Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.den unbekannten Künstler eine Madonna, dort eine H.Ursula malend darstellen, Wir können unmöglich glauben, daß die Wahl des Gegenstandes zu den Jeder Billigdenkende würde den Künstler gerechtfertigt finden, hätte der¬ den unbekannten Künstler eine Madonna, dort eine H.Ursula malend darstellen, Wir können unmöglich glauben, daß die Wahl des Gegenstandes zu den Jeder Billigdenkende würde den Künstler gerechtfertigt finden, hätte der¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0452" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186865"/> <p xml:id="ID_1019" prev="#ID_1018"> den unbekannten Künstler eine Madonna, dort eine H.Ursula malend darstellen,<lb/> über diese Allgemeinheit hinaus jedoch zu besondern, durch einen lebendigen<lb/> Inhalt gegliederten, sinnlich ansprechenden Gedanken wird man niemals<lb/> gelangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1020"> Wir können unmöglich glauben, daß die Wahl des Gegenstandes zu den<lb/> Museumsfresken von dem Künstler selbst ausging, wir wollen zugeben, daß<lb/> ihm die kölnische Kunstgeschichte als das Motiv der Darstellung aufgedrungen<lb/> wurde. Wenn wir ihn aber auch freisprechen von der Schuld, einen un¬<lb/> gefügigen und für die bildliche Verkörperung durchgängig spröden Vorstellungs¬<lb/> kreis gewählt zu haben, so bleibt doch die viel größere Schuld an ihm haften,<lb/> daß er die innerhalb dieser Grenzen gestattete Freiheit theils nicht zu ge-<lb/> brannten verstand, theils in schnödester Weise mißbrauchte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1021" next="#ID_1022"> Jeder Billigdenkende würde den Künstler gerechtfertigt finden, hätte der¬<lb/> selbe eine einfache Decorationscirbcit geliefert. Ein Treppenhaus hat nicht<lb/> die Bestimmung, die Eintretenden zum ruhigen Verweilen einzuladen; flüch¬<lb/> tigen Fußes pflegt man dasselbe zu durcheilen, um zu dem innern Kern des<lb/> Hauses zu gelangen. Da aber vielleicht die Absicht thatsächlich vorlag, das<lb/> Treppenhaus zu dem bedeutsamsten Raume zu gestalten, solche Mißgriffe sind<lb/> ja leider heutzutage förmlich traditionell geworden, so wollen wir auch das<lb/> dem Künstler zu Gute halten, daß er die Schranken der Decoration überschritt<lb/> und nickt blos die Vorbereitung und Anregung der Eintretenden zum Ziele<lb/> sich setzte, sondern hier im Vorraume die Belehrungen und Genüsse ideell<lb/> zusammenfaßte, die eigentlich erst im innern Heiligthum den Beschauer erwarten.<lb/> Zwei Wege, keiner tadellos, aber beide erträglich, standen dann dem Künstler<lb/> offen. Wir haben oben den eigenthümlichen Vorzug des kölnischen Kunst¬<lb/> lebens hervorgehoben, und die Thatsache erwähnt, daß die kölnische Kunst<lb/> des Mittelalters jeden Schritt und jedes Glied der allgemeinen deutschen<lb/> Kunstentwickeluna in sich wiederspiegelt. Indem man das Schicksal der<lb/> kölnischen Kunst verfolgt, lernt man den Gang und Verlauf der mittelalter¬<lb/> lichen Kunst überhaupt kennen. Auf dieses Zusanuncnfallen des Allgemeinen<lb/> und Besondern gestützt konnte der Künstler in Hauptbildern nur das sinnliche<lb/> Auftreten des mittelalterlichen Kunstlebens vorführen, in Nandbildern sodann<lb/> die wichtigsten Kunstereignisse auf kölnischem Boden andeuten. Darin werden<lb/> wol alle mit uns einverstanden sein, daß die Stiftung der Pantaleonskirche<lb/> durch Erzbischof Bruno, jene der Apostelkirche durch Piligrim, der Georgskirche<lb/> durch Anno u. s. w. nichts für die malerische Wiedergabe Faßliches und<lb/> Greifbares in sich schließen, daß es am wenigsten gestattet ist. diese Stiftungen<lb/> eine nach der andern dem Auge vorzuführen, da kein innerer Unterschied<lb/> zwischen ihnen waltet, und die Malerei, wollte sie dieser Aufgabe sich unter¬<lb/> ziehen, offenbar zu der erniedrigenden Rolle einer chronologischen Tabelle ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0452]
den unbekannten Künstler eine Madonna, dort eine H.Ursula malend darstellen,
über diese Allgemeinheit hinaus jedoch zu besondern, durch einen lebendigen
Inhalt gegliederten, sinnlich ansprechenden Gedanken wird man niemals
gelangen.
Wir können unmöglich glauben, daß die Wahl des Gegenstandes zu den
Museumsfresken von dem Künstler selbst ausging, wir wollen zugeben, daß
ihm die kölnische Kunstgeschichte als das Motiv der Darstellung aufgedrungen
wurde. Wenn wir ihn aber auch freisprechen von der Schuld, einen un¬
gefügigen und für die bildliche Verkörperung durchgängig spröden Vorstellungs¬
kreis gewählt zu haben, so bleibt doch die viel größere Schuld an ihm haften,
daß er die innerhalb dieser Grenzen gestattete Freiheit theils nicht zu ge-
brannten verstand, theils in schnödester Weise mißbrauchte.
Jeder Billigdenkende würde den Künstler gerechtfertigt finden, hätte der¬
selbe eine einfache Decorationscirbcit geliefert. Ein Treppenhaus hat nicht
die Bestimmung, die Eintretenden zum ruhigen Verweilen einzuladen; flüch¬
tigen Fußes pflegt man dasselbe zu durcheilen, um zu dem innern Kern des
Hauses zu gelangen. Da aber vielleicht die Absicht thatsächlich vorlag, das
Treppenhaus zu dem bedeutsamsten Raume zu gestalten, solche Mißgriffe sind
ja leider heutzutage förmlich traditionell geworden, so wollen wir auch das
dem Künstler zu Gute halten, daß er die Schranken der Decoration überschritt
und nickt blos die Vorbereitung und Anregung der Eintretenden zum Ziele
sich setzte, sondern hier im Vorraume die Belehrungen und Genüsse ideell
zusammenfaßte, die eigentlich erst im innern Heiligthum den Beschauer erwarten.
Zwei Wege, keiner tadellos, aber beide erträglich, standen dann dem Künstler
offen. Wir haben oben den eigenthümlichen Vorzug des kölnischen Kunst¬
lebens hervorgehoben, und die Thatsache erwähnt, daß die kölnische Kunst
des Mittelalters jeden Schritt und jedes Glied der allgemeinen deutschen
Kunstentwickeluna in sich wiederspiegelt. Indem man das Schicksal der
kölnischen Kunst verfolgt, lernt man den Gang und Verlauf der mittelalter¬
lichen Kunst überhaupt kennen. Auf dieses Zusanuncnfallen des Allgemeinen
und Besondern gestützt konnte der Künstler in Hauptbildern nur das sinnliche
Auftreten des mittelalterlichen Kunstlebens vorführen, in Nandbildern sodann
die wichtigsten Kunstereignisse auf kölnischem Boden andeuten. Darin werden
wol alle mit uns einverstanden sein, daß die Stiftung der Pantaleonskirche
durch Erzbischof Bruno, jene der Apostelkirche durch Piligrim, der Georgskirche
durch Anno u. s. w. nichts für die malerische Wiedergabe Faßliches und
Greifbares in sich schließen, daß es am wenigsten gestattet ist. diese Stiftungen
eine nach der andern dem Auge vorzuführen, da kein innerer Unterschied
zwischen ihnen waltet, und die Malerei, wollte sie dieser Aufgabe sich unter¬
ziehen, offenbar zu der erniedrigenden Rolle einer chronologischen Tabelle ver-
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