Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.und nach neuen Fahrten, neuen Sternen und Blumen, neuen Stürmen und Diese und ähnliche Ansichten finden wir bereits in Hofmanns Phantasie¬ Dies war der natürliche Ausgang der Sachlage, der zugleich die poetische und nach neuen Fahrten, neuen Sternen und Blumen, neuen Stürmen und Diese und ähnliche Ansichten finden wir bereits in Hofmanns Phantasie¬ Dies war der natürliche Ausgang der Sachlage, der zugleich die poetische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0496" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186909"/> <p xml:id="ID_1110" prev="#ID_1109"> und nach neuen Fahrten, neuen Sternen und Blumen, neuen Stürmen und<lb/> Brandungen und neuer Wonne sehnt sich sein Herz. Der Mensch, wie ihn<lb/> die Natur in der unendlichen Mehrzahl schaffe wird die Natur eines Erobe¬<lb/> rers, eines Napoleon z. B. nie begreifen. Mit welchem Maß soll er an diese<lb/> dämonische Brust herantreten? Er hatte dach wahrlich als Consul genug er¬<lb/> reicht! Hatte er nicht die Wahl unter den Töchtern der Senatoren? War sein<lb/> Name nicht groß genug, sein Einfluß nicht mächtig genug? Was bringt einen<lb/> Menschen dazu, das Feldbett zu wählen statt der Dunen, ein Leben zu wa¬<lb/> gen, das bereits so viel besitzt, Friedensverträge zu zerreißen, fortzustürmen<lb/> von Reich zu Reich in eine Unermeßliche'eit hinein, die ihn zuletzt verschlingen<lb/> muß'? der Moralist zuckt mit den Achseln und sagt- diesem Menschen fehlt die<lb/> Begrenzung. Aber dieser Tugendhaften, die sich selbst begrenzen, ist die Welt<lb/> voll, wenn die Geschichte sie auch acht kennt und die Poesie sie nicht brau¬<lb/> chen kann . . "</p><lb/> <p xml:id="ID_1111"> Diese und ähnliche Ansichten finden wir bereits in Hofmanns Phantasie¬<lb/> stücken; jenem Buch, welches zuerst den Don Juan-Cultus aufrichtete und die<lb/> Romantik der Liederlichkeit verherrlichte. Es ist schlimm, daß in Deutsch¬<lb/> land jeder gute und schlechte Einfall bald zu einer Doctrin abgerundet wird.<lb/> Es ist nicht das natürlrche Gefühl, welches Alfred Meißner zu jenem Dithy¬<lb/> rambus bestimmt, sondern die Doctrin, wie er sie aus Hofmann und Heine<lb/> gelernt hat. Daß sein natürliches Gefühl viel besser ist als seine Doctrin,<lb/> davon werden wir uns sofort überzeugen, so bald wir den Schluß seines<lb/> Romans ins Auge fassen. Nachdem Don Juan Hostiwin einige Jahre in<lb/> gelinder Blasirtheit zugebracht, nachdem sein dämonischer Trieb der Leiden¬<lb/> schaft sich in matte Zerstreuungssucht abgeschwächt hat, begegnet ihm ein Weib,<lb/> in dem er sein Ideal zu erkennen glaubt; möglich, daß er sich darin täuscht,<lb/> wie in seinen frühern Liebesversuchen, jedenfalls ist sein Gefühl diesmal von<lb/> Heirathsgcdanken begleitet. Er macht der Dame einen Antrag und erfährt<lb/> zu seinem Erstaune» und seinem Schmerz, daß sie nicht mehr Wärme des<lb/> Herzens genug besitze, um einen Manu wahrhaft lieben zu können. Sehr<lb/> niedergeschlagen reist er ab und begegnet auf eiuer Alp dem Bruder eines<lb/> Mädchens, das durch seinen Verrath elend ums Leben gekommen. Dieser will<lb/> sich rächen und den Verführer in den Abgrund stürzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1112" next="#ID_1113"> Dies war der natürliche Ausgang der Sachlage, der zugleich die poetische<lb/> Stimmung vollkommen befriedigt haben würde, der Ausgang, den des Dichters<lb/> natürliches Gefühl ihm eingab; aber nun kommt die Doctrin dazwischen, Don<lb/> Juan soll ja eben verherrlicht, seine Existenz als die normale dargestellt wer¬<lb/> den. Das Attentat mißlingt, Don Juan wirft seinen Gegner in den Abgrund.<lb/> Nun ist es aber wieder mißlich, daß auf der Seele des Helden eine neue<lb/> Blutschuld lasten soll. Hier findet Meißner einen ganz wunderlichen Ausweg.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0496]
und nach neuen Fahrten, neuen Sternen und Blumen, neuen Stürmen und
Brandungen und neuer Wonne sehnt sich sein Herz. Der Mensch, wie ihn
die Natur in der unendlichen Mehrzahl schaffe wird die Natur eines Erobe¬
rers, eines Napoleon z. B. nie begreifen. Mit welchem Maß soll er an diese
dämonische Brust herantreten? Er hatte dach wahrlich als Consul genug er¬
reicht! Hatte er nicht die Wahl unter den Töchtern der Senatoren? War sein
Name nicht groß genug, sein Einfluß nicht mächtig genug? Was bringt einen
Menschen dazu, das Feldbett zu wählen statt der Dunen, ein Leben zu wa¬
gen, das bereits so viel besitzt, Friedensverträge zu zerreißen, fortzustürmen
von Reich zu Reich in eine Unermeßliche'eit hinein, die ihn zuletzt verschlingen
muß'? der Moralist zuckt mit den Achseln und sagt- diesem Menschen fehlt die
Begrenzung. Aber dieser Tugendhaften, die sich selbst begrenzen, ist die Welt
voll, wenn die Geschichte sie auch acht kennt und die Poesie sie nicht brau¬
chen kann . . "
Diese und ähnliche Ansichten finden wir bereits in Hofmanns Phantasie¬
stücken; jenem Buch, welches zuerst den Don Juan-Cultus aufrichtete und die
Romantik der Liederlichkeit verherrlichte. Es ist schlimm, daß in Deutsch¬
land jeder gute und schlechte Einfall bald zu einer Doctrin abgerundet wird.
Es ist nicht das natürlrche Gefühl, welches Alfred Meißner zu jenem Dithy¬
rambus bestimmt, sondern die Doctrin, wie er sie aus Hofmann und Heine
gelernt hat. Daß sein natürliches Gefühl viel besser ist als seine Doctrin,
davon werden wir uns sofort überzeugen, so bald wir den Schluß seines
Romans ins Auge fassen. Nachdem Don Juan Hostiwin einige Jahre in
gelinder Blasirtheit zugebracht, nachdem sein dämonischer Trieb der Leiden¬
schaft sich in matte Zerstreuungssucht abgeschwächt hat, begegnet ihm ein Weib,
in dem er sein Ideal zu erkennen glaubt; möglich, daß er sich darin täuscht,
wie in seinen frühern Liebesversuchen, jedenfalls ist sein Gefühl diesmal von
Heirathsgcdanken begleitet. Er macht der Dame einen Antrag und erfährt
zu seinem Erstaune» und seinem Schmerz, daß sie nicht mehr Wärme des
Herzens genug besitze, um einen Manu wahrhaft lieben zu können. Sehr
niedergeschlagen reist er ab und begegnet auf eiuer Alp dem Bruder eines
Mädchens, das durch seinen Verrath elend ums Leben gekommen. Dieser will
sich rächen und den Verführer in den Abgrund stürzen.
Dies war der natürliche Ausgang der Sachlage, der zugleich die poetische
Stimmung vollkommen befriedigt haben würde, der Ausgang, den des Dichters
natürliches Gefühl ihm eingab; aber nun kommt die Doctrin dazwischen, Don
Juan soll ja eben verherrlicht, seine Existenz als die normale dargestellt wer¬
den. Das Attentat mißlingt, Don Juan wirft seinen Gegner in den Abgrund.
Nun ist es aber wieder mißlich, daß auf der Seele des Helden eine neue
Blutschuld lasten soll. Hier findet Meißner einen ganz wunderlichen Ausweg.
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