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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Die SmchM mal andere Knaule.

Dus gesannnte deutsche Publicum und mit ihm die Ausländer in nicht
geringem Umfang haben sich seit lM Jahren an Mozarts Don Juan erbaut.
Die seelenvolle Musik hat den Stoff geadelt, der, wenn nur ihn für sich selbst
betrachten, nicht blos etwas Schlüpfriges, sondern zugleich auch etwas Trock-
nes hat. <5r gehört eigentlich nicht Deutschland an. Ein Held, vou dem
der Bediente in jener berühmten Arie fingt: jede Schürze war ihm recht; ihm
war keine, keine je zu schlecht! ein solcher Held ist nicht deutsch gedacht. Wir
haben ihn von unseren romanischen Nachbarn, vou deu Franzosen, Spaniern,
Italienern überkommen. In Frankreich ist die Don Juan-Mythe mit Her
größten Virtuosität bearbeitet worden. Die französische Romanliteratur aus
dein Ende des vorigen Jahrhunderts hat es fast nur mit Don Juans zu thun,
gleich viel ob sie dieselben Faublas oder Balmont tauft. Das Interesse der
Romanschreiber an solchen Stosse" ist auch leicht zu begreifen, denn seitdem
die Periode der irrenden Ritter und die darauf folgende der spanischen Spitz¬
buben vorüber ist, gibt es keine Menschenclasse, deren Leben zu so bunten
Abenteuern Gelegenheit gibt, als die Classe der Don Juans. Abgesehen von
den verschiedenen Nüancen der Lied.csempsindungen, der Intriguen, durch
welche man die Schönen kirrt, der Verzweiflung, wenn man sie im Stich
lässt, gibt es da noch nächtliche Fensterersteigungeu, Duelle mit Vätern. Brü¬
dern, Ehemännern, kölnische Jntermezzos, Gift, Dolch und was sonst zur
Sache gehört. Außerdem beschränkt ein Don Juan nur selten den Schauplatz
seiner Thaten aus eine kleine Localität, er macht in der Regel Reisen durch
ganz Europa, um dem Register seines Leporello eine größere Mannigfattigleii
zu geben und setzt damit seinen Biographen in den Stand, eine landschaft¬
liche Karte der verschiedensten Klimate zu entfalten, was für den Roman
immer eine nicht zu verachtende Würze ist. Es ist sehr erklärlich, daß auch
der spießbürgerliche Theil des Publicums sich an den Abenteuern des galan¬
ten Herrn weidlich ergötzt, gerade wie an den Türkenkriegen, wenn man sich
hinter dem sichern Ofen die Zeitung vorliest, oder an Gespenstergeschichten.

Aber so sehr man sich für die Person des Abenteurers interessirt, der so
bunte Schicksale durchmachte, in einem Punkt war doch das Publicum voll
kommen einig, daß ihn zuletzt der Teufel holen müsse. Und in der That holt
ihn zuletzt immer der Teufel. Wenn ihm auch nicht die natürlichen Folgen
seiner Handlungen über den .^opf wuchsen, weim er der Blutrache, der Polizei
und der Justiz entging, so öffneten sich zuletzt die Pforten der Hölle, die
Geister der verschiedenen Opfer stiegen daraus hervor und Don Juan konnte
seinem Schicksal nicht entgehn. Selbst bei den Franzosen in ihrer Periode


Die SmchM mal andere Knaule.

Dus gesannnte deutsche Publicum und mit ihm die Ausländer in nicht
geringem Umfang haben sich seit lM Jahren an Mozarts Don Juan erbaut.
Die seelenvolle Musik hat den Stoff geadelt, der, wenn nur ihn für sich selbst
betrachten, nicht blos etwas Schlüpfriges, sondern zugleich auch etwas Trock-
nes hat. <5r gehört eigentlich nicht Deutschland an. Ein Held, vou dem
der Bediente in jener berühmten Arie fingt: jede Schürze war ihm recht; ihm
war keine, keine je zu schlecht! ein solcher Held ist nicht deutsch gedacht. Wir
haben ihn von unseren romanischen Nachbarn, vou deu Franzosen, Spaniern,
Italienern überkommen. In Frankreich ist die Don Juan-Mythe mit Her
größten Virtuosität bearbeitet worden. Die französische Romanliteratur aus
dein Ende des vorigen Jahrhunderts hat es fast nur mit Don Juans zu thun,
gleich viel ob sie dieselben Faublas oder Balmont tauft. Das Interesse der
Romanschreiber an solchen Stosse» ist auch leicht zu begreifen, denn seitdem
die Periode der irrenden Ritter und die darauf folgende der spanischen Spitz¬
buben vorüber ist, gibt es keine Menschenclasse, deren Leben zu so bunten
Abenteuern Gelegenheit gibt, als die Classe der Don Juans. Abgesehen von
den verschiedenen Nüancen der Lied.csempsindungen, der Intriguen, durch
welche man die Schönen kirrt, der Verzweiflung, wenn man sie im Stich
lässt, gibt es da noch nächtliche Fensterersteigungeu, Duelle mit Vätern. Brü¬
dern, Ehemännern, kölnische Jntermezzos, Gift, Dolch und was sonst zur
Sache gehört. Außerdem beschränkt ein Don Juan nur selten den Schauplatz
seiner Thaten aus eine kleine Localität, er macht in der Regel Reisen durch
ganz Europa, um dem Register seines Leporello eine größere Mannigfattigleii
zu geben und setzt damit seinen Biographen in den Stand, eine landschaft¬
liche Karte der verschiedensten Klimate zu entfalten, was für den Roman
immer eine nicht zu verachtende Würze ist. Es ist sehr erklärlich, daß auch
der spießbürgerliche Theil des Publicums sich an den Abenteuern des galan¬
ten Herrn weidlich ergötzt, gerade wie an den Türkenkriegen, wenn man sich
hinter dem sichern Ofen die Zeitung vorliest, oder an Gespenstergeschichten.

Aber so sehr man sich für die Person des Abenteurers interessirt, der so
bunte Schicksale durchmachte, in einem Punkt war doch das Publicum voll
kommen einig, daß ihn zuletzt der Teufel holen müsse. Und in der That holt
ihn zuletzt immer der Teufel. Wenn ihm auch nicht die natürlichen Folgen
seiner Handlungen über den .^opf wuchsen, weim er der Blutrache, der Polizei
und der Justiz entging, so öffneten sich zuletzt die Pforten der Hölle, die
Geister der verschiedenen Opfer stiegen daraus hervor und Don Juan konnte
seinem Schicksal nicht entgehn. Selbst bei den Franzosen in ihrer Periode


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[0494] Die SmchM mal andere Knaule. Dus gesannnte deutsche Publicum und mit ihm die Ausländer in nicht geringem Umfang haben sich seit lM Jahren an Mozarts Don Juan erbaut. Die seelenvolle Musik hat den Stoff geadelt, der, wenn nur ihn für sich selbst betrachten, nicht blos etwas Schlüpfriges, sondern zugleich auch etwas Trock- nes hat. <5r gehört eigentlich nicht Deutschland an. Ein Held, vou dem der Bediente in jener berühmten Arie fingt: jede Schürze war ihm recht; ihm war keine, keine je zu schlecht! ein solcher Held ist nicht deutsch gedacht. Wir haben ihn von unseren romanischen Nachbarn, vou deu Franzosen, Spaniern, Italienern überkommen. In Frankreich ist die Don Juan-Mythe mit Her größten Virtuosität bearbeitet worden. Die französische Romanliteratur aus dein Ende des vorigen Jahrhunderts hat es fast nur mit Don Juans zu thun, gleich viel ob sie dieselben Faublas oder Balmont tauft. Das Interesse der Romanschreiber an solchen Stosse» ist auch leicht zu begreifen, denn seitdem die Periode der irrenden Ritter und die darauf folgende der spanischen Spitz¬ buben vorüber ist, gibt es keine Menschenclasse, deren Leben zu so bunten Abenteuern Gelegenheit gibt, als die Classe der Don Juans. Abgesehen von den verschiedenen Nüancen der Lied.csempsindungen, der Intriguen, durch welche man die Schönen kirrt, der Verzweiflung, wenn man sie im Stich lässt, gibt es da noch nächtliche Fensterersteigungeu, Duelle mit Vätern. Brü¬ dern, Ehemännern, kölnische Jntermezzos, Gift, Dolch und was sonst zur Sache gehört. Außerdem beschränkt ein Don Juan nur selten den Schauplatz seiner Thaten aus eine kleine Localität, er macht in der Regel Reisen durch ganz Europa, um dem Register seines Leporello eine größere Mannigfattigleii zu geben und setzt damit seinen Biographen in den Stand, eine landschaft¬ liche Karte der verschiedensten Klimate zu entfalten, was für den Roman immer eine nicht zu verachtende Würze ist. Es ist sehr erklärlich, daß auch der spießbürgerliche Theil des Publicums sich an den Abenteuern des galan¬ ten Herrn weidlich ergötzt, gerade wie an den Türkenkriegen, wenn man sich hinter dem sichern Ofen die Zeitung vorliest, oder an Gespenstergeschichten. Aber so sehr man sich für die Person des Abenteurers interessirt, der so bunte Schicksale durchmachte, in einem Punkt war doch das Publicum voll kommen einig, daß ihn zuletzt der Teufel holen müsse. Und in der That holt ihn zuletzt immer der Teufel. Wenn ihm auch nicht die natürlichen Folgen seiner Handlungen über den .^opf wuchsen, weim er der Blutrache, der Polizei und der Justiz entging, so öffneten sich zuletzt die Pforten der Hölle, die Geister der verschiedenen Opfer stiegen daraus hervor und Don Juan konnte seinem Schicksal nicht entgehn. Selbst bei den Franzosen in ihrer Periode

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/494>, abgerufen am 22.12.2024.