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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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gor von Carabobo zum Obergeneral, und bald darauf, da der Congreß von
Cucuta auf dein vom Feinde gesäuberten Boden Neugranadas bevorstand,
zum Militärkommandanten von ganz Venezuela, mit dem Auftrage, den Krieg
zu Ende zu führen.

Noch war nämlich die Festung Puerto-Cabello mit ihrem schönen Hafen
in den Händen der Spanier, Die Meeresseite hatten sie frei, die nahe Insel
Curazao lieferte Proviant, und so war es ihnen möglich, sich volle 2^ Jahre
darin zu halten. Zum letzten Male, in: Nov. 1823. bot Paez dem General
Calzada eine ehrenvolle Kapitulation um. Mit echt castilifehem Pomp ant¬
wortet dieser, jene Mauern wurden vertheidigt von Soldaten, die entschlossen
seien, die Scenen von Sagunt und Numanz zu erneuern. Was bisher un¬
möglich geschienen, vollbrachte nun schnell Paez. In Sturm nahm er die
Festung, und machte Calzada nebst andern hohen Offizieren und 4 00 Mann
zu Gefangenen. Großmüthig wie immer, that er ihnen nichts zu Leid, ja
logirte Calzada bei sich ein und leistete dem verwundeten Commandanten Na-
varro persönlich Handreichungen. Ein Krieg auf Leben und Tod, der Vene¬
zuela ein volles Drittheil seiner Bewohner gekostet haben mag, hatte somit
sein Ende erreicht.

Bon nun an kamen nur mit kurzen Unterbrechungen für Venezuela mehre
Jahre der Nuhe. Der Handel nahm neuen Aufschwung, fremde mercautile
Häuser siedelten sich nach und nach in den Hafenplätzen an, Ackerbau und
Viehzucht erholten sich rasch -- Dank dem milden Militärregiment des Ge¬
nerals Paez. Es war für den ungebändigten Sohn der Natur die Zeit ge¬
kommen , den Einflüssen der Cultur sich zu öffnen, die ob auch einfachsten
Künste des Friedens zu Pflegen und vor allem, wenn immer das Schwert in
der Linken, die Rechte an die ruhigeren Züge der Feder zu gewöhnen. Wenn
es ihm noch späterhin als Präsidenten die größte Lust war, in den Straßen
der Hauptstadt Ochsen zu jagen, so bewies er eben, daß er seiner Natur nicht
untreu wurde, und bewährte sich auch in der Theilnahme an diesem echt na¬
tionalen Spiel als rechter Führer seines Volks.

Seine öffentliche Stellung war nicht leicht. Berufen die mißliebige Con-
stitution zu stützen, war er aus der einen Seite einem im Kriege früher ihm
Untergebenen, dem Vicepräsidenten Santander, der >n Bogota den in Peru
thätigen Bolivar vertrat, nntngeordner; auf der andern genoß er in Vene¬
zuela durch die Sympathien des Heeres factisch ein größeres Ansehen. Und
so ließ er. äußeren Einflüssen nicht unzugänglich, sich verleiten, 1826 der
Constitution zuwider junge Kreolen zum Militärdienst zu zwingen, und zur
Verantwortung gezogen sich vor seinem Rivalen nicht zu stellen. Obgleich
die öffentliche Meinung der Consiitution nicht günstig war, so mißbilligte sie
doch das Verfahren von Paez. Es war dies vielleicht der einzige Act der


gor von Carabobo zum Obergeneral, und bald darauf, da der Congreß von
Cucuta auf dein vom Feinde gesäuberten Boden Neugranadas bevorstand,
zum Militärkommandanten von ganz Venezuela, mit dem Auftrage, den Krieg
zu Ende zu führen.

Noch war nämlich die Festung Puerto-Cabello mit ihrem schönen Hafen
in den Händen der Spanier, Die Meeresseite hatten sie frei, die nahe Insel
Curazao lieferte Proviant, und so war es ihnen möglich, sich volle 2^ Jahre
darin zu halten. Zum letzten Male, in: Nov. 1823. bot Paez dem General
Calzada eine ehrenvolle Kapitulation um. Mit echt castilifehem Pomp ant¬
wortet dieser, jene Mauern wurden vertheidigt von Soldaten, die entschlossen
seien, die Scenen von Sagunt und Numanz zu erneuern. Was bisher un¬
möglich geschienen, vollbrachte nun schnell Paez. In Sturm nahm er die
Festung, und machte Calzada nebst andern hohen Offizieren und 4 00 Mann
zu Gefangenen. Großmüthig wie immer, that er ihnen nichts zu Leid, ja
logirte Calzada bei sich ein und leistete dem verwundeten Commandanten Na-
varro persönlich Handreichungen. Ein Krieg auf Leben und Tod, der Vene¬
zuela ein volles Drittheil seiner Bewohner gekostet haben mag, hatte somit
sein Ende erreicht.

Bon nun an kamen nur mit kurzen Unterbrechungen für Venezuela mehre
Jahre der Nuhe. Der Handel nahm neuen Aufschwung, fremde mercautile
Häuser siedelten sich nach und nach in den Hafenplätzen an, Ackerbau und
Viehzucht erholten sich rasch — Dank dem milden Militärregiment des Ge¬
nerals Paez. Es war für den ungebändigten Sohn der Natur die Zeit ge¬
kommen , den Einflüssen der Cultur sich zu öffnen, die ob auch einfachsten
Künste des Friedens zu Pflegen und vor allem, wenn immer das Schwert in
der Linken, die Rechte an die ruhigeren Züge der Feder zu gewöhnen. Wenn
es ihm noch späterhin als Präsidenten die größte Lust war, in den Straßen
der Hauptstadt Ochsen zu jagen, so bewies er eben, daß er seiner Natur nicht
untreu wurde, und bewährte sich auch in der Theilnahme an diesem echt na¬
tionalen Spiel als rechter Führer seines Volks.

Seine öffentliche Stellung war nicht leicht. Berufen die mißliebige Con-
stitution zu stützen, war er aus der einen Seite einem im Kriege früher ihm
Untergebenen, dem Vicepräsidenten Santander, der >n Bogota den in Peru
thätigen Bolivar vertrat, nntngeordner; auf der andern genoß er in Vene¬
zuela durch die Sympathien des Heeres factisch ein größeres Ansehen. Und
so ließ er. äußeren Einflüssen nicht unzugänglich, sich verleiten, 1826 der
Constitution zuwider junge Kreolen zum Militärdienst zu zwingen, und zur
Verantwortung gezogen sich vor seinem Rivalen nicht zu stellen. Obgleich
die öffentliche Meinung der Consiitution nicht günstig war, so mißbilligte sie
doch das Verfahren von Paez. Es war dies vielleicht der einzige Act der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/400>, abgerufen am 22.12.2024.