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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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träglichcres als eine reiche Frau, Beiläufig bezeichnen Römer wie Griechen,
dit Herrschaft der Hausfrau mit einem Ausdruck, der dem deutschen Pantoffel¬
regiment ungefähr gleichkommt.

Nicht minder selbststündig als innerhalb des Hauses war die Stellung
der Römerinnen in der Gesellschaft. Auch in der frühern Zeit der Republik
waren sie nie einer Einschränkung unterworfen gewesen, wie die Griechinnen,
deren höchster Ruhm es war "wenn ihrer unter Männern so wenig als
möglich weder im Lobe noch im Tadel gedacht wurde" und als deren Grenze
die Schwelle des Hauses galt, die sie ohne Gefahr ihres Rufes nur aus¬
nahmsweise überschreiten konnten. Wenn freilich auch im alten Rom die
häuslichen Tugenden an der Matrone allein oder vorzugsweise geschätzt wur¬
den, so hatte die Sitte sie doch niemals von der Geselligkeit und Oeffentlich-
keit ausgeschlossen. Sie nahmen Antheil an den Gastmählern der Männer,
besuchten die Schauspiele und zeigten sich an öffentlichen Orten. Mit der
fortschreitenden Auflösung des Familienrechts, mit dem Aufhören der alten
Sittenstrenge machte sich mehr und mehr die Tendenz geltend, auch jeden
äußern Zwang abzustreifen und in der Mitte und gegen das Ende des ersten
Jahrhunderts n. Chr. war die gesellige Stellung der Römerinnen kaum noch
durch irgend welche Schranken eingeengt.

So ward denn in der That die junge Frau aus der Abhängigkeit und
Stille des elterlichen Hauses in eine fast unbegrenzte Freiheit versetzt. Zahl¬
lose Eindrücke verwirrend und berauschend stürmten von allen Seiten auf
sie ein. Sie hörte sich nun mit der ehrfurchtsvollen Anrede cloiniuu. begrüßt,
die dem französischen Madame entspricht (das neuere avium). Hunderte von
Händen waren ihres Winkes gewärtig, ihre Wünsche, kaum ausgesprochen,
waren schon erfüllt. In der kleinen Welt, die ein großes Hans mit seinen
ausgedehnten Besitzungen, seinen Legionen von Sklaven, seinem Anhange von
Eilenden und Untergebenen bildete, entschied ihr Wille über Glück und
Unglück, ja über Leben und Tod. Jünglinge und Männer in grauen Haaren,
Gelehrte und Tapfere, Verdiente und Hochgeborene sah sie wetteifernd sich um
ihre Huld bemühen. Welche Ansprüche auf Bewunderung sie auch besaß,
mochte es Schönheit, Geist, Talent oder Bildung sein, sie war eines glän¬
zenden Erfolges gewiß. In der Gesellschaft, in die sie jetzt eintrat, wurde
der Eitelkeit und Gefallsucht die vollste Befriedigung, fand die Intrigue den
günstigsten Boden, die Leidenschaft die stärksten Aufregungen, die Koketterie
unerschöpflichen Wechsel und dein Ehrgeiz öffneten sich die weitesten Aussichten.
Wie 'manche Frau aus edler Familie hatte in zweiter Ehe auf dem kaiserlichen
Thron gesessen!

So vielen und so unwiderstehlichen Verlockungen waren die Frauen
fast schutzlos Preis gegeben. Geistig und sittlich unreif waren sie mit einem


träglichcres als eine reiche Frau, Beiläufig bezeichnen Römer wie Griechen,
dit Herrschaft der Hausfrau mit einem Ausdruck, der dem deutschen Pantoffel¬
regiment ungefähr gleichkommt.

Nicht minder selbststündig als innerhalb des Hauses war die Stellung
der Römerinnen in der Gesellschaft. Auch in der frühern Zeit der Republik
waren sie nie einer Einschränkung unterworfen gewesen, wie die Griechinnen,
deren höchster Ruhm es war „wenn ihrer unter Männern so wenig als
möglich weder im Lobe noch im Tadel gedacht wurde" und als deren Grenze
die Schwelle des Hauses galt, die sie ohne Gefahr ihres Rufes nur aus¬
nahmsweise überschreiten konnten. Wenn freilich auch im alten Rom die
häuslichen Tugenden an der Matrone allein oder vorzugsweise geschätzt wur¬
den, so hatte die Sitte sie doch niemals von der Geselligkeit und Oeffentlich-
keit ausgeschlossen. Sie nahmen Antheil an den Gastmählern der Männer,
besuchten die Schauspiele und zeigten sich an öffentlichen Orten. Mit der
fortschreitenden Auflösung des Familienrechts, mit dem Aufhören der alten
Sittenstrenge machte sich mehr und mehr die Tendenz geltend, auch jeden
äußern Zwang abzustreifen und in der Mitte und gegen das Ende des ersten
Jahrhunderts n. Chr. war die gesellige Stellung der Römerinnen kaum noch
durch irgend welche Schranken eingeengt.

So ward denn in der That die junge Frau aus der Abhängigkeit und
Stille des elterlichen Hauses in eine fast unbegrenzte Freiheit versetzt. Zahl¬
lose Eindrücke verwirrend und berauschend stürmten von allen Seiten auf
sie ein. Sie hörte sich nun mit der ehrfurchtsvollen Anrede cloiniuu. begrüßt,
die dem französischen Madame entspricht (das neuere avium). Hunderte von
Händen waren ihres Winkes gewärtig, ihre Wünsche, kaum ausgesprochen,
waren schon erfüllt. In der kleinen Welt, die ein großes Hans mit seinen
ausgedehnten Besitzungen, seinen Legionen von Sklaven, seinem Anhange von
Eilenden und Untergebenen bildete, entschied ihr Wille über Glück und
Unglück, ja über Leben und Tod. Jünglinge und Männer in grauen Haaren,
Gelehrte und Tapfere, Verdiente und Hochgeborene sah sie wetteifernd sich um
ihre Huld bemühen. Welche Ansprüche auf Bewunderung sie auch besaß,
mochte es Schönheit, Geist, Talent oder Bildung sein, sie war eines glän¬
zenden Erfolges gewiß. In der Gesellschaft, in die sie jetzt eintrat, wurde
der Eitelkeit und Gefallsucht die vollste Befriedigung, fand die Intrigue den
günstigsten Boden, die Leidenschaft die stärksten Aufregungen, die Koketterie
unerschöpflichen Wechsel und dein Ehrgeiz öffneten sich die weitesten Aussichten.
Wie 'manche Frau aus edler Familie hatte in zweiter Ehe auf dem kaiserlichen
Thron gesessen!

So vielen und so unwiderstehlichen Verlockungen waren die Frauen
fast schutzlos Preis gegeben. Geistig und sittlich unreif waren sie mit einem


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[0039] träglichcres als eine reiche Frau, Beiläufig bezeichnen Römer wie Griechen, dit Herrschaft der Hausfrau mit einem Ausdruck, der dem deutschen Pantoffel¬ regiment ungefähr gleichkommt. Nicht minder selbststündig als innerhalb des Hauses war die Stellung der Römerinnen in der Gesellschaft. Auch in der frühern Zeit der Republik waren sie nie einer Einschränkung unterworfen gewesen, wie die Griechinnen, deren höchster Ruhm es war „wenn ihrer unter Männern so wenig als möglich weder im Lobe noch im Tadel gedacht wurde" und als deren Grenze die Schwelle des Hauses galt, die sie ohne Gefahr ihres Rufes nur aus¬ nahmsweise überschreiten konnten. Wenn freilich auch im alten Rom die häuslichen Tugenden an der Matrone allein oder vorzugsweise geschätzt wur¬ den, so hatte die Sitte sie doch niemals von der Geselligkeit und Oeffentlich- keit ausgeschlossen. Sie nahmen Antheil an den Gastmählern der Männer, besuchten die Schauspiele und zeigten sich an öffentlichen Orten. Mit der fortschreitenden Auflösung des Familienrechts, mit dem Aufhören der alten Sittenstrenge machte sich mehr und mehr die Tendenz geltend, auch jeden äußern Zwang abzustreifen und in der Mitte und gegen das Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. war die gesellige Stellung der Römerinnen kaum noch durch irgend welche Schranken eingeengt. So ward denn in der That die junge Frau aus der Abhängigkeit und Stille des elterlichen Hauses in eine fast unbegrenzte Freiheit versetzt. Zahl¬ lose Eindrücke verwirrend und berauschend stürmten von allen Seiten auf sie ein. Sie hörte sich nun mit der ehrfurchtsvollen Anrede cloiniuu. begrüßt, die dem französischen Madame entspricht (das neuere avium). Hunderte von Händen waren ihres Winkes gewärtig, ihre Wünsche, kaum ausgesprochen, waren schon erfüllt. In der kleinen Welt, die ein großes Hans mit seinen ausgedehnten Besitzungen, seinen Legionen von Sklaven, seinem Anhange von Eilenden und Untergebenen bildete, entschied ihr Wille über Glück und Unglück, ja über Leben und Tod. Jünglinge und Männer in grauen Haaren, Gelehrte und Tapfere, Verdiente und Hochgeborene sah sie wetteifernd sich um ihre Huld bemühen. Welche Ansprüche auf Bewunderung sie auch besaß, mochte es Schönheit, Geist, Talent oder Bildung sein, sie war eines glän¬ zenden Erfolges gewiß. In der Gesellschaft, in die sie jetzt eintrat, wurde der Eitelkeit und Gefallsucht die vollste Befriedigung, fand die Intrigue den günstigsten Boden, die Leidenschaft die stärksten Aufregungen, die Koketterie unerschöpflichen Wechsel und dein Ehrgeiz öffneten sich die weitesten Aussichten. Wie 'manche Frau aus edler Familie hatte in zweiter Ehe auf dem kaiserlichen Thron gesessen! So vielen und so unwiderstehlichen Verlockungen waren die Frauen fast schutzlos Preis gegeben. Geistig und sittlich unreif waren sie mit einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/39>, abgerufen am 21.12.2024.