Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band."Uebrigens ist jelck alles zu spät, nur sollen wir eine öffentliche Meinung be¬ nach das Angelegenste und Dringendste, wofür sich alle Wünsche -- und wozu sich alle Kräfte vereinigen sollten." ') "Durch welche verwünschte Combination von Umständen," schreibt Gentz 21. April, "er¬
scheint denn jetzt noch ein Aufsatz von Ihnen in dem verworfensten aller Journale, den europäischen Annalen? ... Es ist ja schlimm genug, daß die Rotte unaufhörlich Ihren mir so heiligen Namen mißbraucht, daß keiner der Buben eine seiner Mordschriften ans Licht bringt, ohne sich mit diesem Namen zu brüsten; schon schlimm genug, daß Ihre Verhältnisse Ihnen nicht gestatten, bestimmt und öffentlich Ihre Meinung über die jetzige Krisis zu sagen. Aber daß Sie auch noch vo, wrttes Isttres als Gesellschafter der Buchholze und Bülows er¬ scheinen sollen, das ist mehr als ich zu tragen vermag." -- Müllers Entschuldigung klingt fast wie Spott. „Uebrigens ist jelck alles zu spät, nur sollen wir eine öffentliche Meinung be¬ nach das Angelegenste und Dringendste, wofür sich alle Wünsche — und wozu sich alle Kräfte vereinigen sollten." ') „Durch welche verwünschte Combination von Umständen," schreibt Gentz 21. April, „er¬
scheint denn jetzt noch ein Aufsatz von Ihnen in dem verworfensten aller Journale, den europäischen Annalen? ... Es ist ja schlimm genug, daß die Rotte unaufhörlich Ihren mir so heiligen Namen mißbraucht, daß keiner der Buben eine seiner Mordschriften ans Licht bringt, ohne sich mit diesem Namen zu brüsten; schon schlimm genug, daß Ihre Verhältnisse Ihnen nicht gestatten, bestimmt und öffentlich Ihre Meinung über die jetzige Krisis zu sagen. Aber daß Sie auch noch vo, wrttes Isttres als Gesellschafter der Buchholze und Bülows er¬ scheinen sollen, das ist mehr als ich zu tragen vermag." — Müllers Entschuldigung klingt fast wie Spott. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0358" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186770"/> <p xml:id="ID_809" prev="#ID_808" next="#ID_810"> „Uebrigens ist jelck alles zu spät, nur sollen wir eine öffentliche Meinung be¬<lb/> gründen und emporhalten, und wie jener Prophete, wenn auch im Schlamm<lb/> «der Journale), das heilige Feuer bewahren. Denn die Stunde des Bona¬<lb/> parte wird auch schlagen, wenn er genug umgekehrt und ausgesogen, und aller<lb/> Welt genug gezeigt, wer er ist. nämlich ein kleiner Mensch, durch die Nieder-<lb/> geworfeuheit anderer groß, und endlich das Geld für die zehnte Wieder¬<lb/> holung der Bereicherung seiner Generale und Familie sich nicht mehr<lb/> finden, läßt. Auf den Augenblick muß man vorbereiten." — Er sucht sich<lb/> (9. Feb. 180N) wegen des geschraubtcnTons seiner neuen Schriften zu rechtfertigen:<lb/> „Geben Sie mir eine Stelle außer der Welt, so will ich gewaltiger anstoßen<lb/> . . . Mehr nicht in dieser Zubereitungszeit! so nämlich betrachte ich diese<lb/> Periode der Auflösung. Wenn alles zerlegt ist, und der Mann stirbt, so ent¬<lb/> steht eine Gährung, die sowol zu einer Palingenesie werden, als zu einer wil¬<lb/> den Unordnung und soldatischen Barbarei ausarten kann. Indeß dies ge¬<lb/> schieht, ist nur zu hindern, daß nicht allzu vieles zerstört werde und die Hoff¬<lb/> nung nicht sterbe. Auf dieses würde ich nun mich beschränken, aber der Welt<lb/> Lauf oder vielmehr des Treibens tolle Unruhe wird es nicht erlauben; er<lb/> wird so weit gehen, daß man in einiger Zeit gleichwol wird müssen Wider¬<lb/> stand versuchen." (21. Febr.) „Die Zeit, wo der Mann mit dem großen<lb/> Willen stirbt, oder ganz und gar, auch zu Hause, unerträglich wird, darf nicht<lb/> versäumt werden. Auf sie hin muß alles im Kochen bleiben, alles in solcher<lb/> Bereitschaft sein, daß die Hand der ganzen unterdrückten Welt sich ans einmal<lb/> unwiderstehlich erhebe." „Ich sage nie ein Wort über falsche literarische Urtheile.<lb/> Nicht als wäre ich so unpoleniisch. aber ich behalte meinen Eifer wider<lb/> den Tyrannen." (8. März.) Trotzdem unterhielt er mit den Franzvsensrcundcn.<lb/> namentlich Woltmann, immer noch geheime Verbindungen,*) und mehr noch<lb/> als früher tritt eine fast ängstliche Vorliebe für Rußland hervor. Gcniz<lb/> hatte eine Denkschrift an das englische Ministerium entworfen, worin er,<lb/> theils um ihre Theilnahme an den deutschen Angelegenheiten rege zu halten,<lb/> theils aber auch seiner Ueberzeugung gemäß das Verhalten Preußens mög¬<lb/> lichst zu entschuldigen, die Hauptschuld auf die Russen warf und wiederum</p><lb/> <note xml:id="FID_78" prev="#FID_77" place="foot"> nach das Angelegenste und Dringendste, wofür sich alle Wünsche — und wozu sich alle Kräfte<lb/> vereinigen sollten."</note><lb/> <note xml:id="FID_79" place="foot"> ') „Durch welche verwünschte Combination von Umständen," schreibt Gentz 21. April, „er¬<lb/> scheint denn jetzt noch ein Aufsatz von Ihnen in dem verworfensten aller Journale, den<lb/> europäischen Annalen? ... Es ist ja schlimm genug, daß die Rotte unaufhörlich Ihren<lb/> mir so heiligen Namen mißbraucht, daß keiner der Buben eine seiner Mordschriften ans Licht<lb/> bringt, ohne sich mit diesem Namen zu brüsten; schon schlimm genug, daß Ihre Verhältnisse<lb/> Ihnen nicht gestatten, bestimmt und öffentlich Ihre Meinung über die jetzige Krisis zu sagen.<lb/> Aber daß Sie auch noch vo, wrttes Isttres als Gesellschafter der Buchholze und Bülows er¬<lb/> scheinen sollen, das ist mehr als ich zu tragen vermag." — Müllers Entschuldigung klingt fast<lb/> wie Spott.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0358]
„Uebrigens ist jelck alles zu spät, nur sollen wir eine öffentliche Meinung be¬
gründen und emporhalten, und wie jener Prophete, wenn auch im Schlamm
«der Journale), das heilige Feuer bewahren. Denn die Stunde des Bona¬
parte wird auch schlagen, wenn er genug umgekehrt und ausgesogen, und aller
Welt genug gezeigt, wer er ist. nämlich ein kleiner Mensch, durch die Nieder-
geworfeuheit anderer groß, und endlich das Geld für die zehnte Wieder¬
holung der Bereicherung seiner Generale und Familie sich nicht mehr
finden, läßt. Auf den Augenblick muß man vorbereiten." — Er sucht sich
(9. Feb. 180N) wegen des geschraubtcnTons seiner neuen Schriften zu rechtfertigen:
„Geben Sie mir eine Stelle außer der Welt, so will ich gewaltiger anstoßen
. . . Mehr nicht in dieser Zubereitungszeit! so nämlich betrachte ich diese
Periode der Auflösung. Wenn alles zerlegt ist, und der Mann stirbt, so ent¬
steht eine Gährung, die sowol zu einer Palingenesie werden, als zu einer wil¬
den Unordnung und soldatischen Barbarei ausarten kann. Indeß dies ge¬
schieht, ist nur zu hindern, daß nicht allzu vieles zerstört werde und die Hoff¬
nung nicht sterbe. Auf dieses würde ich nun mich beschränken, aber der Welt
Lauf oder vielmehr des Treibens tolle Unruhe wird es nicht erlauben; er
wird so weit gehen, daß man in einiger Zeit gleichwol wird müssen Wider¬
stand versuchen." (21. Febr.) „Die Zeit, wo der Mann mit dem großen
Willen stirbt, oder ganz und gar, auch zu Hause, unerträglich wird, darf nicht
versäumt werden. Auf sie hin muß alles im Kochen bleiben, alles in solcher
Bereitschaft sein, daß die Hand der ganzen unterdrückten Welt sich ans einmal
unwiderstehlich erhebe." „Ich sage nie ein Wort über falsche literarische Urtheile.
Nicht als wäre ich so unpoleniisch. aber ich behalte meinen Eifer wider
den Tyrannen." (8. März.) Trotzdem unterhielt er mit den Franzvsensrcundcn.
namentlich Woltmann, immer noch geheime Verbindungen,*) und mehr noch
als früher tritt eine fast ängstliche Vorliebe für Rußland hervor. Gcniz
hatte eine Denkschrift an das englische Ministerium entworfen, worin er,
theils um ihre Theilnahme an den deutschen Angelegenheiten rege zu halten,
theils aber auch seiner Ueberzeugung gemäß das Verhalten Preußens mög¬
lichst zu entschuldigen, die Hauptschuld auf die Russen warf und wiederum
nach das Angelegenste und Dringendste, wofür sich alle Wünsche — und wozu sich alle Kräfte
vereinigen sollten."
') „Durch welche verwünschte Combination von Umständen," schreibt Gentz 21. April, „er¬
scheint denn jetzt noch ein Aufsatz von Ihnen in dem verworfensten aller Journale, den
europäischen Annalen? ... Es ist ja schlimm genug, daß die Rotte unaufhörlich Ihren
mir so heiligen Namen mißbraucht, daß keiner der Buben eine seiner Mordschriften ans Licht
bringt, ohne sich mit diesem Namen zu brüsten; schon schlimm genug, daß Ihre Verhältnisse
Ihnen nicht gestatten, bestimmt und öffentlich Ihre Meinung über die jetzige Krisis zu sagen.
Aber daß Sie auch noch vo, wrttes Isttres als Gesellschafter der Buchholze und Bülows er¬
scheinen sollen, das ist mehr als ich zu tragen vermag." — Müllers Entschuldigung klingt fast
wie Spott.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |