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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Geschlechte. Die Priesterinnen dieses düstern Cultus sind es vorzugsweise- -so
dürfen wir schließen -- welche als Hazusen oder Hcgissen -- Hexen -- bis
in die neue Zeit einige Traditionen des alten Cultus fortgepflanzt haben:
allerlei Zaubermittel, die Formen, in welchen sie sich den Dämonen verlobten,
berauschende Schlaftrünke. Für dieses Gebiet heidnischen Aberglaubens wurde
der christliche Teufel der natürliche Mittelpunkt. Im Volksglauben dauerten die
nächtlichen Zusammenkünfte der Hexen auf verschiedenen alten Cultusstätten noch
fort, als sie in Wirklichkeit längst aufgehört tialem. Zugelassen wurde, wer
sich den Teufel als Liebsten zugesellte; die Fahrt zur Stätte geschah durch
die Luft, Zaubersalbe gab die Fähigkeit zu fliegen oder auf verzauberten
Thieren zu reiten. Es war kein ausschließlich deutscher Aberglaube, daß man
auch gesalbte Bänke, Besen u. s. w. zum Ritt benutzen könne, schon
zur Zeit des Apulejus kannte man solche nächtliche Zauberei, doch ist
allerdings zweifelhaft, ob nicht schon damals durch die Germanen diese Vor¬
stellung in die römische Welt, die große Garküche jedes frommen Aberglau¬
bens, gekommen war. Wer einmal Hexe ist, der ist der Hölle für immer
verfallen, die spätere Kirche macht kaum einen Versuch, sie anders als für die
Hinrichtung zu bekehren und unterscheidet genau zwischen solchen Tcufels-
genossen und andern. ,

Denn auch durch Vertrag konnte man sich seit dem frühsten Mittelalter
in die Macht des Teufels geben. Der Mensch verschreibt seine Seele in einer
Urkunde, die mit dem Blut seiner Adern geschrieben ist, dafür muß ihm
der Teufel auf Erden seine Wünsche befriedigen. Obgleich das älteste be¬
kannte Beispiel das des Romanen Theophilus ist, -- der Tradition nach aus
dem 6. Jahrhundert -- und obgleich der Vertrag durch Handschrift erst aus
einer Zeit stammen kann, in welcher römische Rechtsformen zu den Völkern
des Abendlandes gekommen waren, so ist doch die Grundlage auch dieser
Teufelssagen echt deutsch. Denn die Voraussetzung solcher Erfindungen ist ein
tiefes Gefühl der gegenseitigen moralischen Verpflichtung, welche durch solchen
Bertrag hervorgebracht wird und ein tollkühner Sinn, welcher der That eines
Augenblicks die Entscheidung über die ganze Zukunft zu überlassen liebt. Der
Germane, welcher im Spiel mit Würfeln oder Stabrunen seine eigene Frei¬
heit aufs Spiel setzte, und der, welcher seine Seele dem Teufel angelobte,
haben die größte Aehnlichkeit' miteinander. Diese Bündnisse mit dem Teufel
betrachtete die Kirche nicht mit tödtlichen Hasse; durch die Fürsprache ihrer
Heiligen wurden die frevelhaften Wagehälse, wie Theophilus selbst, gerettet
und der Teufel gezwungen, seine Rechte auszugeben. Deutsch ist auch, daß
der Teufel bei den Verträgen, "welche er mit Menschen schließt, seinerseits den
Vertrag eifrig und ehrlich zu erfüllen sucht, der Betrügende ist der Mensch..

Der Teufel erhielt durch diese Zuthaten allerdings eine Anzahl neuer


Geschlechte. Die Priesterinnen dieses düstern Cultus sind es vorzugsweise- -so
dürfen wir schließen — welche als Hazusen oder Hcgissen — Hexen — bis
in die neue Zeit einige Traditionen des alten Cultus fortgepflanzt haben:
allerlei Zaubermittel, die Formen, in welchen sie sich den Dämonen verlobten,
berauschende Schlaftrünke. Für dieses Gebiet heidnischen Aberglaubens wurde
der christliche Teufel der natürliche Mittelpunkt. Im Volksglauben dauerten die
nächtlichen Zusammenkünfte der Hexen auf verschiedenen alten Cultusstätten noch
fort, als sie in Wirklichkeit längst aufgehört tialem. Zugelassen wurde, wer
sich den Teufel als Liebsten zugesellte; die Fahrt zur Stätte geschah durch
die Luft, Zaubersalbe gab die Fähigkeit zu fliegen oder auf verzauberten
Thieren zu reiten. Es war kein ausschließlich deutscher Aberglaube, daß man
auch gesalbte Bänke, Besen u. s. w. zum Ritt benutzen könne, schon
zur Zeit des Apulejus kannte man solche nächtliche Zauberei, doch ist
allerdings zweifelhaft, ob nicht schon damals durch die Germanen diese Vor¬
stellung in die römische Welt, die große Garküche jedes frommen Aberglau¬
bens, gekommen war. Wer einmal Hexe ist, der ist der Hölle für immer
verfallen, die spätere Kirche macht kaum einen Versuch, sie anders als für die
Hinrichtung zu bekehren und unterscheidet genau zwischen solchen Tcufels-
genossen und andern. ,

Denn auch durch Vertrag konnte man sich seit dem frühsten Mittelalter
in die Macht des Teufels geben. Der Mensch verschreibt seine Seele in einer
Urkunde, die mit dem Blut seiner Adern geschrieben ist, dafür muß ihm
der Teufel auf Erden seine Wünsche befriedigen. Obgleich das älteste be¬
kannte Beispiel das des Romanen Theophilus ist, — der Tradition nach aus
dem 6. Jahrhundert — und obgleich der Vertrag durch Handschrift erst aus
einer Zeit stammen kann, in welcher römische Rechtsformen zu den Völkern
des Abendlandes gekommen waren, so ist doch die Grundlage auch dieser
Teufelssagen echt deutsch. Denn die Voraussetzung solcher Erfindungen ist ein
tiefes Gefühl der gegenseitigen moralischen Verpflichtung, welche durch solchen
Bertrag hervorgebracht wird und ein tollkühner Sinn, welcher der That eines
Augenblicks die Entscheidung über die ganze Zukunft zu überlassen liebt. Der
Germane, welcher im Spiel mit Würfeln oder Stabrunen seine eigene Frei¬
heit aufs Spiel setzte, und der, welcher seine Seele dem Teufel angelobte,
haben die größte Aehnlichkeit' miteinander. Diese Bündnisse mit dem Teufel
betrachtete die Kirche nicht mit tödtlichen Hasse; durch die Fürsprache ihrer
Heiligen wurden die frevelhaften Wagehälse, wie Theophilus selbst, gerettet
und der Teufel gezwungen, seine Rechte auszugeben. Deutsch ist auch, daß
der Teufel bei den Verträgen, «welche er mit Menschen schließt, seinerseits den
Vertrag eifrig und ehrlich zu erfüllen sucht, der Betrügende ist der Mensch..

Der Teufel erhielt durch diese Zuthaten allerdings eine Anzahl neuer


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[0372] Geschlechte. Die Priesterinnen dieses düstern Cultus sind es vorzugsweise- -so dürfen wir schließen — welche als Hazusen oder Hcgissen — Hexen — bis in die neue Zeit einige Traditionen des alten Cultus fortgepflanzt haben: allerlei Zaubermittel, die Formen, in welchen sie sich den Dämonen verlobten, berauschende Schlaftrünke. Für dieses Gebiet heidnischen Aberglaubens wurde der christliche Teufel der natürliche Mittelpunkt. Im Volksglauben dauerten die nächtlichen Zusammenkünfte der Hexen auf verschiedenen alten Cultusstätten noch fort, als sie in Wirklichkeit längst aufgehört tialem. Zugelassen wurde, wer sich den Teufel als Liebsten zugesellte; die Fahrt zur Stätte geschah durch die Luft, Zaubersalbe gab die Fähigkeit zu fliegen oder auf verzauberten Thieren zu reiten. Es war kein ausschließlich deutscher Aberglaube, daß man auch gesalbte Bänke, Besen u. s. w. zum Ritt benutzen könne, schon zur Zeit des Apulejus kannte man solche nächtliche Zauberei, doch ist allerdings zweifelhaft, ob nicht schon damals durch die Germanen diese Vor¬ stellung in die römische Welt, die große Garküche jedes frommen Aberglau¬ bens, gekommen war. Wer einmal Hexe ist, der ist der Hölle für immer verfallen, die spätere Kirche macht kaum einen Versuch, sie anders als für die Hinrichtung zu bekehren und unterscheidet genau zwischen solchen Tcufels- genossen und andern. , Denn auch durch Vertrag konnte man sich seit dem frühsten Mittelalter in die Macht des Teufels geben. Der Mensch verschreibt seine Seele in einer Urkunde, die mit dem Blut seiner Adern geschrieben ist, dafür muß ihm der Teufel auf Erden seine Wünsche befriedigen. Obgleich das älteste be¬ kannte Beispiel das des Romanen Theophilus ist, — der Tradition nach aus dem 6. Jahrhundert — und obgleich der Vertrag durch Handschrift erst aus einer Zeit stammen kann, in welcher römische Rechtsformen zu den Völkern des Abendlandes gekommen waren, so ist doch die Grundlage auch dieser Teufelssagen echt deutsch. Denn die Voraussetzung solcher Erfindungen ist ein tiefes Gefühl der gegenseitigen moralischen Verpflichtung, welche durch solchen Bertrag hervorgebracht wird und ein tollkühner Sinn, welcher der That eines Augenblicks die Entscheidung über die ganze Zukunft zu überlassen liebt. Der Germane, welcher im Spiel mit Würfeln oder Stabrunen seine eigene Frei¬ heit aufs Spiel setzte, und der, welcher seine Seele dem Teufel angelobte, haben die größte Aehnlichkeit' miteinander. Diese Bündnisse mit dem Teufel betrachtete die Kirche nicht mit tödtlichen Hasse; durch die Fürsprache ihrer Heiligen wurden die frevelhaften Wagehälse, wie Theophilus selbst, gerettet und der Teufel gezwungen, seine Rechte auszugeben. Deutsch ist auch, daß der Teufel bei den Verträgen, «welche er mit Menschen schließt, seinerseits den Vertrag eifrig und ehrlich zu erfüllen sucht, der Betrügende ist der Mensch.. Der Teufel erhielt durch diese Zuthaten allerdings eine Anzahl neuer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/372>, abgerufen am 22.12.2024.