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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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wurde auch der Teufel in den großen Kampf des Jahrhunderts hereingezogen.
Das lebende Geschlecht wurde religiös, es wurde viel gebetet, viel gepredigt
und. was bei Deutschen unvermeidlich, noch viel mehr disputirt und gezankt.
Die häufige und angelegentliche Beschäftigung mit der Hierarchie des Himmels
zwang auch den Teufel, wie ihm schon öfter begegnet war. wieder ein¬
mal vorzugsweise zum Höllenfürsten zu werden, und sich mit dem düstern
Apparat seines schrecklichen Reiches zu umgebe". Er wurde raffinirter,
finsterer, grausamer, so lange der Eifer und Haß gegen ihn mächtig
donnerte. Den Katholiken wurde er Chef der gesammten Ketzereien, der
Evangelische sah ihn in volksthümlicher Gestalt mit einem großen Blasebalg
hinter dem Papst und jedem Cardinäle stehen und diesen Angriffe gegen die
gereinigte Lehre einblasen. So erhielt der Teufel in dem frommen und eifri¬
gen Jahrhundert große Arbeit. Er mischte sich in alle theologischen und
politischen Händel, er saß auf Tezels Ablaßkasten, besuchte Luther aus der
Wartburg, intriguirte zwischen dem Kaiser und Papst, demüthigte den Pro¬
testantismus durch den schmalkaldischen Krieg und wieder die katholische
Partei durch den Abfall des Kurfürsten Moritz, er erschien und hantierte mit
seinen Gesellen überall im großen und kleinen Leben des Volkes.

Diese Vergrößerung seiner Wirksamkeit hätte wahrscheinlich in jeder
glaubenseisrigen Zeit stattgefunden, aber in der Person und in der Lehre de6
großen Charakters, welcher dem ganzen 16. Jahrhundert in Deutschland,
Freunden wie Gegnern, seine Farbe und sein Gepräge gab, war noch
einiges Besondere, was auch dem deutschen Teufel eine neue und in frühern
Zeiten unerhörte Wichtigkeit gab.

Zunächst war Luther eines Bergmanns Sohn. Er stammte aus einer
Hütte, in welcher der alte Schauer vor den Gewalten des dunklen Fichten¬
waldes, des Bergwassers, der finstern Erdspalte, welche als Eingang zu den
Metallgängen des Gebirges galt, stark und lebendig war. Seine Phantasie
war erfüllt mit den verdunkelten Traditionen des heidnischen Götterglaubens,
welche, wie es scheint, in seiner Heimath noch manches sehr Alterthümliche
bewahrt hatten. Ueberall empfand das Kind des Volkes die stillen Gewal¬
ten, in den Schrecken des Waldes und der Luft, wie in dem Leben der
Menschen.^) Er selbst litt an Anfechtungen durch den Satan und mit der
Offenheit und Energie seiner starken Natur verkündete er diese Erscheinungen



') Luther W, W. XIII. S. 25SV: Darum zweifle mir niemand daran, wo ein Feuer
aufgeht, daß ein Dorf oder ein Haus abbrennt, da sitzt allcrwcg ein Teufelein dabei, das
bläset immer in das Feuer, daß es soll größer werden. Also, wenn jemand an der Pestilenz
stirbt, ersäuft, oder zu Tode fällt, das thut der Teufel u. s. f. X. S. I2i!t: Ein Christ soll
wissen, daß er mitten unter den Teufeln sitze, und daß ihm der Teufel näher sei, denn sein
Rock oder Hemde, ja näher denn seine eigene Haut, daß er rings um uns her sei, und wir
also stets mit ihm zu Haar liegen und uns mit ihm schlage" müssen.

wurde auch der Teufel in den großen Kampf des Jahrhunderts hereingezogen.
Das lebende Geschlecht wurde religiös, es wurde viel gebetet, viel gepredigt
und. was bei Deutschen unvermeidlich, noch viel mehr disputirt und gezankt.
Die häufige und angelegentliche Beschäftigung mit der Hierarchie des Himmels
zwang auch den Teufel, wie ihm schon öfter begegnet war. wieder ein¬
mal vorzugsweise zum Höllenfürsten zu werden, und sich mit dem düstern
Apparat seines schrecklichen Reiches zu umgebe». Er wurde raffinirter,
finsterer, grausamer, so lange der Eifer und Haß gegen ihn mächtig
donnerte. Den Katholiken wurde er Chef der gesammten Ketzereien, der
Evangelische sah ihn in volksthümlicher Gestalt mit einem großen Blasebalg
hinter dem Papst und jedem Cardinäle stehen und diesen Angriffe gegen die
gereinigte Lehre einblasen. So erhielt der Teufel in dem frommen und eifri¬
gen Jahrhundert große Arbeit. Er mischte sich in alle theologischen und
politischen Händel, er saß auf Tezels Ablaßkasten, besuchte Luther aus der
Wartburg, intriguirte zwischen dem Kaiser und Papst, demüthigte den Pro¬
testantismus durch den schmalkaldischen Krieg und wieder die katholische
Partei durch den Abfall des Kurfürsten Moritz, er erschien und hantierte mit
seinen Gesellen überall im großen und kleinen Leben des Volkes.

Diese Vergrößerung seiner Wirksamkeit hätte wahrscheinlich in jeder
glaubenseisrigen Zeit stattgefunden, aber in der Person und in der Lehre de6
großen Charakters, welcher dem ganzen 16. Jahrhundert in Deutschland,
Freunden wie Gegnern, seine Farbe und sein Gepräge gab, war noch
einiges Besondere, was auch dem deutschen Teufel eine neue und in frühern
Zeiten unerhörte Wichtigkeit gab.

Zunächst war Luther eines Bergmanns Sohn. Er stammte aus einer
Hütte, in welcher der alte Schauer vor den Gewalten des dunklen Fichten¬
waldes, des Bergwassers, der finstern Erdspalte, welche als Eingang zu den
Metallgängen des Gebirges galt, stark und lebendig war. Seine Phantasie
war erfüllt mit den verdunkelten Traditionen des heidnischen Götterglaubens,
welche, wie es scheint, in seiner Heimath noch manches sehr Alterthümliche
bewahrt hatten. Ueberall empfand das Kind des Volkes die stillen Gewal¬
ten, in den Schrecken des Waldes und der Luft, wie in dem Leben der
Menschen.^) Er selbst litt an Anfechtungen durch den Satan und mit der
Offenheit und Energie seiner starken Natur verkündete er diese Erscheinungen



') Luther W, W. XIII. S. 25SV: Darum zweifle mir niemand daran, wo ein Feuer
aufgeht, daß ein Dorf oder ein Haus abbrennt, da sitzt allcrwcg ein Teufelein dabei, das
bläset immer in das Feuer, daß es soll größer werden. Also, wenn jemand an der Pestilenz
stirbt, ersäuft, oder zu Tode fällt, das thut der Teufel u. s. f. X. S. I2i!t: Ein Christ soll
wissen, daß er mitten unter den Teufeln sitze, und daß ihm der Teufel näher sei, denn sein
Rock oder Hemde, ja näher denn seine eigene Haut, daß er rings um uns her sei, und wir
also stets mit ihm zu Haar liegen und uns mit ihm schlage» müssen.
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[0375] wurde auch der Teufel in den großen Kampf des Jahrhunderts hereingezogen. Das lebende Geschlecht wurde religiös, es wurde viel gebetet, viel gepredigt und. was bei Deutschen unvermeidlich, noch viel mehr disputirt und gezankt. Die häufige und angelegentliche Beschäftigung mit der Hierarchie des Himmels zwang auch den Teufel, wie ihm schon öfter begegnet war. wieder ein¬ mal vorzugsweise zum Höllenfürsten zu werden, und sich mit dem düstern Apparat seines schrecklichen Reiches zu umgebe». Er wurde raffinirter, finsterer, grausamer, so lange der Eifer und Haß gegen ihn mächtig donnerte. Den Katholiken wurde er Chef der gesammten Ketzereien, der Evangelische sah ihn in volksthümlicher Gestalt mit einem großen Blasebalg hinter dem Papst und jedem Cardinäle stehen und diesen Angriffe gegen die gereinigte Lehre einblasen. So erhielt der Teufel in dem frommen und eifri¬ gen Jahrhundert große Arbeit. Er mischte sich in alle theologischen und politischen Händel, er saß auf Tezels Ablaßkasten, besuchte Luther aus der Wartburg, intriguirte zwischen dem Kaiser und Papst, demüthigte den Pro¬ testantismus durch den schmalkaldischen Krieg und wieder die katholische Partei durch den Abfall des Kurfürsten Moritz, er erschien und hantierte mit seinen Gesellen überall im großen und kleinen Leben des Volkes. Diese Vergrößerung seiner Wirksamkeit hätte wahrscheinlich in jeder glaubenseisrigen Zeit stattgefunden, aber in der Person und in der Lehre de6 großen Charakters, welcher dem ganzen 16. Jahrhundert in Deutschland, Freunden wie Gegnern, seine Farbe und sein Gepräge gab, war noch einiges Besondere, was auch dem deutschen Teufel eine neue und in frühern Zeiten unerhörte Wichtigkeit gab. Zunächst war Luther eines Bergmanns Sohn. Er stammte aus einer Hütte, in welcher der alte Schauer vor den Gewalten des dunklen Fichten¬ waldes, des Bergwassers, der finstern Erdspalte, welche als Eingang zu den Metallgängen des Gebirges galt, stark und lebendig war. Seine Phantasie war erfüllt mit den verdunkelten Traditionen des heidnischen Götterglaubens, welche, wie es scheint, in seiner Heimath noch manches sehr Alterthümliche bewahrt hatten. Ueberall empfand das Kind des Volkes die stillen Gewal¬ ten, in den Schrecken des Waldes und der Luft, wie in dem Leben der Menschen.^) Er selbst litt an Anfechtungen durch den Satan und mit der Offenheit und Energie seiner starken Natur verkündete er diese Erscheinungen ') Luther W, W. XIII. S. 25SV: Darum zweifle mir niemand daran, wo ein Feuer aufgeht, daß ein Dorf oder ein Haus abbrennt, da sitzt allcrwcg ein Teufelein dabei, das bläset immer in das Feuer, daß es soll größer werden. Also, wenn jemand an der Pestilenz stirbt, ersäuft, oder zu Tode fällt, das thut der Teufel u. s. f. X. S. I2i!t: Ein Christ soll wissen, daß er mitten unter den Teufeln sitze, und daß ihm der Teufel näher sei, denn sein Rock oder Hemde, ja näher denn seine eigene Haut, daß er rings um uns her sei, und wir also stets mit ihm zu Haar liegen und uns mit ihm schlage» müssen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/375>, abgerufen am 22.12.2024.