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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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barn gehört, fast die ganze Nacht über. Sonnabend Morgen kommt Apoll v-
illa zu Anna Städterin, ihrer Nachbarin und spricht: "Liebe Städterin, habt
Ihr nicht gehört, was mein Mann heut die ganze Nacht abermals für Roh-
heit und Schande geübt?" "Ja," spricht diese, "ich und mein Städter haben
es leiver nur zu wohl gehört, was für ein Kahengetöne und Gotteslästern ihr
miteinander getrieben, die ganze Nachbarschaft verliert den Frieden, wo man
so unchristlich lebt." Darauf fängt-gedachte Apollonia in grimmigem Zorne
an und spricht: "El. will mir unser Herregott von diese", heftigen Mann nicht
helfen, so wollte ich. der Teufel käme und hülfe mir von ihm." Nun merkt,
was geschieht! Als am gedachten Samstag Abend der Geißlbrechtin Rindvieh
von der Weide heimkommt und sie dasselbe, wie gebräuchlich, melken will,
da kommen zuerst zwei Vögel wie Schwalben, da doch tu dieser Zeit keine
mehr im Lande sind, und fliegen ihr geschwind um den Kopf herum. Ehe
sie sich recht unter der Kuh umsieht, steht ein langer Mann (es war aber
leider der leibhaftige Teufel) neben ihr und spricht ihr zu: "Ach. meine liebe
Appcl, wie habe ich ein Mitleiden mit dir. daß es dir so übel geht, dein
Leben ist so hart und armselig, hast auch einen so argen bösen Mann, der
dich so schlecht hält, er hat die Absicht, alles zu verthun, damit dir nach
seinem Tode nur nichts von ihm bleibe. Thue eins, sage mir zu. daß du
mein sein willst. Siehe, so verspreche ich dir, daß ich dich in dieser Stunde
an einen so herrlichen lustigen Ort führen will, wo du für und für nichts
thun sollst, als essen, trinken, singen, springen, tanzen, in Summa solche
gute Tage haben, wie du dein Lebelang nie gesehen noch gehört. Denn es
ist um das Himmelreich nicht so beschaffen, wie deine Pfaffen davon sagen.
Ich will es dir anders weisen."

Auf dies große Verheißen des leiblichen Satans gibt die armselige Frau
ihm unbedacht die Hand und sagt ihm zu, sie wolle sein werden. In dem¬
selben Augenblicke wird gemeldete Apollonia von ihm leibhaft besessen, und
alsbald gibt er ihr ein. sie solle eilends mit ihm auf den Boden, in der
Hoffnung, sie solle sich dort erhenken. Als nun mehr erwähnte Geißtbrechtin
von den Kühen aufspringt und der Hausthür zueilt, wird die vorgcmeldete
Nachbarin ihrer gewahr und schreit ihrem Mann zu: "O Ulrich, komm! die
alte Schäferin -- Schäfer nennt mau sonst ihren Mann, den Geißlbrecht --
ist von Sinnen gekommen. Demnach laufen die beiden Eheleute zu, und
ehe sie ganz zu ihr kommen, legt sie sich vor der Thür in eine Kothlache, mit
der Absicht, sich darin zu ertränken. Ms sie aufgehoben wird, mehre andere
Nachbarn zulaufen und die besessene arme Frau wieder in das Haus bringen,
begehrt sie nur stracks die Stiege auf den Boden und schreit: O laßt
mich gehn, seht Ihr nicht, nue köstlich ich lebe, daß ich für und für esse,
trinke, singe, springe, tanze und nur gut leben habe? Als Apollonia in ihre


barn gehört, fast die ganze Nacht über. Sonnabend Morgen kommt Apoll v-
illa zu Anna Städterin, ihrer Nachbarin und spricht: „Liebe Städterin, habt
Ihr nicht gehört, was mein Mann heut die ganze Nacht abermals für Roh-
heit und Schande geübt?" „Ja," spricht diese, „ich und mein Städter haben
es leiver nur zu wohl gehört, was für ein Kahengetöne und Gotteslästern ihr
miteinander getrieben, die ganze Nachbarschaft verliert den Frieden, wo man
so unchristlich lebt." Darauf fängt-gedachte Apollonia in grimmigem Zorne
an und spricht: „El. will mir unser Herregott von diese», heftigen Mann nicht
helfen, so wollte ich. der Teufel käme und hülfe mir von ihm." Nun merkt,
was geschieht! Als am gedachten Samstag Abend der Geißlbrechtin Rindvieh
von der Weide heimkommt und sie dasselbe, wie gebräuchlich, melken will,
da kommen zuerst zwei Vögel wie Schwalben, da doch tu dieser Zeit keine
mehr im Lande sind, und fliegen ihr geschwind um den Kopf herum. Ehe
sie sich recht unter der Kuh umsieht, steht ein langer Mann (es war aber
leider der leibhaftige Teufel) neben ihr und spricht ihr zu: „Ach. meine liebe
Appcl, wie habe ich ein Mitleiden mit dir. daß es dir so übel geht, dein
Leben ist so hart und armselig, hast auch einen so argen bösen Mann, der
dich so schlecht hält, er hat die Absicht, alles zu verthun, damit dir nach
seinem Tode nur nichts von ihm bleibe. Thue eins, sage mir zu. daß du
mein sein willst. Siehe, so verspreche ich dir, daß ich dich in dieser Stunde
an einen so herrlichen lustigen Ort führen will, wo du für und für nichts
thun sollst, als essen, trinken, singen, springen, tanzen, in Summa solche
gute Tage haben, wie du dein Lebelang nie gesehen noch gehört. Denn es
ist um das Himmelreich nicht so beschaffen, wie deine Pfaffen davon sagen.
Ich will es dir anders weisen."

Auf dies große Verheißen des leiblichen Satans gibt die armselige Frau
ihm unbedacht die Hand und sagt ihm zu, sie wolle sein werden. In dem¬
selben Augenblicke wird gemeldete Apollonia von ihm leibhaft besessen, und
alsbald gibt er ihr ein. sie solle eilends mit ihm auf den Boden, in der
Hoffnung, sie solle sich dort erhenken. Als nun mehr erwähnte Geißtbrechtin
von den Kühen aufspringt und der Hausthür zueilt, wird die vorgcmeldete
Nachbarin ihrer gewahr und schreit ihrem Mann zu: „O Ulrich, komm! die
alte Schäferin -- Schäfer nennt mau sonst ihren Mann, den Geißlbrecht —
ist von Sinnen gekommen. Demnach laufen die beiden Eheleute zu, und
ehe sie ganz zu ihr kommen, legt sie sich vor der Thür in eine Kothlache, mit
der Absicht, sich darin zu ertränken. Ms sie aufgehoben wird, mehre andere
Nachbarn zulaufen und die besessene arme Frau wieder in das Haus bringen,
begehrt sie nur stracks die Stiege auf den Boden und schreit: O laßt
mich gehn, seht Ihr nicht, nue köstlich ich lebe, daß ich für und für esse,
trinke, singe, springe, tanze und nur gut leben habe? Als Apollonia in ihre


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[0381] barn gehört, fast die ganze Nacht über. Sonnabend Morgen kommt Apoll v- illa zu Anna Städterin, ihrer Nachbarin und spricht: „Liebe Städterin, habt Ihr nicht gehört, was mein Mann heut die ganze Nacht abermals für Roh- heit und Schande geübt?" „Ja," spricht diese, „ich und mein Städter haben es leiver nur zu wohl gehört, was für ein Kahengetöne und Gotteslästern ihr miteinander getrieben, die ganze Nachbarschaft verliert den Frieden, wo man so unchristlich lebt." Darauf fängt-gedachte Apollonia in grimmigem Zorne an und spricht: „El. will mir unser Herregott von diese», heftigen Mann nicht helfen, so wollte ich. der Teufel käme und hülfe mir von ihm." Nun merkt, was geschieht! Als am gedachten Samstag Abend der Geißlbrechtin Rindvieh von der Weide heimkommt und sie dasselbe, wie gebräuchlich, melken will, da kommen zuerst zwei Vögel wie Schwalben, da doch tu dieser Zeit keine mehr im Lande sind, und fliegen ihr geschwind um den Kopf herum. Ehe sie sich recht unter der Kuh umsieht, steht ein langer Mann (es war aber leider der leibhaftige Teufel) neben ihr und spricht ihr zu: „Ach. meine liebe Appcl, wie habe ich ein Mitleiden mit dir. daß es dir so übel geht, dein Leben ist so hart und armselig, hast auch einen so argen bösen Mann, der dich so schlecht hält, er hat die Absicht, alles zu verthun, damit dir nach seinem Tode nur nichts von ihm bleibe. Thue eins, sage mir zu. daß du mein sein willst. Siehe, so verspreche ich dir, daß ich dich in dieser Stunde an einen so herrlichen lustigen Ort führen will, wo du für und für nichts thun sollst, als essen, trinken, singen, springen, tanzen, in Summa solche gute Tage haben, wie du dein Lebelang nie gesehen noch gehört. Denn es ist um das Himmelreich nicht so beschaffen, wie deine Pfaffen davon sagen. Ich will es dir anders weisen." Auf dies große Verheißen des leiblichen Satans gibt die armselige Frau ihm unbedacht die Hand und sagt ihm zu, sie wolle sein werden. In dem¬ selben Augenblicke wird gemeldete Apollonia von ihm leibhaft besessen, und alsbald gibt er ihr ein. sie solle eilends mit ihm auf den Boden, in der Hoffnung, sie solle sich dort erhenken. Als nun mehr erwähnte Geißtbrechtin von den Kühen aufspringt und der Hausthür zueilt, wird die vorgcmeldete Nachbarin ihrer gewahr und schreit ihrem Mann zu: „O Ulrich, komm! die alte Schäferin -- Schäfer nennt mau sonst ihren Mann, den Geißlbrecht — ist von Sinnen gekommen. Demnach laufen die beiden Eheleute zu, und ehe sie ganz zu ihr kommen, legt sie sich vor der Thür in eine Kothlache, mit der Absicht, sich darin zu ertränken. Ms sie aufgehoben wird, mehre andere Nachbarn zulaufen und die besessene arme Frau wieder in das Haus bringen, begehrt sie nur stracks die Stiege auf den Boden und schreit: O laßt mich gehn, seht Ihr nicht, nue köstlich ich lebe, daß ich für und für esse, trinke, singe, springe, tanze und nur gut leben habe? Als Apollonia in ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/381>, abgerufen am 22.12.2024.