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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Stimmenzahl, d. i. zwei Dritte! erhalten hat. Aber auch der Congreß zeigte
sich dem Wunsche von Paez willfährig und wählte Monagas am 23. Jan. 47
zum Präsidenten.

Durchaus nicht günstig wurde dieses Resultat vom Volke'aufgenommen. Selbst
die Bewunderer und Freunde verhehlten sich nicht, daß dieses Mal Paez seinen
Einfluß zum Unheil des Landes angewendet habe. Es zeigte sich hier zumeist,
wie wenig scharfsichtig der General war und wenn irgend einer, so hat er
selbst diesen Schritt tief bereut. Aber wenn man undankbaren Sinnes ihn
allein für das Unglück des Landes in der Folge verantwortlich machte, so
geschah dies mit demselben Unrecht, mit welchem man früher, verzweifelnd
an eigner Kraft, in ihm allein das Heil des Staates gesehen hatte. Es war
eben von vornherein anormal, daß die Geschicke des Landes an Einen Mann
sich ketten mußten. War bisher dieser Eine glücklicherweise ein Patriot ge¬
wesen, so konnte es nicht fehlen, daß sie früher oder später einmal in die
Klauen eines Usurpators sielen. Durch den Mißgriff von Paez wurde dieses
unabwendbare Loos nur verfrüht, nicht etwa erst veranlaßt.

Monagas, aus weißer Familie, nicht, wie nordamerikanischen Blättern
in Unkenntniß nachredend deutsche Zeitungen irrthümlich über Monagas und
Guzman. wie Paez aussagen, aus gemischtem Blute, war vom Unabhängig¬
keitskriege her als ein tapfrer General bekannt. Wohlhabender Heerdenbesitzer
in der Provinz Barcelona, hatte er in der Einsamkeit des Landlebens die
Rechte der beleidigten Militärs nicht ausgegeben, vielmehr nach zweimaliger
durchaus schonungsvoller Begnadigung aus Rache an den verhaßten Oligarchen
gebrütet. Mit boshafter Freude folgte er dem Rufe des Kongresses, verbarg
sie aber anfangs unter dem Schein der Dankbarkeit gegen den gefeierten Paez,
dessen ihm vorgeschlagenes Ministerium anzunehmen er vor seinem Amtsantritt
bereitwillig versprach. Indeß kaum fühlte er sich im Besitz seiner Würde und
Macht, so vergingen nur wenige Wochen, als er schon das Mißtrauen recht¬
fertigte, welches bei seinem Einzuge, trotz der Begleitung von Paez, das Volk
durch seinen kühlen Empfang ihm hatte merken lassen. Die Unnatur der Ver¬
hältnisse mußte sich zuerst im Conflict mit dem oligarchischen Ministerium zeigen,
welches mit dem leidenschaftlich gewaltthätigen Quintero leider zu wenig
Mäßigung und Tact besaß, um die gegenseitige Spannung nicht zu erhöhen.
Gewalt prallte hier auf Gewalt -- natürlich stürzte das Ministerium. Jetzt
gewann Monagas freies Feld. Es folgten willkürliche Entsetzungen von andern
hohen Beamten, die Notabilitäten der Stadt machten obscurer und unfähigen
Menschen Platz, deren Antecedentien größtentheils sehr zweifelhaft waren.
Guzman. der, als das Unheil des Bürgerkriegs endlich hereingebrochen, zum
Tode verurtheilt worden war, wurde begnadigt und ging zum Scheine in die
Verbannung nach Curazao. Paez, bitter enttäuscht und voller Unmut!), zog


Stimmenzahl, d. i. zwei Dritte! erhalten hat. Aber auch der Congreß zeigte
sich dem Wunsche von Paez willfährig und wählte Monagas am 23. Jan. 47
zum Präsidenten.

Durchaus nicht günstig wurde dieses Resultat vom Volke'aufgenommen. Selbst
die Bewunderer und Freunde verhehlten sich nicht, daß dieses Mal Paez seinen
Einfluß zum Unheil des Landes angewendet habe. Es zeigte sich hier zumeist,
wie wenig scharfsichtig der General war und wenn irgend einer, so hat er
selbst diesen Schritt tief bereut. Aber wenn man undankbaren Sinnes ihn
allein für das Unglück des Landes in der Folge verantwortlich machte, so
geschah dies mit demselben Unrecht, mit welchem man früher, verzweifelnd
an eigner Kraft, in ihm allein das Heil des Staates gesehen hatte. Es war
eben von vornherein anormal, daß die Geschicke des Landes an Einen Mann
sich ketten mußten. War bisher dieser Eine glücklicherweise ein Patriot ge¬
wesen, so konnte es nicht fehlen, daß sie früher oder später einmal in die
Klauen eines Usurpators sielen. Durch den Mißgriff von Paez wurde dieses
unabwendbare Loos nur verfrüht, nicht etwa erst veranlaßt.

Monagas, aus weißer Familie, nicht, wie nordamerikanischen Blättern
in Unkenntniß nachredend deutsche Zeitungen irrthümlich über Monagas und
Guzman. wie Paez aussagen, aus gemischtem Blute, war vom Unabhängig¬
keitskriege her als ein tapfrer General bekannt. Wohlhabender Heerdenbesitzer
in der Provinz Barcelona, hatte er in der Einsamkeit des Landlebens die
Rechte der beleidigten Militärs nicht ausgegeben, vielmehr nach zweimaliger
durchaus schonungsvoller Begnadigung aus Rache an den verhaßten Oligarchen
gebrütet. Mit boshafter Freude folgte er dem Rufe des Kongresses, verbarg
sie aber anfangs unter dem Schein der Dankbarkeit gegen den gefeierten Paez,
dessen ihm vorgeschlagenes Ministerium anzunehmen er vor seinem Amtsantritt
bereitwillig versprach. Indeß kaum fühlte er sich im Besitz seiner Würde und
Macht, so vergingen nur wenige Wochen, als er schon das Mißtrauen recht¬
fertigte, welches bei seinem Einzuge, trotz der Begleitung von Paez, das Volk
durch seinen kühlen Empfang ihm hatte merken lassen. Die Unnatur der Ver¬
hältnisse mußte sich zuerst im Conflict mit dem oligarchischen Ministerium zeigen,
welches mit dem leidenschaftlich gewaltthätigen Quintero leider zu wenig
Mäßigung und Tact besaß, um die gegenseitige Spannung nicht zu erhöhen.
Gewalt prallte hier auf Gewalt — natürlich stürzte das Ministerium. Jetzt
gewann Monagas freies Feld. Es folgten willkürliche Entsetzungen von andern
hohen Beamten, die Notabilitäten der Stadt machten obscurer und unfähigen
Menschen Platz, deren Antecedentien größtentheils sehr zweifelhaft waren.
Guzman. der, als das Unheil des Bürgerkriegs endlich hereingebrochen, zum
Tode verurtheilt worden war, wurde begnadigt und ging zum Scheine in die
Verbannung nach Curazao. Paez, bitter enttäuscht und voller Unmut!), zog


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/476>, abgerufen am 22.12.2024.