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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Schrecken zu den alten, welche er in das Land gebracht hatte. Ueberhaupt
war das Eindringen seiner Gestalt kein Glück für die Volksseele, das
Harte. Ungemüthlicke und Monotone, was dieser alten Abstraction eines per¬
sischen Eiferers noch von ihrem Ursprünge her unvertilgbar anhing, zog zahl¬
reiche farbige und poetische Sagen ins Finstre und Gemeine, und das Ge¬
müth des Volkes wurde durch das Christenthum nach dieser Seite roher und
ärmer, während im Ganzen der sittliche Inhalt seines Lebens sich vergrößerte,
sich vertiefte. Dennoch that es sein Mögliches, auch dem Teufel behagliche
Seiten abzugewinnen. Schon das Niesengeschlccht des alten Glaubens hatte
für das Volk zwei Gesichter gehabt, neben dem Schrecken ihrer dämonischen
Natur empfand man mit Behagen auch eine harmlose, ja burleske Seite
ihres Lebens. Die Unförmlichkeit ihrer großen Körper, ihre Kraft, der
schwerfällige Witz und auf der andern Seite wieder das Zaubcrwissen und die
technische Kunstfertigkeit, welche man ihnen zuschrieb, das alles war schon zur
Heidenzeit eine unerschöpfliche Quelle für heitere Geschichten gewesen, durch welche
sich das Volk unter anderem auffallende Naturgebilde und landschaftliche Merk¬
würdigkeiten poetisch erklärte. Neben den Niesen aber hatte sich in der Heidenzeit
das zahllose Volk der kleineren Naturgeister um den Menschen herum getum¬
melt. Im Walde wohnten die haarigen Schrate, an dem Ufer des Baches
saug der Nix, in den Bergen hämmerte das zahlreiche Geschlecht der Zwerge,
auf dem Thau der Wiesen spielten die Elbe und die Idisien, die deutschen
Feen, und durch die Luft flogen in Schwanengestalt oder auf Zauberrosseu
die Schlachtjungfrauen Wuotans. In Haushund Hof. in Scheuer, Ninderstall
und Milchkeller wohnten Hausgeister der verschiedensten Art, unter dem
Herdfeuer saß der Kobold, das Heinzelmännchen schlich gern in Kater¬
gestalt über die Balken, braune Männlein, graue Männlein und zuweilen
weiße Frauen umgaben die Familie als Schutzgeister des Wohlstandes und
häuslichen Behagens. Dem Schlafenden suchte die Nachtmar den Frieden
des Schlummers zu stören, im Getreide saß die Nvggenmume, aus dem ge¬
schlagenen Holz die kleinen Holzweibchen, im Sumpfe fuhr der Irrwisch
ruhelos umher und bemühte sich, den Menschen aus der Wagenspur des geweih¬
ten Weges zu locken. Dies kleine Geistervolk erhielt sich im Christenthum,
doch wurde es furchtsam und scheu gegen den Menschen. Aus mehrern alten
Sagen ist zu erkennen, mit welcher Wehmuth der Neubekehrte sein Verhält¬
niß zu den alten Freunden als ein gestörtes betrachtete: in einigen noch lebenden
Sagen trauern die kleinen Geister, daß sie nicht auch selig werden können, in an¬
dern werden sie durch den Glockenschlag gestört und ziehn heimlich aus der Ge¬
gend fort. Auch aus ihrem Wesen wurde mancher dunkle und schadenfrohe Zug
auf den Teufel übertragen. Am meisten aber mußten die Riefen an ihn ab¬
geben. Der Teufel wurde ein Baukünstler wie sie, er mußte große Felsblöcke


Schrecken zu den alten, welche er in das Land gebracht hatte. Ueberhaupt
war das Eindringen seiner Gestalt kein Glück für die Volksseele, das
Harte. Ungemüthlicke und Monotone, was dieser alten Abstraction eines per¬
sischen Eiferers noch von ihrem Ursprünge her unvertilgbar anhing, zog zahl¬
reiche farbige und poetische Sagen ins Finstre und Gemeine, und das Ge¬
müth des Volkes wurde durch das Christenthum nach dieser Seite roher und
ärmer, während im Ganzen der sittliche Inhalt seines Lebens sich vergrößerte,
sich vertiefte. Dennoch that es sein Mögliches, auch dem Teufel behagliche
Seiten abzugewinnen. Schon das Niesengeschlccht des alten Glaubens hatte
für das Volk zwei Gesichter gehabt, neben dem Schrecken ihrer dämonischen
Natur empfand man mit Behagen auch eine harmlose, ja burleske Seite
ihres Lebens. Die Unförmlichkeit ihrer großen Körper, ihre Kraft, der
schwerfällige Witz und auf der andern Seite wieder das Zaubcrwissen und die
technische Kunstfertigkeit, welche man ihnen zuschrieb, das alles war schon zur
Heidenzeit eine unerschöpfliche Quelle für heitere Geschichten gewesen, durch welche
sich das Volk unter anderem auffallende Naturgebilde und landschaftliche Merk¬
würdigkeiten poetisch erklärte. Neben den Niesen aber hatte sich in der Heidenzeit
das zahllose Volk der kleineren Naturgeister um den Menschen herum getum¬
melt. Im Walde wohnten die haarigen Schrate, an dem Ufer des Baches
saug der Nix, in den Bergen hämmerte das zahlreiche Geschlecht der Zwerge,
auf dem Thau der Wiesen spielten die Elbe und die Idisien, die deutschen
Feen, und durch die Luft flogen in Schwanengestalt oder auf Zauberrosseu
die Schlachtjungfrauen Wuotans. In Haushund Hof. in Scheuer, Ninderstall
und Milchkeller wohnten Hausgeister der verschiedensten Art, unter dem
Herdfeuer saß der Kobold, das Heinzelmännchen schlich gern in Kater¬
gestalt über die Balken, braune Männlein, graue Männlein und zuweilen
weiße Frauen umgaben die Familie als Schutzgeister des Wohlstandes und
häuslichen Behagens. Dem Schlafenden suchte die Nachtmar den Frieden
des Schlummers zu stören, im Getreide saß die Nvggenmume, aus dem ge¬
schlagenen Holz die kleinen Holzweibchen, im Sumpfe fuhr der Irrwisch
ruhelos umher und bemühte sich, den Menschen aus der Wagenspur des geweih¬
ten Weges zu locken. Dies kleine Geistervolk erhielt sich im Christenthum,
doch wurde es furchtsam und scheu gegen den Menschen. Aus mehrern alten
Sagen ist zu erkennen, mit welcher Wehmuth der Neubekehrte sein Verhält¬
niß zu den alten Freunden als ein gestörtes betrachtete: in einigen noch lebenden
Sagen trauern die kleinen Geister, daß sie nicht auch selig werden können, in an¬
dern werden sie durch den Glockenschlag gestört und ziehn heimlich aus der Ge¬
gend fort. Auch aus ihrem Wesen wurde mancher dunkle und schadenfrohe Zug
auf den Teufel übertragen. Am meisten aber mußten die Riefen an ihn ab¬
geben. Der Teufel wurde ein Baukünstler wie sie, er mußte große Felsblöcke


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[0373] Schrecken zu den alten, welche er in das Land gebracht hatte. Ueberhaupt war das Eindringen seiner Gestalt kein Glück für die Volksseele, das Harte. Ungemüthlicke und Monotone, was dieser alten Abstraction eines per¬ sischen Eiferers noch von ihrem Ursprünge her unvertilgbar anhing, zog zahl¬ reiche farbige und poetische Sagen ins Finstre und Gemeine, und das Ge¬ müth des Volkes wurde durch das Christenthum nach dieser Seite roher und ärmer, während im Ganzen der sittliche Inhalt seines Lebens sich vergrößerte, sich vertiefte. Dennoch that es sein Mögliches, auch dem Teufel behagliche Seiten abzugewinnen. Schon das Niesengeschlccht des alten Glaubens hatte für das Volk zwei Gesichter gehabt, neben dem Schrecken ihrer dämonischen Natur empfand man mit Behagen auch eine harmlose, ja burleske Seite ihres Lebens. Die Unförmlichkeit ihrer großen Körper, ihre Kraft, der schwerfällige Witz und auf der andern Seite wieder das Zaubcrwissen und die technische Kunstfertigkeit, welche man ihnen zuschrieb, das alles war schon zur Heidenzeit eine unerschöpfliche Quelle für heitere Geschichten gewesen, durch welche sich das Volk unter anderem auffallende Naturgebilde und landschaftliche Merk¬ würdigkeiten poetisch erklärte. Neben den Niesen aber hatte sich in der Heidenzeit das zahllose Volk der kleineren Naturgeister um den Menschen herum getum¬ melt. Im Walde wohnten die haarigen Schrate, an dem Ufer des Baches saug der Nix, in den Bergen hämmerte das zahlreiche Geschlecht der Zwerge, auf dem Thau der Wiesen spielten die Elbe und die Idisien, die deutschen Feen, und durch die Luft flogen in Schwanengestalt oder auf Zauberrosseu die Schlachtjungfrauen Wuotans. In Haushund Hof. in Scheuer, Ninderstall und Milchkeller wohnten Hausgeister der verschiedensten Art, unter dem Herdfeuer saß der Kobold, das Heinzelmännchen schlich gern in Kater¬ gestalt über die Balken, braune Männlein, graue Männlein und zuweilen weiße Frauen umgaben die Familie als Schutzgeister des Wohlstandes und häuslichen Behagens. Dem Schlafenden suchte die Nachtmar den Frieden des Schlummers zu stören, im Getreide saß die Nvggenmume, aus dem ge¬ schlagenen Holz die kleinen Holzweibchen, im Sumpfe fuhr der Irrwisch ruhelos umher und bemühte sich, den Menschen aus der Wagenspur des geweih¬ ten Weges zu locken. Dies kleine Geistervolk erhielt sich im Christenthum, doch wurde es furchtsam und scheu gegen den Menschen. Aus mehrern alten Sagen ist zu erkennen, mit welcher Wehmuth der Neubekehrte sein Verhält¬ niß zu den alten Freunden als ein gestörtes betrachtete: in einigen noch lebenden Sagen trauern die kleinen Geister, daß sie nicht auch selig werden können, in an¬ dern werden sie durch den Glockenschlag gestört und ziehn heimlich aus der Ge¬ gend fort. Auch aus ihrem Wesen wurde mancher dunkle und schadenfrohe Zug auf den Teufel übertragen. Am meisten aber mußten die Riefen an ihn ab¬ geben. Der Teufel wurde ein Baukünstler wie sie, er mußte große Felsblöcke

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/373>, abgerufen am 22.12.2024.