Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.Indien zu versperren. Keines dieser Interessen kommt dem andern in den Weg-, Unter diesen Umständen muß man sich die Möglichkeit einer ganz andern Wen¬ Da nun aber Preußen wegen seiner äußerst verwickelten Lage und wegen seiner Indien zu versperren. Keines dieser Interessen kommt dem andern in den Weg-, Unter diesen Umständen muß man sich die Möglichkeit einer ganz andern Wen¬ Da nun aber Preußen wegen seiner äußerst verwickelten Lage und wegen seiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0447" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186860"/> <p xml:id="ID_1007" prev="#ID_1006"> Indien zu versperren. Keines dieser Interessen kommt dem andern in den Weg-,<lb/> wenn also die Politik durch Interessen und nicht durch Leidenschaften bestimmt würde, so<lb/> müßte Oestreich Preußen an der Eider und Elbe, Preußen Oestreich an der Donau<lb/> zur Seite stehn und England müßte die feste Allianz der beiden großen deutschen<lb/> Staaten als die einzige sichere Vormauer gegen Rußland und Frankreich betrachten.<lb/> Allein die Politik wird mehr von Leidenschaften als von Interessen bestimmt. Oest¬<lb/> reich sieht noch immer den jüngern Staat als einen Parvenu an, den man mög/<lb/> liehst kurz halten müsse, und Preußen ist nur allzu geneigt, auf die Stimme ver<lb/> persönlichen Empfindlichkeit zu hören, wo es doch nnr an seinen wahren Vortheil<lb/> denken sollte. Es ist thöricht, dem letzteren Staat ausschließlich die Schuld der<lb/> ewigen Mißverständnisse beizumessen, die Deutschland seit einer Reihe von Jahren in<lb/> Unfriede versetzt haben, denn zu jeder Allianz gehören zwei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1008"> Unter diesen Umständen muß man sich die Möglichkeit einer ganz andern Wen¬<lb/> dung der Dinge vor Augen halten, die für Deutschland, ja für Europa am wenigsten<lb/> wünschenswerth, dennoch durch den Drang der Ereignisse leicht herbeigeführt werden<lb/> kann. Niemals ist daran zu deuten, daß sich Preußen zum willenlosen Schlepp-<lb/> träger der östreichischen Politik hergeben wird. Der Plan eines mitteleuropäischen<lb/> Bundes unter östreichischer Hegemonie „berechnet, wie die ganze moderne östreichische<lb/> Politik, die entgegenstehenden Widerstünde unrichtig und irrt sich entschieden in der<lb/> Schätzung der Größe Preußens. Nur auf Grundlage der Resultate und des äußern<lb/> Eindrucks unsrer seitherigen passiven Politik hat es sein Urtheil gebildet und die<lb/> meisten andern Elemente außer Acht gelassen. Mit dem vollen und richtigen Bewußt¬<lb/> sein des Besseruulerrichtctscins über diesen Punkt, rufen wir Oestreich hier entgegen:<lb/> Nie! so lange eine Fuge noch znscunmenhält in dem stolzen Staatsbäu Friedrichs 2.,<lb/> nie! und dieses nicht große, aber eiserne Volk, welches das preußische heißt, muß erst<lb/> untergegangen sein, bevor in unsern Marken, an unsern Strömen, an unserm Meer<lb/> kaiserliche HcmdbiUctc gelten!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1009" next="#ID_1010"> Da nun aber Preußen wegen seiner äußerst verwickelten Lage und wegen seiner<lb/> unvollkommenen Hilfsmittel eine auswärtige Allianz nicht entbehren kann, so wird<lb/> es, wenn die östreichische nicht zu Stande kommt, sich nach einer andern umsehen<lb/> müssen, und es wird sich leicht versucht fühlen, zu der Politik von 174», von l795,<lb/> von 1806 zurückzukehren. Zwischen Nußland und Oestreich ist keine dauerhafte Ver¬<lb/> bindung denkbar, denn für beide Staaten sind die Angelegenheiten der Donau-<lb/> fürstenthümer Lebensfrage; zwischen Rußland und Preußen dagegen ist sie denkbar,<lb/> denn Rußland kann vorläufig die Weichselmündung, Preußen das Weichselgebiet<lb/> entbehren. So unheilvoll ein Anschluß Preußens an Rußland und Frankreich für<lb/> Deutschland sein würde, so vortheilhaft könnte er für Preußen scheinen, so lange<lb/> dieses einen rein egoistische» Standpunkt festhält, es ist daher sehr unüberlegt, Preu¬<lb/> ßen gewaltsam in diesen Standpunkt hineinzudrängen. So »»bedeutend die rumä¬<lb/> nischen und montenegrinischen Streitigkeiten erscheinen mögen, so ist doch die Be¬<lb/> theiligung Preußens an denselben für Oestreich ein Fingerzeig. Wir sind nicht der<lb/> Ansicht, daß Preußen in diesen beiden Fällen richtig gehandelt hat, da die Dinge<lb/> noch lange nicht zu diesem Aeußersten gekommen sind und da auf alle Fülle eine<lb/> kleinliche Intrigue nicht das richtige Mittel ist. eine große Frage zu lösen. Aber es<lb/> kann der Tag kommen, wo das Ungewitter von allen Seilen über Oestreich zusammen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0447]
Indien zu versperren. Keines dieser Interessen kommt dem andern in den Weg-,
wenn also die Politik durch Interessen und nicht durch Leidenschaften bestimmt würde, so
müßte Oestreich Preußen an der Eider und Elbe, Preußen Oestreich an der Donau
zur Seite stehn und England müßte die feste Allianz der beiden großen deutschen
Staaten als die einzige sichere Vormauer gegen Rußland und Frankreich betrachten.
Allein die Politik wird mehr von Leidenschaften als von Interessen bestimmt. Oest¬
reich sieht noch immer den jüngern Staat als einen Parvenu an, den man mög/
liehst kurz halten müsse, und Preußen ist nur allzu geneigt, auf die Stimme ver
persönlichen Empfindlichkeit zu hören, wo es doch nnr an seinen wahren Vortheil
denken sollte. Es ist thöricht, dem letzteren Staat ausschließlich die Schuld der
ewigen Mißverständnisse beizumessen, die Deutschland seit einer Reihe von Jahren in
Unfriede versetzt haben, denn zu jeder Allianz gehören zwei.
Unter diesen Umständen muß man sich die Möglichkeit einer ganz andern Wen¬
dung der Dinge vor Augen halten, die für Deutschland, ja für Europa am wenigsten
wünschenswerth, dennoch durch den Drang der Ereignisse leicht herbeigeführt werden
kann. Niemals ist daran zu deuten, daß sich Preußen zum willenlosen Schlepp-
träger der östreichischen Politik hergeben wird. Der Plan eines mitteleuropäischen
Bundes unter östreichischer Hegemonie „berechnet, wie die ganze moderne östreichische
Politik, die entgegenstehenden Widerstünde unrichtig und irrt sich entschieden in der
Schätzung der Größe Preußens. Nur auf Grundlage der Resultate und des äußern
Eindrucks unsrer seitherigen passiven Politik hat es sein Urtheil gebildet und die
meisten andern Elemente außer Acht gelassen. Mit dem vollen und richtigen Bewußt¬
sein des Besseruulerrichtctscins über diesen Punkt, rufen wir Oestreich hier entgegen:
Nie! so lange eine Fuge noch znscunmenhält in dem stolzen Staatsbäu Friedrichs 2.,
nie! und dieses nicht große, aber eiserne Volk, welches das preußische heißt, muß erst
untergegangen sein, bevor in unsern Marken, an unsern Strömen, an unserm Meer
kaiserliche HcmdbiUctc gelten!"
Da nun aber Preußen wegen seiner äußerst verwickelten Lage und wegen seiner
unvollkommenen Hilfsmittel eine auswärtige Allianz nicht entbehren kann, so wird
es, wenn die östreichische nicht zu Stande kommt, sich nach einer andern umsehen
müssen, und es wird sich leicht versucht fühlen, zu der Politik von 174», von l795,
von 1806 zurückzukehren. Zwischen Nußland und Oestreich ist keine dauerhafte Ver¬
bindung denkbar, denn für beide Staaten sind die Angelegenheiten der Donau-
fürstenthümer Lebensfrage; zwischen Rußland und Preußen dagegen ist sie denkbar,
denn Rußland kann vorläufig die Weichselmündung, Preußen das Weichselgebiet
entbehren. So unheilvoll ein Anschluß Preußens an Rußland und Frankreich für
Deutschland sein würde, so vortheilhaft könnte er für Preußen scheinen, so lange
dieses einen rein egoistische» Standpunkt festhält, es ist daher sehr unüberlegt, Preu¬
ßen gewaltsam in diesen Standpunkt hineinzudrängen. So »»bedeutend die rumä¬
nischen und montenegrinischen Streitigkeiten erscheinen mögen, so ist doch die Be¬
theiligung Preußens an denselben für Oestreich ein Fingerzeig. Wir sind nicht der
Ansicht, daß Preußen in diesen beiden Fällen richtig gehandelt hat, da die Dinge
noch lange nicht zu diesem Aeußersten gekommen sind und da auf alle Fülle eine
kleinliche Intrigue nicht das richtige Mittel ist. eine große Frage zu lösen. Aber es
kann der Tag kommen, wo das Ungewitter von allen Seilen über Oestreich zusammen-
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