Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.Kopf über den alten Heyne: auch der ist geworden wie unser einer!" Esthut Müllers Gesundheit war durch den schweren Kummer iber letzten Jahre Müllers Talent und Neigung bestimmte ihn zu einer leidenschaftlichen Müller hatte schon seit Anfang 1798 für den jungen strebsamen Mann großes Inter¬ esse gezeigt. ") Unter Müllers kleinern Schriften der lehren Periode idie akademischen Abhandlungen
über die Zeitrechnung der Vorwelt, die Notizen über das Manuskript der Inkdi'ma/.lors p"li- tielrs und den Plan der 8eure<"es ><?ruw Kern,., die Einleitung zu Hammers Posaune u. s w.) heben wir die Vorrede zu seines Lieblingsschülcrs Heinrich Luden Biographie des Grotius hervor, in welchem Müller sein eignes Spiegelbild zeichnet. Kopf über den alten Heyne: auch der ist geworden wie unser einer!" Esthut Müllers Gesundheit war durch den schweren Kummer iber letzten Jahre Müllers Talent und Neigung bestimmte ihn zu einer leidenschaftlichen Müller hatte schon seit Anfang 1798 für den jungen strebsamen Mann großes Inter¬ esse gezeigt. ") Unter Müllers kleinern Schriften der lehren Periode idie akademischen Abhandlungen
über die Zeitrechnung der Vorwelt, die Notizen über das Manuskript der Inkdi'ma/.lors p»li- tielrs und den Plan der 8eure<»es ><?ruw Kern,., die Einleitung zu Hammers Posaune u. s w.) heben wir die Vorrede zu seines Lieblingsschülcrs Heinrich Luden Biographie des Grotius hervor, in welchem Müller sein eignes Spiegelbild zeichnet. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186883"/> <p xml:id="ID_1052" prev="#ID_1051"> Kopf über den alten Heyne: auch der ist geworden wie unser einer!" Esthut<lb/> doch wohl, in jener schweren Zeit einer solchen Sprache zu begegnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1053"> Müllers Gesundheit war durch den schweren Kummer iber letzten Jahre<lb/> aufgerieben; er starb am 29. Mai 1809. Der Minister Simeon, sonst ein<lb/> wohlgesinnter Mann, hielt ihm eine schickliche Leichenrede, auch in Deutsch¬<lb/> land verstummte allmnlig der Zorn, wenigstens wurde er durch Schmerz und<lb/> gerechte Anerkennung gemäßigt.^ Wie aber über seine wissenschaftliche und<lb/> künstlerische Bedeutung sich das Urtheil allmnlig geändert hatte, zeigt am<lb/> deutlichsten ein Brief Niebuhrs") aus dem Jahr 1812. „Ich kann mich<lb/> nicht darüber tauschen, daß Müllers Gefühle und Urtheile von seiner frühsten<lb/> Jugend an gemacht waren. Der reine Lebensathem der frischen Wahrheit<lb/> fehlt in allen seinen Schriften. Er hatte ein außerordentliches Talent, sich<lb/> eine Natur anzunehmen und mit Konsequenz zu behaupten, bis er sie wieder<lb/> mit einer andern vertauschte; aber daß er in sich keine Haltung hätte, danach<lb/> hatte ich nach seinen Schriften vom Bcllum Cimbricum bis auf die Posaune<lb/> keinen Zweifel, auch ehe ich ihn sah. Ihm fehlte alle Harmonie, und mit<lb/> dem Alter versiegte er immer mehr. Seine Talente bestimmten ihn zum Ge¬<lb/> lehrten im engsten Sinn des Worts; historische Kritik hatte er gar nicht; seine<lb/> Phantasie war auf wenige Punkte beschränkt, und die beispiellose Anhäufung<lb/> von factischen Notizen, als ein zahlloses Einerlei, war doch im Grunde todt<lb/> in seinem Kopf." — Das Urtheil ist unstreitig zu hart, und um es zu ver¬<lb/> stehen, muß man die Wendung, welche die Wissenschaft jener Zeit überhaupt<lb/> nahm, ins Auge fassen.^)</p><lb/> <p xml:id="ID_1054" next="#ID_1055"> Müllers Talent und Neigung bestimmte ihn zu einer leidenschaftlichen<lb/> Verehrung der Thatsachen; er hielt es für die Aufgabe des Geschichtschreibers,<lb/> durch ein umfassendes Studium der Quellen die Begebenheiten und Zustände<lb/> vollständig wieder herzustellen, so daß ein anziehendes Bild und ein mäch¬<lb/> tiger Eindruck auf die Seele hervorging. Dadurch unterschied er sich von<lb/> den alten Pragmatikern, die nur ihre eigue Klugheit an den Tag bringen<lb/> wollten, darin theilte er den Standpunkt der gleichzeitigen Dichter. Das Re¬<lb/> sultat der Thatsachen mußte eine rhetorische Wendung sein, daher seine auf¬<lb/> richtige Verehrung für Schiller den Historiker, der ihm doch gewiß durch sein<lb/> Quellenstudium nicht imponirte. Daher sein dreifacher Haß gegen die Re¬<lb/> volution, die altehrwürdige Zustände über den Haufen warf und durch ihre</p><lb/> <note xml:id="FID_111" place="foot"> Müller hatte schon seit Anfang 1798 für den jungen strebsamen Mann großes Inter¬<lb/> esse gezeigt.</note><lb/> <note xml:id="FID_112" place="foot"> ") Unter Müllers kleinern Schriften der lehren Periode idie akademischen Abhandlungen<lb/> über die Zeitrechnung der Vorwelt, die Notizen über das Manuskript der Inkdi'ma/.lors p»li-<lb/> tielrs und den Plan der 8eure<»es ><?ruw Kern,., die Einleitung zu Hammers Posaune u. s w.)<lb/> heben wir die Vorrede zu seines Lieblingsschülcrs Heinrich Luden Biographie des Grotius<lb/> hervor, in welchem Müller sein eignes Spiegelbild zeichnet.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0470]
Kopf über den alten Heyne: auch der ist geworden wie unser einer!" Esthut
doch wohl, in jener schweren Zeit einer solchen Sprache zu begegnen.
Müllers Gesundheit war durch den schweren Kummer iber letzten Jahre
aufgerieben; er starb am 29. Mai 1809. Der Minister Simeon, sonst ein
wohlgesinnter Mann, hielt ihm eine schickliche Leichenrede, auch in Deutsch¬
land verstummte allmnlig der Zorn, wenigstens wurde er durch Schmerz und
gerechte Anerkennung gemäßigt.^ Wie aber über seine wissenschaftliche und
künstlerische Bedeutung sich das Urtheil allmnlig geändert hatte, zeigt am
deutlichsten ein Brief Niebuhrs") aus dem Jahr 1812. „Ich kann mich
nicht darüber tauschen, daß Müllers Gefühle und Urtheile von seiner frühsten
Jugend an gemacht waren. Der reine Lebensathem der frischen Wahrheit
fehlt in allen seinen Schriften. Er hatte ein außerordentliches Talent, sich
eine Natur anzunehmen und mit Konsequenz zu behaupten, bis er sie wieder
mit einer andern vertauschte; aber daß er in sich keine Haltung hätte, danach
hatte ich nach seinen Schriften vom Bcllum Cimbricum bis auf die Posaune
keinen Zweifel, auch ehe ich ihn sah. Ihm fehlte alle Harmonie, und mit
dem Alter versiegte er immer mehr. Seine Talente bestimmten ihn zum Ge¬
lehrten im engsten Sinn des Worts; historische Kritik hatte er gar nicht; seine
Phantasie war auf wenige Punkte beschränkt, und die beispiellose Anhäufung
von factischen Notizen, als ein zahlloses Einerlei, war doch im Grunde todt
in seinem Kopf." — Das Urtheil ist unstreitig zu hart, und um es zu ver¬
stehen, muß man die Wendung, welche die Wissenschaft jener Zeit überhaupt
nahm, ins Auge fassen.^)
Müllers Talent und Neigung bestimmte ihn zu einer leidenschaftlichen
Verehrung der Thatsachen; er hielt es für die Aufgabe des Geschichtschreibers,
durch ein umfassendes Studium der Quellen die Begebenheiten und Zustände
vollständig wieder herzustellen, so daß ein anziehendes Bild und ein mäch¬
tiger Eindruck auf die Seele hervorging. Dadurch unterschied er sich von
den alten Pragmatikern, die nur ihre eigue Klugheit an den Tag bringen
wollten, darin theilte er den Standpunkt der gleichzeitigen Dichter. Das Re¬
sultat der Thatsachen mußte eine rhetorische Wendung sein, daher seine auf¬
richtige Verehrung für Schiller den Historiker, der ihm doch gewiß durch sein
Quellenstudium nicht imponirte. Daher sein dreifacher Haß gegen die Re¬
volution, die altehrwürdige Zustände über den Haufen warf und durch ihre
Müller hatte schon seit Anfang 1798 für den jungen strebsamen Mann großes Inter¬
esse gezeigt.
") Unter Müllers kleinern Schriften der lehren Periode idie akademischen Abhandlungen
über die Zeitrechnung der Vorwelt, die Notizen über das Manuskript der Inkdi'ma/.lors p»li-
tielrs und den Plan der 8eure<»es ><?ruw Kern,., die Einleitung zu Hammers Posaune u. s w.)
heben wir die Vorrede zu seines Lieblingsschülcrs Heinrich Luden Biographie des Grotius
hervor, in welchem Müller sein eignes Spiegelbild zeichnet.
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