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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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ein hartes Maul, eine böse Zunge, war ein Stänker. Sein Bruder war ein
braver Mann, ein Freund für seine Freunde, er hatte eine offene Hand, einen
besetzten Tisch. Anfangs ging es schief mit ihm, aber die erste Weinlese
brachte ihn wieder zu recht: damals konnte er für den Wein nehmen so viel
er wollte, und was ihm den Kamm schwellte, er that eine Erbschaft, bei der
er mehr einsackte als ihm vermacht war. Und jener Klotz, der auf seineu
Bruder böse war, hat sei", Geld erst wem hinterlassen, einem Menschen, den
niemand kannte. Wer sich von seiner Verwandtschaft entfernt, der entfernt
sich weit. Aber er hat Ohrenbläser unter seinen Sklaven gehabt, die haben
ihn verdorben. Wer schnell glaubt, thut nie recht, und besonders ein Ge¬
schäftsmann! Aber wahr ist es, genossen hat er so lang er lebte, der es hatte,
nicht dem es zugedacht war. wahrhaftig ein Glückskind, vn seiner Hand
wurde Blei Gold. Wo alles von selbst geht, da ist es freilich leicht. Und
wie viel Jahr meint ihr. hatte er ans dem Rücken? Siebzig und darüber.
Aber er war wie von Stahl, man sah ihm sein Alter nicht an, noch so schwarz
wie ein Rabe, und lief auch noch den Weibern nach, da war keine Magd
in seinem Hause, die er in Ruhe ließ. Ich sage nichts dagegen: das ist doch
das Einzige, was er mit sich genommen hat."

"Ihr schwatzt," unterbricht hier ein Dritter, "von Dingen, die weder den
Himmel noch die Erde angehn, aber darum kümmert sich niemand, warum
das Korn so in die Höhe gegangen ist. Ich habe, so wahr ich lebe, heute
nicht ein Bissen Brot auftreiben können. Und warum? die Dürre hält an
ich sauge schon ein ganzes Jahr an den Hungerpfoten. Der Teufel soll die
Aedilen holen, sie stecken mit den Bäckern unter einer Decke. Wie du mir,
so ich dir. Daher geht es den kleinen Leuten schlecht, denn die vornehmen
Mägen haben immer Schmaustage. O wenn wir noch die Prachtkerle hätten,
die ich hier vorfand, als ich aus Asien kam! das war euch ein Leben. Korn
im Ueberfluß wie im Binnenland von Sicilien. Ich kann mich noch auf
Sasinius besinnen, damals wohnte er beim alten Bogen, als ich noch ein
Junge war, das war ein Patron scharf wie Pfeffer und hitzig, wo er ging,
sengte er den Boden: aber ein Ehrenmann, zuverlässig, ein Freund für seine
Freunde, mit dem konnte man im Finstern Mona spielen. Und im Gemeinde¬
rath, da striegelte er die Herren, schöne Worte machte er nicht, sondern immer
grade darauf los. Dann aus dem Forum, da konnte er die Stimme so er¬
heben, als wenn sie aus der Posaune kam, und dabei gerieth er weder in
Schweiß noch spuckte er aus. Und wie freundlich war der Mann dabei?
Er grüßte immer wieder, nannte einen hübsch bei Namen, ganz wie einer
von uns. Darum war dazumalen das Brot so billig wie Stroh. Ein
Brot, das man für zehn Pfennige kaufte, kounte man selbander nicht auf¬
zehren. Ach du meine liebe Zeit, es wird doch alle Tage schlimmer. Die


ein hartes Maul, eine böse Zunge, war ein Stänker. Sein Bruder war ein
braver Mann, ein Freund für seine Freunde, er hatte eine offene Hand, einen
besetzten Tisch. Anfangs ging es schief mit ihm, aber die erste Weinlese
brachte ihn wieder zu recht: damals konnte er für den Wein nehmen so viel
er wollte, und was ihm den Kamm schwellte, er that eine Erbschaft, bei der
er mehr einsackte als ihm vermacht war. Und jener Klotz, der auf seineu
Bruder böse war, hat sei», Geld erst wem hinterlassen, einem Menschen, den
niemand kannte. Wer sich von seiner Verwandtschaft entfernt, der entfernt
sich weit. Aber er hat Ohrenbläser unter seinen Sklaven gehabt, die haben
ihn verdorben. Wer schnell glaubt, thut nie recht, und besonders ein Ge¬
schäftsmann! Aber wahr ist es, genossen hat er so lang er lebte, der es hatte,
nicht dem es zugedacht war. wahrhaftig ein Glückskind, vn seiner Hand
wurde Blei Gold. Wo alles von selbst geht, da ist es freilich leicht. Und
wie viel Jahr meint ihr. hatte er ans dem Rücken? Siebzig und darüber.
Aber er war wie von Stahl, man sah ihm sein Alter nicht an, noch so schwarz
wie ein Rabe, und lief auch noch den Weibern nach, da war keine Magd
in seinem Hause, die er in Ruhe ließ. Ich sage nichts dagegen: das ist doch
das Einzige, was er mit sich genommen hat."

„Ihr schwatzt," unterbricht hier ein Dritter, „von Dingen, die weder den
Himmel noch die Erde angehn, aber darum kümmert sich niemand, warum
das Korn so in die Höhe gegangen ist. Ich habe, so wahr ich lebe, heute
nicht ein Bissen Brot auftreiben können. Und warum? die Dürre hält an
ich sauge schon ein ganzes Jahr an den Hungerpfoten. Der Teufel soll die
Aedilen holen, sie stecken mit den Bäckern unter einer Decke. Wie du mir,
so ich dir. Daher geht es den kleinen Leuten schlecht, denn die vornehmen
Mägen haben immer Schmaustage. O wenn wir noch die Prachtkerle hätten,
die ich hier vorfand, als ich aus Asien kam! das war euch ein Leben. Korn
im Ueberfluß wie im Binnenland von Sicilien. Ich kann mich noch auf
Sasinius besinnen, damals wohnte er beim alten Bogen, als ich noch ein
Junge war, das war ein Patron scharf wie Pfeffer und hitzig, wo er ging,
sengte er den Boden: aber ein Ehrenmann, zuverlässig, ein Freund für seine
Freunde, mit dem konnte man im Finstern Mona spielen. Und im Gemeinde¬
rath, da striegelte er die Herren, schöne Worte machte er nicht, sondern immer
grade darauf los. Dann aus dem Forum, da konnte er die Stimme so er¬
heben, als wenn sie aus der Posaune kam, und dabei gerieth er weder in
Schweiß noch spuckte er aus. Und wie freundlich war der Mann dabei?
Er grüßte immer wieder, nannte einen hübsch bei Namen, ganz wie einer
von uns. Darum war dazumalen das Brot so billig wie Stroh. Ein
Brot, das man für zehn Pfennige kaufte, kounte man selbander nicht auf¬
zehren. Ach du meine liebe Zeit, es wird doch alle Tage schlimmer. Die


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[0415] ein hartes Maul, eine böse Zunge, war ein Stänker. Sein Bruder war ein braver Mann, ein Freund für seine Freunde, er hatte eine offene Hand, einen besetzten Tisch. Anfangs ging es schief mit ihm, aber die erste Weinlese brachte ihn wieder zu recht: damals konnte er für den Wein nehmen so viel er wollte, und was ihm den Kamm schwellte, er that eine Erbschaft, bei der er mehr einsackte als ihm vermacht war. Und jener Klotz, der auf seineu Bruder böse war, hat sei», Geld erst wem hinterlassen, einem Menschen, den niemand kannte. Wer sich von seiner Verwandtschaft entfernt, der entfernt sich weit. Aber er hat Ohrenbläser unter seinen Sklaven gehabt, die haben ihn verdorben. Wer schnell glaubt, thut nie recht, und besonders ein Ge¬ schäftsmann! Aber wahr ist es, genossen hat er so lang er lebte, der es hatte, nicht dem es zugedacht war. wahrhaftig ein Glückskind, vn seiner Hand wurde Blei Gold. Wo alles von selbst geht, da ist es freilich leicht. Und wie viel Jahr meint ihr. hatte er ans dem Rücken? Siebzig und darüber. Aber er war wie von Stahl, man sah ihm sein Alter nicht an, noch so schwarz wie ein Rabe, und lief auch noch den Weibern nach, da war keine Magd in seinem Hause, die er in Ruhe ließ. Ich sage nichts dagegen: das ist doch das Einzige, was er mit sich genommen hat." „Ihr schwatzt," unterbricht hier ein Dritter, „von Dingen, die weder den Himmel noch die Erde angehn, aber darum kümmert sich niemand, warum das Korn so in die Höhe gegangen ist. Ich habe, so wahr ich lebe, heute nicht ein Bissen Brot auftreiben können. Und warum? die Dürre hält an ich sauge schon ein ganzes Jahr an den Hungerpfoten. Der Teufel soll die Aedilen holen, sie stecken mit den Bäckern unter einer Decke. Wie du mir, so ich dir. Daher geht es den kleinen Leuten schlecht, denn die vornehmen Mägen haben immer Schmaustage. O wenn wir noch die Prachtkerle hätten, die ich hier vorfand, als ich aus Asien kam! das war euch ein Leben. Korn im Ueberfluß wie im Binnenland von Sicilien. Ich kann mich noch auf Sasinius besinnen, damals wohnte er beim alten Bogen, als ich noch ein Junge war, das war ein Patron scharf wie Pfeffer und hitzig, wo er ging, sengte er den Boden: aber ein Ehrenmann, zuverlässig, ein Freund für seine Freunde, mit dem konnte man im Finstern Mona spielen. Und im Gemeinde¬ rath, da striegelte er die Herren, schöne Worte machte er nicht, sondern immer grade darauf los. Dann aus dem Forum, da konnte er die Stimme so er¬ heben, als wenn sie aus der Posaune kam, und dabei gerieth er weder in Schweiß noch spuckte er aus. Und wie freundlich war der Mann dabei? Er grüßte immer wieder, nannte einen hübsch bei Namen, ganz wie einer von uns. Darum war dazumalen das Brot so billig wie Stroh. Ein Brot, das man für zehn Pfennige kaufte, kounte man selbander nicht auf¬ zehren. Ach du meine liebe Zeit, es wird doch alle Tage schlimmer. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/415>, abgerufen am 22.12.2024.