Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.jedes derselben die Vielregiererei, in den kleinern war dagegen namentlich die Das Daniederliegen der selbstständigen politischen Institutionen hatte den jedes derselben die Vielregiererei, in den kleinern war dagegen namentlich die Das Daniederliegen der selbstständigen politischen Institutionen hatte den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186899"/> <p xml:id="ID_1091" prev="#ID_1090"> jedes derselben die Vielregiererei, in den kleinern war dagegen namentlich die<lb/> Sinecurenwirthschaft oft zu einer wahrhaft lächerlichen Höhe gediehen. Mit<lb/> der Ausdehnung und Allmacht des Beamtenthums war, wie gesagt, der<lb/> Verfall der selbstständigen politischen Institutionen zusammengegangen, fast<lb/> alle Landstände waren außer Wirksamkeit gesetzt, wo sie sich noch versammelten,<lb/> war ihre Wirksamkeit auf rein provinzielle und meistens untergeordnete Gegen¬<lb/> stände beschränkt, am meisten bedeuteten noch die Stände von Mecklenburg<lb/> und Würtemberg. Im erster» Lande hatte sich der landsässige Adel c.me<lb/> mächtige Stellung erhalten und wußte sich seine Privilegien den Fürsten gegen¬<lb/> über durch den Erbverglcich von 1755 neu zu begründen. Vom Volke war<lb/> auch dabei nicht die Rede. Einen ungleich ehrenvollen Kampf führte die<lb/> würtenbergische Landschaft mit der Willkür ihrer Herzoge, in ihr saß kein<lb/> Adel, da sich die Ritterschaft jener Gegenden reichsuumittelbar erhalten hatte<lb/> und trotz aller Willkür der Fürsten setzten sie die Bestätigung ihrer Gerecht¬<lb/> same in dein vom Kaiser bestätigten Vergleich von 1770 durch. Die Land¬<lb/> stände konnten im Allgemeinen darum nichts ausrichten, weil sie in ihren<lb/> alten Formen erstarrt waren und nicht die neuen lcbensbercchtigtcn Elemente<lb/> aufgenommen hatten, dasselbe gilt von den Gemeinden, ihre Formen waren<lb/> erstarrt, sie wurden ängstlich und ausschließlich, der Gemeinsinn mangelte, sie<lb/> ließen sich die Leitung ihrer Angelegenheiten meist ohne Widerstand von dem<lb/> Beamtenthum aus der Hand nehmen; nur in einigen Gegenden, dem alten<lb/> Friesen und Sachsenlande erhielten sich die Spuren der alten deutschen selbst¬<lb/> ständigen Gemeinde, der Freiherr von Stein gibt darüber in seiner Verwal¬<lb/> tung der Grafschaft Mark merkwürdige Belege.</p><lb/> <p xml:id="ID_1092"> Das Daniederliegen der selbstständigen politischen Institutionen hatte den<lb/> Grund, daß der Bürger- und Bauernstand durch das Elend der vielen Kriege<lb/> verkümmert war, und daß der verarmte Adel einst seine selbstständige Stel¬<lb/> lung aufgegeben, in welcher er der natürliche Vertreter der andern Stunde<lb/> war und sich in Staats- oder Hofdienst begeben hatte. Als Diener aber hat<lb/> er jeden Anspruch auf eine hervorragende Stellung verwirkt, die Fürsten<lb/> suchten den Adel durch Bevorzugung für die Selbstständigkeit zu entschädigen,<lb/> welche sie ihm mittelbar oder unmittelbar genommen und suchten durch die<lb/> Verbreitung und Verallgemeinerung des Briefadels die Kraft des Standes zu<lb/> schwächen. Wenn man sehen will, auf welche schamlose Weise Handel mit Adels¬<lb/> titeln getrieben wurde, so muß man die Längsader Denkwürdigkeiten über den<lb/> bairischen Hof lesen. Die Fürsten hatten bei dieser Politik den richtigen Grund¬<lb/> satz in ihrem Interesse befolgt, daß ein Recht desto unbedeutender wird, je<lb/> mehr man es ausdehnt, und Dahlmann hat treffend gesagt. Deutschland<lb/> habe vor Edelleuten keinen Adel.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0486]
jedes derselben die Vielregiererei, in den kleinern war dagegen namentlich die
Sinecurenwirthschaft oft zu einer wahrhaft lächerlichen Höhe gediehen. Mit
der Ausdehnung und Allmacht des Beamtenthums war, wie gesagt, der
Verfall der selbstständigen politischen Institutionen zusammengegangen, fast
alle Landstände waren außer Wirksamkeit gesetzt, wo sie sich noch versammelten,
war ihre Wirksamkeit auf rein provinzielle und meistens untergeordnete Gegen¬
stände beschränkt, am meisten bedeuteten noch die Stände von Mecklenburg
und Würtemberg. Im erster» Lande hatte sich der landsässige Adel c.me
mächtige Stellung erhalten und wußte sich seine Privilegien den Fürsten gegen¬
über durch den Erbverglcich von 1755 neu zu begründen. Vom Volke war
auch dabei nicht die Rede. Einen ungleich ehrenvollen Kampf führte die
würtenbergische Landschaft mit der Willkür ihrer Herzoge, in ihr saß kein
Adel, da sich die Ritterschaft jener Gegenden reichsuumittelbar erhalten hatte
und trotz aller Willkür der Fürsten setzten sie die Bestätigung ihrer Gerecht¬
same in dein vom Kaiser bestätigten Vergleich von 1770 durch. Die Land¬
stände konnten im Allgemeinen darum nichts ausrichten, weil sie in ihren
alten Formen erstarrt waren und nicht die neuen lcbensbercchtigtcn Elemente
aufgenommen hatten, dasselbe gilt von den Gemeinden, ihre Formen waren
erstarrt, sie wurden ängstlich und ausschließlich, der Gemeinsinn mangelte, sie
ließen sich die Leitung ihrer Angelegenheiten meist ohne Widerstand von dem
Beamtenthum aus der Hand nehmen; nur in einigen Gegenden, dem alten
Friesen und Sachsenlande erhielten sich die Spuren der alten deutschen selbst¬
ständigen Gemeinde, der Freiherr von Stein gibt darüber in seiner Verwal¬
tung der Grafschaft Mark merkwürdige Belege.
Das Daniederliegen der selbstständigen politischen Institutionen hatte den
Grund, daß der Bürger- und Bauernstand durch das Elend der vielen Kriege
verkümmert war, und daß der verarmte Adel einst seine selbstständige Stel¬
lung aufgegeben, in welcher er der natürliche Vertreter der andern Stunde
war und sich in Staats- oder Hofdienst begeben hatte. Als Diener aber hat
er jeden Anspruch auf eine hervorragende Stellung verwirkt, die Fürsten
suchten den Adel durch Bevorzugung für die Selbstständigkeit zu entschädigen,
welche sie ihm mittelbar oder unmittelbar genommen und suchten durch die
Verbreitung und Verallgemeinerung des Briefadels die Kraft des Standes zu
schwächen. Wenn man sehen will, auf welche schamlose Weise Handel mit Adels¬
titeln getrieben wurde, so muß man die Längsader Denkwürdigkeiten über den
bairischen Hof lesen. Die Fürsten hatten bei dieser Politik den richtigen Grund¬
satz in ihrem Interesse befolgt, daß ein Recht desto unbedeutender wird, je
mehr man es ausdehnt, und Dahlmann hat treffend gesagt. Deutschland
habe vor Edelleuten keinen Adel.
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