Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.möchte ich dem Welttyranncn nie; mein Blut aber gäbe ich, geschweige Von da beginnen Gentz' Berichte über den östreichisch-französischen Krieg, möchte ich dem Welttyranncn nie; mein Blut aber gäbe ich, geschweige Von da beginnen Gentz' Berichte über den östreichisch-französischen Krieg, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186763"/> <p xml:id="ID_799" prev="#ID_798"> möchte ich dem Welttyranncn nie; mein Blut aber gäbe ich, geschweige<lb/> meine Ideen und Gefühle, den Befreiern der Erde/' „Jetzt gedenke man<lb/> keines Feindes als des allgemeinen und seiner mit Ruhe unvereinbarlichen Re¬<lb/> gierung. Auf den allein, auf den errege, ergieße man allen Haß, durch die<lb/> volle Ueberzeugung, daß dem Frieden der Welt niemand als seine Existenz<lb/> zuwider sei." „Alle unsre Studien, unsre Perbindungen, unsre Freundschaften,<lb/> alles sei dem einigen Zweck, geweiht, um dessenwillen allein, so lang er noch<lb/> erreichbar sein mag, das Leben der Mühe werth ist." „Man hat nicht mehr<lb/> Zeit, an entferntere, wenn auch gute, schone Sachen zu denken; man wirft<lb/> sich das Bücherschwelgen vor wie einen Rausch, getrunken zu einer Zeit, wo<lb/> man im Rath sein sollte." „Die Station wird am besten fahren, bei der in<lb/> den Individuen das Meiste liegt. Jeder wird in diesem oder in jenem Welt-<lb/> theil, jeder bei Gründung eines neuen Vaterlandes oder bei Anlaß der Blut¬<lb/> rache des neuen sich herrlich zeigen . . Dies ist so gewiß, daß, da res die<lb/> Hoffnung beinahe aufgab, zu erleben, daß unsre Staaten selbst noch in Zeiten<lb/> zum Selbstgefühl erwachen würden, ich mir zum Lebenszweck machte, ohne<lb/> einige Rücksicht auf sie nur allein die Individualitäten künftig zu bearbeiten,<lb/> um dem Weltreich des Tyrannen böse Unterthanen, um andern Welttheilen<lb/> ein tüchtiges Geschlecht zu bereiten."</p><lb/> <p xml:id="ID_800" next="#ID_801"> Von da beginnen Gentz' Berichte über den östreichisch-französischen Krieg,<lb/> das ehrenvollste Zeugniß für die Gestunung und den Charakter des Brief,<lb/> Stellers. Gentz gehörte von 1812 bis an seinen Tod zu den entschiedensten<lb/> Gegnern des Liberalismus in Deutschland, in einer Zeit, wo der Liberalis¬<lb/> mus populärer war als jetzt. Der üble Ruf, in den er dadurch kam, wurde<lb/> noch durch die Einsicht in die ausschweifende Liederlichkeit und den Leichtsinn<lb/> seiner frühern Jahre genährt, ein Leichtsinn, der in der That alle Begriffe<lb/> übersteigt, deu man aber doch bei Fox und Mirabeau nachsichtiger beurtheilt<lb/> hat. Am meisten haben ihm die Briefe an Nadel geschadet. Er nennt sich<lb/> in diesen Briefen das erste aller Weiber, höllisch blasirt, teuflisch kalt u. s. w.<lb/> kurz man kann sich kaum eine Injurie denken, die er sich nicht selbst sagte.<lb/> Auf diese Einfälle hat man aber einen zu großen Werth gelegt. Zunächst<lb/> muß man seine Neigung zu Superlativen abrechnen; die Hauptsache aber ist,<lb/> daß jene geistvolle Frau mit ihrer Neigung zu Paradoxien alle ihre Korre¬<lb/> spondenten veranlaßte, Worte miteinander zu combiniren, die nicht zusammen<lb/> gehören. Keiner war dieser Verführung so ausgesetzt als Gentz, der mit<lb/> seinem großen geselligen Talent die Neigung verband, sich stets -in der Sprache<lb/> derer auszudrücken, mit denen er verkehrte. Rahel hatte ihm durch den „schö¬<lb/> nen Ekel" so imponirt, daß er sie nothwendig überbieten mußte und dabei<lb/> kam es ihm auf einen Grad mehr oder weniger nicht an. Er ist aber in<lb/> keinem Augenblick seines Lebens blasirt gewesen, am wenigsten in der Zeil</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
möchte ich dem Welttyranncn nie; mein Blut aber gäbe ich, geschweige
meine Ideen und Gefühle, den Befreiern der Erde/' „Jetzt gedenke man
keines Feindes als des allgemeinen und seiner mit Ruhe unvereinbarlichen Re¬
gierung. Auf den allein, auf den errege, ergieße man allen Haß, durch die
volle Ueberzeugung, daß dem Frieden der Welt niemand als seine Existenz
zuwider sei." „Alle unsre Studien, unsre Perbindungen, unsre Freundschaften,
alles sei dem einigen Zweck, geweiht, um dessenwillen allein, so lang er noch
erreichbar sein mag, das Leben der Mühe werth ist." „Man hat nicht mehr
Zeit, an entferntere, wenn auch gute, schone Sachen zu denken; man wirft
sich das Bücherschwelgen vor wie einen Rausch, getrunken zu einer Zeit, wo
man im Rath sein sollte." „Die Station wird am besten fahren, bei der in
den Individuen das Meiste liegt. Jeder wird in diesem oder in jenem Welt-
theil, jeder bei Gründung eines neuen Vaterlandes oder bei Anlaß der Blut¬
rache des neuen sich herrlich zeigen . . Dies ist so gewiß, daß, da res die
Hoffnung beinahe aufgab, zu erleben, daß unsre Staaten selbst noch in Zeiten
zum Selbstgefühl erwachen würden, ich mir zum Lebenszweck machte, ohne
einige Rücksicht auf sie nur allein die Individualitäten künftig zu bearbeiten,
um dem Weltreich des Tyrannen böse Unterthanen, um andern Welttheilen
ein tüchtiges Geschlecht zu bereiten."
Von da beginnen Gentz' Berichte über den östreichisch-französischen Krieg,
das ehrenvollste Zeugniß für die Gestunung und den Charakter des Brief,
Stellers. Gentz gehörte von 1812 bis an seinen Tod zu den entschiedensten
Gegnern des Liberalismus in Deutschland, in einer Zeit, wo der Liberalis¬
mus populärer war als jetzt. Der üble Ruf, in den er dadurch kam, wurde
noch durch die Einsicht in die ausschweifende Liederlichkeit und den Leichtsinn
seiner frühern Jahre genährt, ein Leichtsinn, der in der That alle Begriffe
übersteigt, deu man aber doch bei Fox und Mirabeau nachsichtiger beurtheilt
hat. Am meisten haben ihm die Briefe an Nadel geschadet. Er nennt sich
in diesen Briefen das erste aller Weiber, höllisch blasirt, teuflisch kalt u. s. w.
kurz man kann sich kaum eine Injurie denken, die er sich nicht selbst sagte.
Auf diese Einfälle hat man aber einen zu großen Werth gelegt. Zunächst
muß man seine Neigung zu Superlativen abrechnen; die Hauptsache aber ist,
daß jene geistvolle Frau mit ihrer Neigung zu Paradoxien alle ihre Korre¬
spondenten veranlaßte, Worte miteinander zu combiniren, die nicht zusammen
gehören. Keiner war dieser Verführung so ausgesetzt als Gentz, der mit
seinem großen geselligen Talent die Neigung verband, sich stets -in der Sprache
derer auszudrücken, mit denen er verkehrte. Rahel hatte ihm durch den „schö¬
nen Ekel" so imponirt, daß er sie nothwendig überbieten mußte und dabei
kam es ihm auf einen Grad mehr oder weniger nicht an. Er ist aber in
keinem Augenblick seines Lebens blasirt gewesen, am wenigsten in der Zeil
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