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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Dechant an: "Wohlan, so vertrau ich Gott im Himmel, wir wollen den
Schwamm jetzt bald fassen und dem Lucifer in die Hölle hinunterschicken, daß
er seine Schuhe damit wische." Der Böse: "O me. c> nit, verschone mein,"
Darauf rief mein Herr Bruder mich, den Herrn Magister Sixtus. ich solle
hcrzutreten und das Corporal mit dem hochwürdigen heiligen Sacrament
auf dem Kopf halten, und befahl, mau solle alle Ketten ausschließen und hin¬
weglegen, worüber doch Manchem schauerte. Er selbst ließ sich seinen Chor¬
rock, Stola und Bücher hereinbringen und legte sie an, und als die arme
Frau aller Bande ledig gemacht war. nahm er eine alte rothe Stola in seine
Hände und sprach: "Sieh, Schwamm, jetzt komme ich zu dir in dem Namen
Gottes des Baders. des Sohnes und des heiligen Geistes. Dieses dreifaltige
unauflösliche göttliche Band soll dich jetzo in den Abgrund der Hölle hinab¬
binden, daß du nimmermehr in Ewigkeit weder Leuten, Bich, noch irgend
einer Ereatur weder schädlich noch schade, seist." Er nahm ihre beiden
Hände, wickelte ihr die Stola zu drei Malen herum und gebot dem Bösen
bei der großen Kraft und Würdigkeit dessen, der auf der armen Frauen Kopf
läge, daß er sich alles weitem Ungestüms enthalten wolle. Darauf wendete
sich Herr Dechant gegen das Boll, dessen eine solche Menge war, daß Stube,
Tenne, Fenster und Gasse alles voll stand, und sprach zu ihnen: -----

Nach verrichteten heiligen Gebet ordnet der Herr Dechant uns Studirte.
die er allein zur Handreichung mitgenommen, stellt uns um das elende Weib
herum, gibt einem das Buch, dem andern das Licht und einem jeglichen,
was er bei diesem Handel zur Hand haben mußte, und fängt im Namen
Gottes einen solchen herrlichen, in heiliger göttlicher Schrift überaus wohl-
begründeten moclus conMrationis an mit einem solchen Fleiß und Ernst
(wie er denn hierzu ein lauteres, starkes, unverzagtes Löwenherz hatte),
daß unser einem das Herz zu zittern und die Haare gen Berg zu gehen
anfingen. Während nun dieser herrliche Exorcismus eine gute Zeit währte,
hat der böse Feind nicht sonderlich gepoltert; nur als ein Bube die Zähne
zum Fenster hineinbleckte, begehrte er. man solle ihm zulassen, dem Buben
die Zähne einzuflößen, aber dies sein Begehren konnte nicht gewährt wer¬
den. Während dem Actus haben die umstehenden Leute, welche besser
beobachten konnte^, als unser Einer, der mehr zu thun hatte, deutlich
gesehen, daß die Augen der Geißlvrcchtin. die von naar schwarz, aber
in diesem Elend grau und feurig wie Katzenaugen geworden waren,
wieder allmälig ihre vorige natürliche Farbe annahmen, daß die Glieder, die
alle verrenkt waren, wieder in ihre rechte Lage kamen, und daß der Frau
ihre leibliche Farbe, Gestalt und Natur, die sich ganz verändert hatten, wie¬
der fein frisch herzukam. Etliche, die dabei gestanden, bezeugen und betheuern,
daß sie während dem einen schwarzen Vogel in Gestalt eider Amsel aus dem


Dechant an: „Wohlan, so vertrau ich Gott im Himmel, wir wollen den
Schwamm jetzt bald fassen und dem Lucifer in die Hölle hinunterschicken, daß
er seine Schuhe damit wische." Der Böse: „O me. c> nit, verschone mein,"
Darauf rief mein Herr Bruder mich, den Herrn Magister Sixtus. ich solle
hcrzutreten und das Corporal mit dem hochwürdigen heiligen Sacrament
auf dem Kopf halten, und befahl, mau solle alle Ketten ausschließen und hin¬
weglegen, worüber doch Manchem schauerte. Er selbst ließ sich seinen Chor¬
rock, Stola und Bücher hereinbringen und legte sie an, und als die arme
Frau aller Bande ledig gemacht war. nahm er eine alte rothe Stola in seine
Hände und sprach: „Sieh, Schwamm, jetzt komme ich zu dir in dem Namen
Gottes des Baders. des Sohnes und des heiligen Geistes. Dieses dreifaltige
unauflösliche göttliche Band soll dich jetzo in den Abgrund der Hölle hinab¬
binden, daß du nimmermehr in Ewigkeit weder Leuten, Bich, noch irgend
einer Ereatur weder schädlich noch schade, seist." Er nahm ihre beiden
Hände, wickelte ihr die Stola zu drei Malen herum und gebot dem Bösen
bei der großen Kraft und Würdigkeit dessen, der auf der armen Frauen Kopf
läge, daß er sich alles weitem Ungestüms enthalten wolle. Darauf wendete
sich Herr Dechant gegen das Boll, dessen eine solche Menge war, daß Stube,
Tenne, Fenster und Gasse alles voll stand, und sprach zu ihnen: —---

Nach verrichteten heiligen Gebet ordnet der Herr Dechant uns Studirte.
die er allein zur Handreichung mitgenommen, stellt uns um das elende Weib
herum, gibt einem das Buch, dem andern das Licht und einem jeglichen,
was er bei diesem Handel zur Hand haben mußte, und fängt im Namen
Gottes einen solchen herrlichen, in heiliger göttlicher Schrift überaus wohl-
begründeten moclus conMrationis an mit einem solchen Fleiß und Ernst
(wie er denn hierzu ein lauteres, starkes, unverzagtes Löwenherz hatte),
daß unser einem das Herz zu zittern und die Haare gen Berg zu gehen
anfingen. Während nun dieser herrliche Exorcismus eine gute Zeit währte,
hat der böse Feind nicht sonderlich gepoltert; nur als ein Bube die Zähne
zum Fenster hineinbleckte, begehrte er. man solle ihm zulassen, dem Buben
die Zähne einzuflößen, aber dies sein Begehren konnte nicht gewährt wer¬
den. Während dem Actus haben die umstehenden Leute, welche besser
beobachten konnte^, als unser Einer, der mehr zu thun hatte, deutlich
gesehen, daß die Augen der Geißlvrcchtin. die von naar schwarz, aber
in diesem Elend grau und feurig wie Katzenaugen geworden waren,
wieder allmälig ihre vorige natürliche Farbe annahmen, daß die Glieder, die
alle verrenkt waren, wieder in ihre rechte Lage kamen, und daß der Frau
ihre leibliche Farbe, Gestalt und Natur, die sich ganz verändert hatten, wie¬
der fein frisch herzukam. Etliche, die dabei gestanden, bezeugen und betheuern,
daß sie während dem einen schwarzen Vogel in Gestalt eider Amsel aus dem


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[0388] Dechant an: „Wohlan, so vertrau ich Gott im Himmel, wir wollen den Schwamm jetzt bald fassen und dem Lucifer in die Hölle hinunterschicken, daß er seine Schuhe damit wische." Der Böse: „O me. c> nit, verschone mein," Darauf rief mein Herr Bruder mich, den Herrn Magister Sixtus. ich solle hcrzutreten und das Corporal mit dem hochwürdigen heiligen Sacrament auf dem Kopf halten, und befahl, mau solle alle Ketten ausschließen und hin¬ weglegen, worüber doch Manchem schauerte. Er selbst ließ sich seinen Chor¬ rock, Stola und Bücher hereinbringen und legte sie an, und als die arme Frau aller Bande ledig gemacht war. nahm er eine alte rothe Stola in seine Hände und sprach: „Sieh, Schwamm, jetzt komme ich zu dir in dem Namen Gottes des Baders. des Sohnes und des heiligen Geistes. Dieses dreifaltige unauflösliche göttliche Band soll dich jetzo in den Abgrund der Hölle hinab¬ binden, daß du nimmermehr in Ewigkeit weder Leuten, Bich, noch irgend einer Ereatur weder schädlich noch schade, seist." Er nahm ihre beiden Hände, wickelte ihr die Stola zu drei Malen herum und gebot dem Bösen bei der großen Kraft und Würdigkeit dessen, der auf der armen Frauen Kopf läge, daß er sich alles weitem Ungestüms enthalten wolle. Darauf wendete sich Herr Dechant gegen das Boll, dessen eine solche Menge war, daß Stube, Tenne, Fenster und Gasse alles voll stand, und sprach zu ihnen: —--- Nach verrichteten heiligen Gebet ordnet der Herr Dechant uns Studirte. die er allein zur Handreichung mitgenommen, stellt uns um das elende Weib herum, gibt einem das Buch, dem andern das Licht und einem jeglichen, was er bei diesem Handel zur Hand haben mußte, und fängt im Namen Gottes einen solchen herrlichen, in heiliger göttlicher Schrift überaus wohl- begründeten moclus conMrationis an mit einem solchen Fleiß und Ernst (wie er denn hierzu ein lauteres, starkes, unverzagtes Löwenherz hatte), daß unser einem das Herz zu zittern und die Haare gen Berg zu gehen anfingen. Während nun dieser herrliche Exorcismus eine gute Zeit währte, hat der böse Feind nicht sonderlich gepoltert; nur als ein Bube die Zähne zum Fenster hineinbleckte, begehrte er. man solle ihm zulassen, dem Buben die Zähne einzuflößen, aber dies sein Begehren konnte nicht gewährt wer¬ den. Während dem Actus haben die umstehenden Leute, welche besser beobachten konnte^, als unser Einer, der mehr zu thun hatte, deutlich gesehen, daß die Augen der Geißlvrcchtin. die von naar schwarz, aber in diesem Elend grau und feurig wie Katzenaugen geworden waren, wieder allmälig ihre vorige natürliche Farbe annahmen, daß die Glieder, die alle verrenkt waren, wieder in ihre rechte Lage kamen, und daß der Frau ihre leibliche Farbe, Gestalt und Natur, die sich ganz verändert hatten, wie¬ der fein frisch herzukam. Etliche, die dabei gestanden, bezeugen und betheuern, daß sie während dem einen schwarzen Vogel in Gestalt eider Amsel aus dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/388>, abgerufen am 22.12.2024.