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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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"Uebrigens ist jelck alles zu spät, nur sollen wir eine öffentliche Meinung be¬
gründen und emporhalten, und wie jener Prophete, wenn auch im Schlamm
"der Journale), das heilige Feuer bewahren. Denn die Stunde des Bona¬
parte wird auch schlagen, wenn er genug umgekehrt und ausgesogen, und aller
Welt genug gezeigt, wer er ist. nämlich ein kleiner Mensch, durch die Nieder-
geworfeuheit anderer groß, und endlich das Geld für die zehnte Wieder¬
holung der Bereicherung seiner Generale und Familie sich nicht mehr
finden, läßt. Auf den Augenblick muß man vorbereiten." -- Er sucht sich
(9. Feb. 180N) wegen des geschraubtcnTons seiner neuen Schriften zu rechtfertigen:
"Geben Sie mir eine Stelle außer der Welt, so will ich gewaltiger anstoßen
. . . Mehr nicht in dieser Zubereitungszeit! so nämlich betrachte ich diese
Periode der Auflösung. Wenn alles zerlegt ist, und der Mann stirbt, so ent¬
steht eine Gährung, die sowol zu einer Palingenesie werden, als zu einer wil¬
den Unordnung und soldatischen Barbarei ausarten kann. Indeß dies ge¬
schieht, ist nur zu hindern, daß nicht allzu vieles zerstört werde und die Hoff¬
nung nicht sterbe. Auf dieses würde ich nun mich beschränken, aber der Welt
Lauf oder vielmehr des Treibens tolle Unruhe wird es nicht erlauben; er
wird so weit gehen, daß man in einiger Zeit gleichwol wird müssen Wider¬
stand versuchen." (21. Febr.) "Die Zeit, wo der Mann mit dem großen
Willen stirbt, oder ganz und gar, auch zu Hause, unerträglich wird, darf nicht
versäumt werden. Auf sie hin muß alles im Kochen bleiben, alles in solcher
Bereitschaft sein, daß die Hand der ganzen unterdrückten Welt sich ans einmal
unwiderstehlich erhebe." "Ich sage nie ein Wort über falsche literarische Urtheile.
Nicht als wäre ich so unpoleniisch. aber ich behalte meinen Eifer wider
den Tyrannen." (8. März.) Trotzdem unterhielt er mit den Franzvsensrcundcn.
namentlich Woltmann, immer noch geheime Verbindungen,*) und mehr noch
als früher tritt eine fast ängstliche Vorliebe für Rußland hervor. Gcniz
hatte eine Denkschrift an das englische Ministerium entworfen, worin er,
theils um ihre Theilnahme an den deutschen Angelegenheiten rege zu halten,
theils aber auch seiner Ueberzeugung gemäß das Verhalten Preußens mög¬
lichst zu entschuldigen, die Hauptschuld auf die Russen warf und wiederum



nach das Angelegenste und Dringendste, wofür sich alle Wünsche -- und wozu sich alle Kräfte
vereinigen sollten."
') "Durch welche verwünschte Combination von Umständen," schreibt Gentz 21. April, "er¬
scheint denn jetzt noch ein Aufsatz von Ihnen in dem verworfensten aller Journale, den
europäischen Annalen? ... Es ist ja schlimm genug, daß die Rotte unaufhörlich Ihren
mir so heiligen Namen mißbraucht, daß keiner der Buben eine seiner Mordschriften ans Licht
bringt, ohne sich mit diesem Namen zu brüsten; schon schlimm genug, daß Ihre Verhältnisse
Ihnen nicht gestatten, bestimmt und öffentlich Ihre Meinung über die jetzige Krisis zu sagen.
Aber daß Sie auch noch vo, wrttes Isttres als Gesellschafter der Buchholze und Bülows er¬
scheinen sollen, das ist mehr als ich zu tragen vermag." -- Müllers Entschuldigung klingt fast
wie Spott.

„Uebrigens ist jelck alles zu spät, nur sollen wir eine öffentliche Meinung be¬
gründen und emporhalten, und wie jener Prophete, wenn auch im Schlamm
«der Journale), das heilige Feuer bewahren. Denn die Stunde des Bona¬
parte wird auch schlagen, wenn er genug umgekehrt und ausgesogen, und aller
Welt genug gezeigt, wer er ist. nämlich ein kleiner Mensch, durch die Nieder-
geworfeuheit anderer groß, und endlich das Geld für die zehnte Wieder¬
holung der Bereicherung seiner Generale und Familie sich nicht mehr
finden, läßt. Auf den Augenblick muß man vorbereiten." — Er sucht sich
(9. Feb. 180N) wegen des geschraubtcnTons seiner neuen Schriften zu rechtfertigen:
„Geben Sie mir eine Stelle außer der Welt, so will ich gewaltiger anstoßen
. . . Mehr nicht in dieser Zubereitungszeit! so nämlich betrachte ich diese
Periode der Auflösung. Wenn alles zerlegt ist, und der Mann stirbt, so ent¬
steht eine Gährung, die sowol zu einer Palingenesie werden, als zu einer wil¬
den Unordnung und soldatischen Barbarei ausarten kann. Indeß dies ge¬
schieht, ist nur zu hindern, daß nicht allzu vieles zerstört werde und die Hoff¬
nung nicht sterbe. Auf dieses würde ich nun mich beschränken, aber der Welt
Lauf oder vielmehr des Treibens tolle Unruhe wird es nicht erlauben; er
wird so weit gehen, daß man in einiger Zeit gleichwol wird müssen Wider¬
stand versuchen." (21. Febr.) „Die Zeit, wo der Mann mit dem großen
Willen stirbt, oder ganz und gar, auch zu Hause, unerträglich wird, darf nicht
versäumt werden. Auf sie hin muß alles im Kochen bleiben, alles in solcher
Bereitschaft sein, daß die Hand der ganzen unterdrückten Welt sich ans einmal
unwiderstehlich erhebe." „Ich sage nie ein Wort über falsche literarische Urtheile.
Nicht als wäre ich so unpoleniisch. aber ich behalte meinen Eifer wider
den Tyrannen." (8. März.) Trotzdem unterhielt er mit den Franzvsensrcundcn.
namentlich Woltmann, immer noch geheime Verbindungen,*) und mehr noch
als früher tritt eine fast ängstliche Vorliebe für Rußland hervor. Gcniz
hatte eine Denkschrift an das englische Ministerium entworfen, worin er,
theils um ihre Theilnahme an den deutschen Angelegenheiten rege zu halten,
theils aber auch seiner Ueberzeugung gemäß das Verhalten Preußens mög¬
lichst zu entschuldigen, die Hauptschuld auf die Russen warf und wiederum



nach das Angelegenste und Dringendste, wofür sich alle Wünsche — und wozu sich alle Kräfte
vereinigen sollten."
') „Durch welche verwünschte Combination von Umständen," schreibt Gentz 21. April, „er¬
scheint denn jetzt noch ein Aufsatz von Ihnen in dem verworfensten aller Journale, den
europäischen Annalen? ... Es ist ja schlimm genug, daß die Rotte unaufhörlich Ihren
mir so heiligen Namen mißbraucht, daß keiner der Buben eine seiner Mordschriften ans Licht
bringt, ohne sich mit diesem Namen zu brüsten; schon schlimm genug, daß Ihre Verhältnisse
Ihnen nicht gestatten, bestimmt und öffentlich Ihre Meinung über die jetzige Krisis zu sagen.
Aber daß Sie auch noch vo, wrttes Isttres als Gesellschafter der Buchholze und Bülows er¬
scheinen sollen, das ist mehr als ich zu tragen vermag." — Müllers Entschuldigung klingt fast
wie Spott.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/358>, abgerufen am 22.12.2024.