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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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durch die Lust schleppen, die er aus seiner Fahrt verlor, oder im Zorne her-
unterwarf; er mußte ungeheure Mauern ausführen, Brücken, Schlosser, Müh¬
len, sogar Kirchen bauen. Und fast immer war er bei diesen Bauten der Ge¬
prellte , wie in andern Sagen die Niesen, denn was er sich zum Lohn seiner
Arbeit ausbedungen hatte, das ging ihm verloren. Er mußte als Wolf
oder Hund mit feurigen Augen unterirdische Schätze bewachen; er mußte als
feuriger Drache fliegen und Schätze durch den Schornstein auf den Herd
werfen. Er mußte sich sogar gefallen lassen bei Volksfesten in Person auf¬
zutreten, er mußte Schauspieler werden und ^n einer halb lächerlichen, halb
schrecklichen Tracht den Possenreißer und den viel geprügelten Gegner der
himmlischen Gewalten darstellen. In Deutschland erhielt er seine Maske:
die Hörner, den Böckh- oder Pferdefuß, den hinsenden Gang, den Schwanz,
die schwarze Farbe. Es ist möglich, daß Erinnerungen an die antike Satire
ihm zu Einzelheiten seines Costüms verholfen haben, doch waren bei den fest¬
lichen Aufzügen des deutschen Heidenthums abenteuerliche Thiermast'er eben¬
falls zur Genüge vorhanden; und in den jungen Städten des Mittelalters
gab die Tracht des Schornsteinfegers bei Maskeraden einen schätzenswerthen
Anhalt. So wurde er, der furchtbare Feind des Menschengeschlechts ein Lieb-
lingsgegenstand für die gute Laune der Gläubigen. Zahllos sind die Sagen
und Märchen, in denen er als Tölpel, als Betrogener dem Witz des Men¬
schen unterliegt, und sehr derb ist die Komik, die er beim heiligen Osterspiel
und andern dramatischen Ausführungen wenigstens in der zweiten Hälfte des
Mittelalters entwickelt. Nach vielem Entsetzen und zahllosen frommen Gebeten
hatte sich am Ende des 15. Jahrhunderts das deutsche Volk seinen Teufel
doch recht gemüthlich zugerichtet. -- Sein Bild ist freilich nicht mit den poe¬
tischen Charakteren zu vergleichen, welche ein frei schaffendes Volk seinen epi¬
schen Heldengestalten gibt, denn bei ihm sind die widersprechendsten Züge
zusammengetragen. Die Theosophie der Perser, der Eiser jüdischer Sekten,
antike Mythen und frommer Kirchenglaube stehen hier dicht neben altdeutscher
Habe, und darf man sagen, was an diesem abenteuerlichen Mischmasch der
verschiedensten Bildungen noch menschlich und erträglich erscheint, das haben
die Deutschen dazugethan, nicht durch vernünftiges Erkennen, sondern mit
der guten Laune einer starken Natur, welche auch das Ungesunde und Ver¬
nunftwidrige zu bewältigen weiß.

So lebte das Phantasiegebild des Teufels fast ein Jahrtausend im deut¬
schen Volk. Getreulich machte es alle großen Aufregungen und Wandlungen
der Volksseele mit. In Zeiten des religiösen Eifers erschien es mit wildem,
menschenfeindlichen Angesicht, in den Tagen größeren sinnlichen Behagens er¬
hielt es ein possenhaftes, fast harmloses Aussehen.

Da kam Luther und die Reformation. Wie jedermann in Deutschland,


durch die Lust schleppen, die er aus seiner Fahrt verlor, oder im Zorne her-
unterwarf; er mußte ungeheure Mauern ausführen, Brücken, Schlosser, Müh¬
len, sogar Kirchen bauen. Und fast immer war er bei diesen Bauten der Ge¬
prellte , wie in andern Sagen die Niesen, denn was er sich zum Lohn seiner
Arbeit ausbedungen hatte, das ging ihm verloren. Er mußte als Wolf
oder Hund mit feurigen Augen unterirdische Schätze bewachen; er mußte als
feuriger Drache fliegen und Schätze durch den Schornstein auf den Herd
werfen. Er mußte sich sogar gefallen lassen bei Volksfesten in Person auf¬
zutreten, er mußte Schauspieler werden und ^n einer halb lächerlichen, halb
schrecklichen Tracht den Possenreißer und den viel geprügelten Gegner der
himmlischen Gewalten darstellen. In Deutschland erhielt er seine Maske:
die Hörner, den Böckh- oder Pferdefuß, den hinsenden Gang, den Schwanz,
die schwarze Farbe. Es ist möglich, daß Erinnerungen an die antike Satire
ihm zu Einzelheiten seines Costüms verholfen haben, doch waren bei den fest¬
lichen Aufzügen des deutschen Heidenthums abenteuerliche Thiermast'er eben¬
falls zur Genüge vorhanden; und in den jungen Städten des Mittelalters
gab die Tracht des Schornsteinfegers bei Maskeraden einen schätzenswerthen
Anhalt. So wurde er, der furchtbare Feind des Menschengeschlechts ein Lieb-
lingsgegenstand für die gute Laune der Gläubigen. Zahllos sind die Sagen
und Märchen, in denen er als Tölpel, als Betrogener dem Witz des Men¬
schen unterliegt, und sehr derb ist die Komik, die er beim heiligen Osterspiel
und andern dramatischen Ausführungen wenigstens in der zweiten Hälfte des
Mittelalters entwickelt. Nach vielem Entsetzen und zahllosen frommen Gebeten
hatte sich am Ende des 15. Jahrhunderts das deutsche Volk seinen Teufel
doch recht gemüthlich zugerichtet. — Sein Bild ist freilich nicht mit den poe¬
tischen Charakteren zu vergleichen, welche ein frei schaffendes Volk seinen epi¬
schen Heldengestalten gibt, denn bei ihm sind die widersprechendsten Züge
zusammengetragen. Die Theosophie der Perser, der Eiser jüdischer Sekten,
antike Mythen und frommer Kirchenglaube stehen hier dicht neben altdeutscher
Habe, und darf man sagen, was an diesem abenteuerlichen Mischmasch der
verschiedensten Bildungen noch menschlich und erträglich erscheint, das haben
die Deutschen dazugethan, nicht durch vernünftiges Erkennen, sondern mit
der guten Laune einer starken Natur, welche auch das Ungesunde und Ver¬
nunftwidrige zu bewältigen weiß.

So lebte das Phantasiegebild des Teufels fast ein Jahrtausend im deut¬
schen Volk. Getreulich machte es alle großen Aufregungen und Wandlungen
der Volksseele mit. In Zeiten des religiösen Eifers erschien es mit wildem,
menschenfeindlichen Angesicht, in den Tagen größeren sinnlichen Behagens er¬
hielt es ein possenhaftes, fast harmloses Aussehen.

Da kam Luther und die Reformation. Wie jedermann in Deutschland,


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[0374] durch die Lust schleppen, die er aus seiner Fahrt verlor, oder im Zorne her- unterwarf; er mußte ungeheure Mauern ausführen, Brücken, Schlosser, Müh¬ len, sogar Kirchen bauen. Und fast immer war er bei diesen Bauten der Ge¬ prellte , wie in andern Sagen die Niesen, denn was er sich zum Lohn seiner Arbeit ausbedungen hatte, das ging ihm verloren. Er mußte als Wolf oder Hund mit feurigen Augen unterirdische Schätze bewachen; er mußte als feuriger Drache fliegen und Schätze durch den Schornstein auf den Herd werfen. Er mußte sich sogar gefallen lassen bei Volksfesten in Person auf¬ zutreten, er mußte Schauspieler werden und ^n einer halb lächerlichen, halb schrecklichen Tracht den Possenreißer und den viel geprügelten Gegner der himmlischen Gewalten darstellen. In Deutschland erhielt er seine Maske: die Hörner, den Böckh- oder Pferdefuß, den hinsenden Gang, den Schwanz, die schwarze Farbe. Es ist möglich, daß Erinnerungen an die antike Satire ihm zu Einzelheiten seines Costüms verholfen haben, doch waren bei den fest¬ lichen Aufzügen des deutschen Heidenthums abenteuerliche Thiermast'er eben¬ falls zur Genüge vorhanden; und in den jungen Städten des Mittelalters gab die Tracht des Schornsteinfegers bei Maskeraden einen schätzenswerthen Anhalt. So wurde er, der furchtbare Feind des Menschengeschlechts ein Lieb- lingsgegenstand für die gute Laune der Gläubigen. Zahllos sind die Sagen und Märchen, in denen er als Tölpel, als Betrogener dem Witz des Men¬ schen unterliegt, und sehr derb ist die Komik, die er beim heiligen Osterspiel und andern dramatischen Ausführungen wenigstens in der zweiten Hälfte des Mittelalters entwickelt. Nach vielem Entsetzen und zahllosen frommen Gebeten hatte sich am Ende des 15. Jahrhunderts das deutsche Volk seinen Teufel doch recht gemüthlich zugerichtet. — Sein Bild ist freilich nicht mit den poe¬ tischen Charakteren zu vergleichen, welche ein frei schaffendes Volk seinen epi¬ schen Heldengestalten gibt, denn bei ihm sind die widersprechendsten Züge zusammengetragen. Die Theosophie der Perser, der Eiser jüdischer Sekten, antike Mythen und frommer Kirchenglaube stehen hier dicht neben altdeutscher Habe, und darf man sagen, was an diesem abenteuerlichen Mischmasch der verschiedensten Bildungen noch menschlich und erträglich erscheint, das haben die Deutschen dazugethan, nicht durch vernünftiges Erkennen, sondern mit der guten Laune einer starken Natur, welche auch das Ungesunde und Ver¬ nunftwidrige zu bewältigen weiß. So lebte das Phantasiegebild des Teufels fast ein Jahrtausend im deut¬ schen Volk. Getreulich machte es alle großen Aufregungen und Wandlungen der Volksseele mit. In Zeiten des religiösen Eifers erschien es mit wildem, menschenfeindlichen Angesicht, in den Tagen größeren sinnlichen Behagens er¬ hielt es ein possenhaftes, fast harmloses Aussehen. Da kam Luther und die Reformation. Wie jedermann in Deutschland,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/374>, abgerufen am 22.12.2024.