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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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der Regel von dem Teufel geholt werden. Allbekannt ist das tramige Ende
des sagenhaften Doctor Faust. aber er war nicht die einzige Beute des Sa¬
tans. Es wurde ganz gewohnlich zu glauben, daß Menschen von zweiten.
tigem Charakter, oder solche, welche als Feinde bitter gehaßt wurden, vom
Teufel in sein unterirdisches Reich abgeholt seien. Dann war die Hand des
Teufels am verdrehten Genick des todten Sünders deutlich zu erkennen. Auch
geschichtliche Persönlichkeiten entgingen , dem melancholischen Schicksal nicht.
Bei mehrern Generalen des 30jährigen Krieges z. B. Holt befriedigten die
gequälten Deutschen ihren wilden Haß durch detaillirte Berichte über Bünd¬
nisse mit der Hölle und ein entsprechendes Ende. Ja noch im vorigen
Jahrhundert wurde der Pact, welchen der Herzog von Luxemburg, der
überlegene Gegner Wilhelms von Oranien. mit dem Teufel abgeschlossen
hatte. ausführlich, mit allen Paragraphen dem Publicum mitgetheilt, und es
ist charakteristisch für jene anspruchsvollere Zeit, daß der Herzog unter vielen
andern Bedingungen dem Teufel auch die gestellt hatte, ihm mir in angeneh¬
mer, keineswegs aber in schrecklicher Gestalt zu erscheinen.^)

Bei solcher Richtung war der junge Protestantismus durchaus nicht ge¬
neigt. Hexen und ihre Genossen milder zu beurtheile", als die alte Kirche
gethan hatte. Im Gegentheil, wenn die katholische Kirche vorzugsweise die
Abtrünnigkeit der Teufelsliebcheu bestraft hatte, so verfolgte der neue Glaube
mit noch größerem Zorn die Verstrickung des Gemüthes gegen das göttliche
Wort. Schon am Ende des 15. Jahrhunderts war das frivole Treiben der
damaligen Geistlichkeit durch furchtbare Hexenverfolgungen unterbrochen wor¬
den. Die Bulle Innocenz 8.: Summis cktZLiävi-rutLS von 1484 hatte auch
in Deutschland wilde Verfolgungen aufgeregt, z. B. in Mainz. In der
zweiten Hälfte des ni. Jahrhunderts verbreitete sich der Eifer gegen Hexerei
wie eine Pest über die Landschaften beider Konfessionen. Es ist wahrschein¬
lich, daß die gesteigerte Religiosität jener Zeit, welche nur zu oft hart, eng¬
herzig und ungemüthlich wurde, in den untern Schichten des Volkes auch einen
Gegensatz lebendig gemacht hatte, heimlichen Trotz und frevelhaftes Suchen
nach sinnlichem Genuß. Ueberall in Deutschland loderten die Scheiterhaufen,
eine endlose Reihe der widerwärtigsten Processe, deren actenmäßige Darstel¬
lung uns mit Schauder erfüllt, wurde durch die römischen Juristen zu
einförmigen Ende geführt. Wenn die katholische Partei solche barba¬
rische Verfolgung begann, so trifft die evangelische der Vorwurf, die¬
selbe am längsten und erbittertsten fortgesetzt zu haben. Ein fanatischer
Priester, der Bischof von Eichstädt. trieb schon als Probst von Ellwangen



') Des Welt-bcruffene" Herjzogs von Luxemburg, gewesenen Königl, Franhösischc"
Generals und Hof-Marschalls ?u.vt.a oder Verhaltniß mit dem Satan und das darauf erfolgte
erschreckliche Ende. Frankfurts und Leipzig 1716,
Grenzvoten II. 13S3, 47

der Regel von dem Teufel geholt werden. Allbekannt ist das tramige Ende
des sagenhaften Doctor Faust. aber er war nicht die einzige Beute des Sa¬
tans. Es wurde ganz gewohnlich zu glauben, daß Menschen von zweiten.
tigem Charakter, oder solche, welche als Feinde bitter gehaßt wurden, vom
Teufel in sein unterirdisches Reich abgeholt seien. Dann war die Hand des
Teufels am verdrehten Genick des todten Sünders deutlich zu erkennen. Auch
geschichtliche Persönlichkeiten entgingen , dem melancholischen Schicksal nicht.
Bei mehrern Generalen des 30jährigen Krieges z. B. Holt befriedigten die
gequälten Deutschen ihren wilden Haß durch detaillirte Berichte über Bünd¬
nisse mit der Hölle und ein entsprechendes Ende. Ja noch im vorigen
Jahrhundert wurde der Pact, welchen der Herzog von Luxemburg, der
überlegene Gegner Wilhelms von Oranien. mit dem Teufel abgeschlossen
hatte. ausführlich, mit allen Paragraphen dem Publicum mitgetheilt, und es
ist charakteristisch für jene anspruchsvollere Zeit, daß der Herzog unter vielen
andern Bedingungen dem Teufel auch die gestellt hatte, ihm mir in angeneh¬
mer, keineswegs aber in schrecklicher Gestalt zu erscheinen.^)

Bei solcher Richtung war der junge Protestantismus durchaus nicht ge¬
neigt. Hexen und ihre Genossen milder zu beurtheile», als die alte Kirche
gethan hatte. Im Gegentheil, wenn die katholische Kirche vorzugsweise die
Abtrünnigkeit der Teufelsliebcheu bestraft hatte, so verfolgte der neue Glaube
mit noch größerem Zorn die Verstrickung des Gemüthes gegen das göttliche
Wort. Schon am Ende des 15. Jahrhunderts war das frivole Treiben der
damaligen Geistlichkeit durch furchtbare Hexenverfolgungen unterbrochen wor¬
den. Die Bulle Innocenz 8.: Summis cktZLiävi-rutLS von 1484 hatte auch
in Deutschland wilde Verfolgungen aufgeregt, z. B. in Mainz. In der
zweiten Hälfte des ni. Jahrhunderts verbreitete sich der Eifer gegen Hexerei
wie eine Pest über die Landschaften beider Konfessionen. Es ist wahrschein¬
lich, daß die gesteigerte Religiosität jener Zeit, welche nur zu oft hart, eng¬
herzig und ungemüthlich wurde, in den untern Schichten des Volkes auch einen
Gegensatz lebendig gemacht hatte, heimlichen Trotz und frevelhaftes Suchen
nach sinnlichem Genuß. Ueberall in Deutschland loderten die Scheiterhaufen,
eine endlose Reihe der widerwärtigsten Processe, deren actenmäßige Darstel¬
lung uns mit Schauder erfüllt, wurde durch die römischen Juristen zu
einförmigen Ende geführt. Wenn die katholische Partei solche barba¬
rische Verfolgung begann, so trifft die evangelische der Vorwurf, die¬
selbe am längsten und erbittertsten fortgesetzt zu haben. Ein fanatischer
Priester, der Bischof von Eichstädt. trieb schon als Probst von Ellwangen



') Des Welt-bcruffene» Herjzogs von Luxemburg, gewesenen Königl, Franhösischc»
Generals und Hof-Marschalls ?u.vt.a oder Verhaltniß mit dem Satan und das darauf erfolgte
erschreckliche Ende. Frankfurts und Leipzig 1716,
Grenzvoten II. 13S3, 47
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[0377] der Regel von dem Teufel geholt werden. Allbekannt ist das tramige Ende des sagenhaften Doctor Faust. aber er war nicht die einzige Beute des Sa¬ tans. Es wurde ganz gewohnlich zu glauben, daß Menschen von zweiten. tigem Charakter, oder solche, welche als Feinde bitter gehaßt wurden, vom Teufel in sein unterirdisches Reich abgeholt seien. Dann war die Hand des Teufels am verdrehten Genick des todten Sünders deutlich zu erkennen. Auch geschichtliche Persönlichkeiten entgingen , dem melancholischen Schicksal nicht. Bei mehrern Generalen des 30jährigen Krieges z. B. Holt befriedigten die gequälten Deutschen ihren wilden Haß durch detaillirte Berichte über Bünd¬ nisse mit der Hölle und ein entsprechendes Ende. Ja noch im vorigen Jahrhundert wurde der Pact, welchen der Herzog von Luxemburg, der überlegene Gegner Wilhelms von Oranien. mit dem Teufel abgeschlossen hatte. ausführlich, mit allen Paragraphen dem Publicum mitgetheilt, und es ist charakteristisch für jene anspruchsvollere Zeit, daß der Herzog unter vielen andern Bedingungen dem Teufel auch die gestellt hatte, ihm mir in angeneh¬ mer, keineswegs aber in schrecklicher Gestalt zu erscheinen.^) Bei solcher Richtung war der junge Protestantismus durchaus nicht ge¬ neigt. Hexen und ihre Genossen milder zu beurtheile», als die alte Kirche gethan hatte. Im Gegentheil, wenn die katholische Kirche vorzugsweise die Abtrünnigkeit der Teufelsliebcheu bestraft hatte, so verfolgte der neue Glaube mit noch größerem Zorn die Verstrickung des Gemüthes gegen das göttliche Wort. Schon am Ende des 15. Jahrhunderts war das frivole Treiben der damaligen Geistlichkeit durch furchtbare Hexenverfolgungen unterbrochen wor¬ den. Die Bulle Innocenz 8.: Summis cktZLiävi-rutLS von 1484 hatte auch in Deutschland wilde Verfolgungen aufgeregt, z. B. in Mainz. In der zweiten Hälfte des ni. Jahrhunderts verbreitete sich der Eifer gegen Hexerei wie eine Pest über die Landschaften beider Konfessionen. Es ist wahrschein¬ lich, daß die gesteigerte Religiosität jener Zeit, welche nur zu oft hart, eng¬ herzig und ungemüthlich wurde, in den untern Schichten des Volkes auch einen Gegensatz lebendig gemacht hatte, heimlichen Trotz und frevelhaftes Suchen nach sinnlichem Genuß. Ueberall in Deutschland loderten die Scheiterhaufen, eine endlose Reihe der widerwärtigsten Processe, deren actenmäßige Darstel¬ lung uns mit Schauder erfüllt, wurde durch die römischen Juristen zu einförmigen Ende geführt. Wenn die katholische Partei solche barba¬ rische Verfolgung begann, so trifft die evangelische der Vorwurf, die¬ selbe am längsten und erbittertsten fortgesetzt zu haben. Ein fanatischer Priester, der Bischof von Eichstädt. trieb schon als Probst von Ellwangen ') Des Welt-bcruffene» Herjzogs von Luxemburg, gewesenen Königl, Franhösischc» Generals und Hof-Marschalls ?u.vt.a oder Verhaltniß mit dem Satan und das darauf erfolgte erschreckliche Ende. Frankfurts und Leipzig 1716, Grenzvoten II. 13S3, 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/377>, abgerufen am 22.12.2024.