteristik ihm natürlich ist, daß er sie nicht erst<lb/> austünstcln darf. Freilich wäre mitunter der psychologischen Analyse eine<lb/> größere Tiefe zu wünschen; aber diese wird sich erst dann einstellen, wenn<lb/> Meißner sich daran gewöhnt, ernster zu denken. Bis dahin möchten wir ihm<lb/> den Rath geben, alle Reflexionen zu vermeiden, oder sie nachträglich zu streichen.<lb/> Auch diesmal hat er seinen Helden einige Bemerkungen über deutsche Politik<lb/> in den Mund gelegt, die zwar in der entgegengesetzten Richtung seiner frühern<lb/> socialistischen Versuche gehn, aber um kein Haar breit verständiger sind. In<lb/> solchen Dingen soll man nicht dem ersten besten Einfall nachgeben, nur das<lb/> wirkliche Wissen befähigt zu einem politischen Urtheil. Wozu soll auch alle<lb/> Welt raisonniren? Es ist in Deutschland genug philosophirt worden und wer<lb/> wie Meißner die schöne Gabe der Erzählung und Darstellung besitzt, kann sich<lb/> auch ohne unnützes Raisomrcment die Menge zu aufrichtigem Dank verpflichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1118" next="#ID_1119"> Wir knüpfen an diese Besprechung der Sansara die Anzeige einer zweiten<lb/> Dichtung, deren Verfasser ein ähnliches descviptives Talent besitzt und schon<lb/> glänzende Proben davon abgelegt hat. Unterm Krummstab, in Zwing und<lb/> Bann, Roman von Robert Waldmüller. (Leipzig, Fleischer.) Der Roman<lb/> spielt im 1K. Jahrhundert und zeichnet, indem er das Klosterleben zu Grunde<lb/> legt, die verschiedenen sittlichen Erscheinungen in der Schweiz, Deutschland und<lb/> Italien, die damit im Zusammenhang stehn. Was bei dem Roman zunächst<lb/> auffällt, sind die sorgfältigen und gründlichen Detailstudien des Verfassers.<lb/> Er hat sich von den Sitten, Gewohnheiten und Nechtsgebräuchen jener Periode<lb/> eine so vollständige Kenntniß erworben, daß ein Gelehrter ihn darum beneiden<lb/> könnte, und er hat sie so klar auseinandergesetzt, daß man sie gewissermaßen<lb/> aus ihm studiren kann. Mit einer nicht geringen Kraft der Schilderung begabt,<lb/> fehlt es ihm auch an Erfindung nicht, es ist daher sehr zu beklagen, daß es<lb/> ihm nicht gelungen ist. das eine mit dem andern zu einem organischen Ganzen<lb/> zu verbinden. Bei seiner Entwicklung der Rechtsgewohnhciten muß man sich<lb/> nicht selten fragen, was sie eigentlich im Zusammenhang sollen, und da der<lb/> Romcmlcser mit Recht von dem Dichter verlangt, er solle alle seine Wissen¬<lb/> schaft und Kunst nur dazu anwenden, ihm den Gegenstand, die Handlung<lb/> deutlich und anziehend zu machen, so wird er bei diesen Excursen, für die er<lb/> in Beziehung auf das, was ihm die Hauptsache ist. keinen Zweck absieht, nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0498]
Erzählung lebhaft, trotz aller Verwicklung durchsichtig und anziehend. Der
Dialog in den meisten Fällen natürlich und frei von aller Pedanterie; einzelne
Scenen, namentlich da. wo eine landschaftliche Decoration die Seelenstimmung
unterstützt, glänzend ausgeführt; so namentlich die erste Episode, die auch wol
die Krone des Ganzen bleiben möchte. Es ist ferner dem Dichter gelungen,
seinen Figuren eine kenntliche Physiognomie zu geben, was um so verdienst¬
licher ist. da die Herrschaften in der großen Welt viel ähnliches haben; und
dabei sieht man, daß die Charakteristik ihm natürlich ist, daß er sie nicht erst
austünstcln darf. Freilich wäre mitunter der psychologischen Analyse eine
größere Tiefe zu wünschen; aber diese wird sich erst dann einstellen, wenn
Meißner sich daran gewöhnt, ernster zu denken. Bis dahin möchten wir ihm
den Rath geben, alle Reflexionen zu vermeiden, oder sie nachträglich zu streichen.
Auch diesmal hat er seinen Helden einige Bemerkungen über deutsche Politik
in den Mund gelegt, die zwar in der entgegengesetzten Richtung seiner frühern
socialistischen Versuche gehn, aber um kein Haar breit verständiger sind. In
solchen Dingen soll man nicht dem ersten besten Einfall nachgeben, nur das
wirkliche Wissen befähigt zu einem politischen Urtheil. Wozu soll auch alle
Welt raisonniren? Es ist in Deutschland genug philosophirt worden und wer
wie Meißner die schöne Gabe der Erzählung und Darstellung besitzt, kann sich
auch ohne unnützes Raisomrcment die Menge zu aufrichtigem Dank verpflichten.
Wir knüpfen an diese Besprechung der Sansara die Anzeige einer zweiten
Dichtung, deren Verfasser ein ähnliches descviptives Talent besitzt und schon
glänzende Proben davon abgelegt hat. Unterm Krummstab, in Zwing und
Bann, Roman von Robert Waldmüller. (Leipzig, Fleischer.) Der Roman
spielt im 1K. Jahrhundert und zeichnet, indem er das Klosterleben zu Grunde
legt, die verschiedenen sittlichen Erscheinungen in der Schweiz, Deutschland und
Italien, die damit im Zusammenhang stehn. Was bei dem Roman zunächst
auffällt, sind die sorgfältigen und gründlichen Detailstudien des Verfassers.
Er hat sich von den Sitten, Gewohnheiten und Nechtsgebräuchen jener Periode
eine so vollständige Kenntniß erworben, daß ein Gelehrter ihn darum beneiden
könnte, und er hat sie so klar auseinandergesetzt, daß man sie gewissermaßen
aus ihm studiren kann. Mit einer nicht geringen Kraft der Schilderung begabt,
fehlt es ihm auch an Erfindung nicht, es ist daher sehr zu beklagen, daß es
ihm nicht gelungen ist. das eine mit dem andern zu einem organischen Ganzen
zu verbinden. Bei seiner Entwicklung der Rechtsgewohnhciten muß man sich
nicht selten fragen, was sie eigentlich im Zusammenhang sollen, und da der
Romcmlcser mit Recht von dem Dichter verlangt, er solle alle seine Wissen¬
schaft und Kunst nur dazu anwenden, ihm den Gegenstand, die Handlung
deutlich und anziehend zu machen, so wird er bei diesen Excursen, für die er
in Beziehung auf das, was ihm die Hauptsache ist. keinen Zweck absieht, nicht
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