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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Das momentane Uebergewicht der römischen Kirche rief bald eine lange Reihe bar¬
barischer Gesell gegen den Katholicismus hervor, die das Gesetzbuch Irlands
zu einem Brandmal in der ganzen Christenheit machten. Kein Freund der
Menschheit wird es den Trabanten des Oranicrs vergeben können, daß ein
holländischer General Wilhelm van Ginckel, der Sieger von Anghrim, an die
Regierung seines Königs schreiben mußte! "Ich hätte sehr gewünscht, eine
humane Declaration würde die irische Armee bestimmen, sich aufzulösen und
uns eine Schlacht ersparen. Nun aber sehe ich wohl, daß es den Beamten
mehr darum zu thun ist, die Jahresrente des englischen Grundbesitzers in
diesem Königreich um 50 Pfd. Se. zu erhöhen, als England eine Ersparniß
von 5.0,000 Pfd. Se. zu verschaffen."

Um so trauriger ist es, daß der berühmte Reisende Herzog Paul Wilhelm
von Würtemberg über die Irländer in Nordamerika berichtet: "Die Irländer
sind fast durchgängig ein entwürdigtes, fanatisches, händelsüchtiges und die¬
bisches Gesindel." Daneben wird man wenig auf die Versicherungen eng¬
lischer Landlords zu geben haben, daß der irische Ackerbau zusehends sich bessere.
In dem ^nurml licPvi't upon tuo lrzzr'linke.ni'ni.1 comlitiou ot' Irelu-ni, von
Eapitain Larcom, finde ich die Angabe: im Jahr 1.850 seien in Irland
214,544 Acker mehr angebaut worden als im Jahre 1849; auch habe während
dieses Zeitraums der Viehstand sich um 146,820 Stücke vermehrt. Wie reimt
es aber damit, daß in demselben Jahr 1850 139,000 Acker weniger mit
Weizen bebaut waren als 1847, was einen Geldwerth von 1,300,000 Pfd. Se.
darstellt? Im Jahr 1845 führte Irland 779,000 Quarter Weizen und Mehl
aus, und 1850 nur noch l<>8,000 Quarter. Allein an Ausfuhrzöllen gingen
1,222,000 Pfd. Se. verloren. Landwirthschaft und Agriculturgesetzc befinden
sich in Irland auf gleich niedriger Stufe. Das ganze System ist mittelalterlich¬
feudalistisch. Man lese nur N. Hancvcks ,,Imi>ellimMtÄ to etre pi"8xvrit.y
ut Iielanäund man wird begreifen, warum der "Ägiaii-u, "Mmlvi-" in
Irland überall Sympathien findet. "In unsrer Gesetzgebung," äußerte der
Richter Pennefather, "kommt das Interesse des Pächters nirgend in
Betracht, alle das Grundeigenthum betreffenden Gesetze sind lediglich dazu
gemacht, dem Landlord die Zahlung seiner Rente zu sichern," und gewiß
trägt dieser Uebelstand die meiste Schuld, daß, wie wir von dem gelehrten
Grafen Roß (I.ottors on ins "eg.w "f Il'öl-ma) erfahren, in Irland unter
zehn wegen Mords Angeklagten nur einer verurtheilt wird. In Eng¬
land und Schottland dagegen kommen neun Beurtheilungen auf zehn An¬
klagen. Mehr als 3^ Millionen Morgen, die wüst liegen, ließen sich in
Acker- und Weideboden umwandeln, allein das Gesetz spricht: "Der
Pächter hat nicht das Recht, die Natur des verpachteten Landes zu ändern,
dadurch, daß er wüstliegendes Land einfenzt und anbaut." Und der Grund-


Das momentane Uebergewicht der römischen Kirche rief bald eine lange Reihe bar¬
barischer Gesell gegen den Katholicismus hervor, die das Gesetzbuch Irlands
zu einem Brandmal in der ganzen Christenheit machten. Kein Freund der
Menschheit wird es den Trabanten des Oranicrs vergeben können, daß ein
holländischer General Wilhelm van Ginckel, der Sieger von Anghrim, an die
Regierung seines Königs schreiben mußte! „Ich hätte sehr gewünscht, eine
humane Declaration würde die irische Armee bestimmen, sich aufzulösen und
uns eine Schlacht ersparen. Nun aber sehe ich wohl, daß es den Beamten
mehr darum zu thun ist, die Jahresrente des englischen Grundbesitzers in
diesem Königreich um 50 Pfd. Se. zu erhöhen, als England eine Ersparniß
von 5.0,000 Pfd. Se. zu verschaffen."

Um so trauriger ist es, daß der berühmte Reisende Herzog Paul Wilhelm
von Würtemberg über die Irländer in Nordamerika berichtet: „Die Irländer
sind fast durchgängig ein entwürdigtes, fanatisches, händelsüchtiges und die¬
bisches Gesindel." Daneben wird man wenig auf die Versicherungen eng¬
lischer Landlords zu geben haben, daß der irische Ackerbau zusehends sich bessere.
In dem ^nurml licPvi't upon tuo lrzzr'linke.ni'ni.1 comlitiou ot' Irelu-ni, von
Eapitain Larcom, finde ich die Angabe: im Jahr 1.850 seien in Irland
214,544 Acker mehr angebaut worden als im Jahre 1849; auch habe während
dieses Zeitraums der Viehstand sich um 146,820 Stücke vermehrt. Wie reimt
es aber damit, daß in demselben Jahr 1850 139,000 Acker weniger mit
Weizen bebaut waren als 1847, was einen Geldwerth von 1,300,000 Pfd. Se.
darstellt? Im Jahr 1845 führte Irland 779,000 Quarter Weizen und Mehl
aus, und 1850 nur noch l<>8,000 Quarter. Allein an Ausfuhrzöllen gingen
1,222,000 Pfd. Se. verloren. Landwirthschaft und Agriculturgesetzc befinden
sich in Irland auf gleich niedriger Stufe. Das ganze System ist mittelalterlich¬
feudalistisch. Man lese nur N. Hancvcks ,,Imi>ellimMtÄ to etre pi»8xvrit.y
ut Iielanäund man wird begreifen, warum der „Ägiaii-u, »Mmlvi-" in
Irland überall Sympathien findet. „In unsrer Gesetzgebung," äußerte der
Richter Pennefather, „kommt das Interesse des Pächters nirgend in
Betracht, alle das Grundeigenthum betreffenden Gesetze sind lediglich dazu
gemacht, dem Landlord die Zahlung seiner Rente zu sichern," und gewiß
trägt dieser Uebelstand die meiste Schuld, daß, wie wir von dem gelehrten
Grafen Roß (I.ottors on ins «eg.w »f Il'öl-ma) erfahren, in Irland unter
zehn wegen Mords Angeklagten nur einer verurtheilt wird. In Eng¬
land und Schottland dagegen kommen neun Beurtheilungen auf zehn An¬
klagen. Mehr als 3^ Millionen Morgen, die wüst liegen, ließen sich in
Acker- und Weideboden umwandeln, allein das Gesetz spricht: „Der
Pächter hat nicht das Recht, die Natur des verpachteten Landes zu ändern,
dadurch, daß er wüstliegendes Land einfenzt und anbaut." Und der Grund-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/46>, abgerufen am 22.12.2024.