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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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vertheilte Summe dazu dienen, die erlittenen Werthverminderungen zu decken
. . . Dieses vorsichtige Verfahren wird künftig die Kommentare und Muthmaßun¬
gen über diese Dividende vermeiden/' Ganz gewiß, so bald es mit den
Dividenden vorbei ist, wird auch jede Speculation über die Höhe derselben
müßig sein. Vom gewöhnlichen Menschenverstand aus betrachtet liegt in
einer solchen Sprache allerdings eine außerordentliche Keckheit, um bei diesem
gelinden Wort stehen zu bleiben. Bon der Sache selbst verstehen die Actio-
näre nichts, es ist dies ihnen erst eben und zwar mit vollem Recht gesagt
worden, an der Verwaltung nehmen sie nicht Theil, die Zinsen oder Divi¬
denden bestimmen den Werth ihrer Actien, also eines Vermögenstheils, gleich¬
viel ob sie sie fest anlegen oder wieder verlausen wollen; und dennoch -- die
bloße bescheidene Frage, die Muthmaßung über die Dividende, sie ist unge¬
hörig, fast so ungehörig, wie die Erkundigung nach dem Segen der kaiser¬
lichen Verwaltung. Hohe Dividenden zu vermuthen, als solche in frühern Jah¬
ren in Aussicht standen, war dem Actionär gestattet; eine Dividende aber zu
vermuthen, wo es keine geben sollte, oder keine zu vermuthen, wo es eine
hätte geben können, wenn sie auch nicht gegeben wird, aus purer Gewissen¬
haftigkeit nicht gegeben wird, das ist ein Veweis schlechter Gesinnung, wie
er nicht ferner geduldet werden darf. Ihr sches, ihr Actionäre, nur euer
eignes Beste war es, als vor vierzehn Tagen der Moniteur der schlechten
Presse es verbot, durch Muthmaßungen über Zinsenerträge euch irre zu führen.
Es sollte ja eben nichts aus den Zinsen werden.

Wie es nun allenthalben schlechte Menschen gibt, so waren auch solche
in Paris, die folgendermaßen raisonnirtein die Verwaltung berichtet von
einem Gewinn, der groß genug ist, um 7 Pet. unter die Actionäre zu ver¬
theilen, also muß sie ihn vertheilen. Wir haben gar kein Interesse dabei,
daß das, was uns, deu gegenwärtigen Actieninhabern eigentlich gebührt,
unsern Nachfolgern, den Inhabern des nächsten Jahres z" Gute kommt, daß
das Jahr 1858 auf Kosten des Jahres 1857 gewinne. Man kann diesen
Gedankengang gar nicht so unrichtig finden, besonders wenn man bedenkt,
daß es beim (Lrcdit-Mobilier auf festen Actienbesitz zu allerletzt abgesehen war.
Jene Actionäre waren auch von ihrem Recht so überzeugt, daß sie schon vor¬
hatten, vor Gericht zu gehen; aber sie konnten es nicht, denn "die franzö¬
sische Magistratur uinunt keine Klagen auf Actiengewmu an." Scheinheilige
Prüderie! Das neue Frankreich errichtet mit hoher kaiserlicher Bewilligung dem
Acticnhandel Altäre und Tempel, die Gerichte bestrafen keinen darüber, aber
wenn er zu ihnen kommt, um sich den aus einer erlaubten Handlung erwor¬
benen Gewinn zu sichern, dann sagen sie: geh weg von uns, du bist ein
unmoralischer Mensch. Und so werden natürlich die größten Spitzbuben >n
Wortbruch und Betrug am meisten geschützt.


Grenzboten II. 1808. ^

vertheilte Summe dazu dienen, die erlittenen Werthverminderungen zu decken
. . . Dieses vorsichtige Verfahren wird künftig die Kommentare und Muthmaßun¬
gen über diese Dividende vermeiden/' Ganz gewiß, so bald es mit den
Dividenden vorbei ist, wird auch jede Speculation über die Höhe derselben
müßig sein. Vom gewöhnlichen Menschenverstand aus betrachtet liegt in
einer solchen Sprache allerdings eine außerordentliche Keckheit, um bei diesem
gelinden Wort stehen zu bleiben. Bon der Sache selbst verstehen die Actio-
näre nichts, es ist dies ihnen erst eben und zwar mit vollem Recht gesagt
worden, an der Verwaltung nehmen sie nicht Theil, die Zinsen oder Divi¬
denden bestimmen den Werth ihrer Actien, also eines Vermögenstheils, gleich¬
viel ob sie sie fest anlegen oder wieder verlausen wollen; und dennoch — die
bloße bescheidene Frage, die Muthmaßung über die Dividende, sie ist unge¬
hörig, fast so ungehörig, wie die Erkundigung nach dem Segen der kaiser¬
lichen Verwaltung. Hohe Dividenden zu vermuthen, als solche in frühern Jah¬
ren in Aussicht standen, war dem Actionär gestattet; eine Dividende aber zu
vermuthen, wo es keine geben sollte, oder keine zu vermuthen, wo es eine
hätte geben können, wenn sie auch nicht gegeben wird, aus purer Gewissen¬
haftigkeit nicht gegeben wird, das ist ein Veweis schlechter Gesinnung, wie
er nicht ferner geduldet werden darf. Ihr sches, ihr Actionäre, nur euer
eignes Beste war es, als vor vierzehn Tagen der Moniteur der schlechten
Presse es verbot, durch Muthmaßungen über Zinsenerträge euch irre zu führen.
Es sollte ja eben nichts aus den Zinsen werden.

Wie es nun allenthalben schlechte Menschen gibt, so waren auch solche
in Paris, die folgendermaßen raisonnirtein die Verwaltung berichtet von
einem Gewinn, der groß genug ist, um 7 Pet. unter die Actionäre zu ver¬
theilen, also muß sie ihn vertheilen. Wir haben gar kein Interesse dabei,
daß das, was uns, deu gegenwärtigen Actieninhabern eigentlich gebührt,
unsern Nachfolgern, den Inhabern des nächsten Jahres z» Gute kommt, daß
das Jahr 1858 auf Kosten des Jahres 1857 gewinne. Man kann diesen
Gedankengang gar nicht so unrichtig finden, besonders wenn man bedenkt,
daß es beim (Lrcdit-Mobilier auf festen Actienbesitz zu allerletzt abgesehen war.
Jene Actionäre waren auch von ihrem Recht so überzeugt, daß sie schon vor¬
hatten, vor Gericht zu gehen; aber sie konnten es nicht, denn „die franzö¬
sische Magistratur uinunt keine Klagen auf Actiengewmu an." Scheinheilige
Prüderie! Das neue Frankreich errichtet mit hoher kaiserlicher Bewilligung dem
Acticnhandel Altäre und Tempel, die Gerichte bestrafen keinen darüber, aber
wenn er zu ihnen kommt, um sich den aus einer erlaubten Handlung erwor¬
benen Gewinn zu sichern, dann sagen sie: geh weg von uns, du bist ein
unmoralischer Mensch. Und so werden natürlich die größten Spitzbuben >n
Wortbruch und Betrug am meisten geschützt.


Grenzboten II. 1808. ^
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[0345] vertheilte Summe dazu dienen, die erlittenen Werthverminderungen zu decken . . . Dieses vorsichtige Verfahren wird künftig die Kommentare und Muthmaßun¬ gen über diese Dividende vermeiden/' Ganz gewiß, so bald es mit den Dividenden vorbei ist, wird auch jede Speculation über die Höhe derselben müßig sein. Vom gewöhnlichen Menschenverstand aus betrachtet liegt in einer solchen Sprache allerdings eine außerordentliche Keckheit, um bei diesem gelinden Wort stehen zu bleiben. Bon der Sache selbst verstehen die Actio- näre nichts, es ist dies ihnen erst eben und zwar mit vollem Recht gesagt worden, an der Verwaltung nehmen sie nicht Theil, die Zinsen oder Divi¬ denden bestimmen den Werth ihrer Actien, also eines Vermögenstheils, gleich¬ viel ob sie sie fest anlegen oder wieder verlausen wollen; und dennoch — die bloße bescheidene Frage, die Muthmaßung über die Dividende, sie ist unge¬ hörig, fast so ungehörig, wie die Erkundigung nach dem Segen der kaiser¬ lichen Verwaltung. Hohe Dividenden zu vermuthen, als solche in frühern Jah¬ ren in Aussicht standen, war dem Actionär gestattet; eine Dividende aber zu vermuthen, wo es keine geben sollte, oder keine zu vermuthen, wo es eine hätte geben können, wenn sie auch nicht gegeben wird, aus purer Gewissen¬ haftigkeit nicht gegeben wird, das ist ein Veweis schlechter Gesinnung, wie er nicht ferner geduldet werden darf. Ihr sches, ihr Actionäre, nur euer eignes Beste war es, als vor vierzehn Tagen der Moniteur der schlechten Presse es verbot, durch Muthmaßungen über Zinsenerträge euch irre zu führen. Es sollte ja eben nichts aus den Zinsen werden. Wie es nun allenthalben schlechte Menschen gibt, so waren auch solche in Paris, die folgendermaßen raisonnirtein die Verwaltung berichtet von einem Gewinn, der groß genug ist, um 7 Pet. unter die Actionäre zu ver¬ theilen, also muß sie ihn vertheilen. Wir haben gar kein Interesse dabei, daß das, was uns, deu gegenwärtigen Actieninhabern eigentlich gebührt, unsern Nachfolgern, den Inhabern des nächsten Jahres z» Gute kommt, daß das Jahr 1858 auf Kosten des Jahres 1857 gewinne. Man kann diesen Gedankengang gar nicht so unrichtig finden, besonders wenn man bedenkt, daß es beim (Lrcdit-Mobilier auf festen Actienbesitz zu allerletzt abgesehen war. Jene Actionäre waren auch von ihrem Recht so überzeugt, daß sie schon vor¬ hatten, vor Gericht zu gehen; aber sie konnten es nicht, denn „die franzö¬ sische Magistratur uinunt keine Klagen auf Actiengewmu an." Scheinheilige Prüderie! Das neue Frankreich errichtet mit hoher kaiserlicher Bewilligung dem Acticnhandel Altäre und Tempel, die Gerichte bestrafen keinen darüber, aber wenn er zu ihnen kommt, um sich den aus einer erlaubten Handlung erwor¬ benen Gewinn zu sichern, dann sagen sie: geh weg von uns, du bist ein unmoralischer Mensch. Und so werden natürlich die größten Spitzbuben >n Wortbruch und Betrug am meisten geschützt. Grenzboten II. 1808. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/345>, abgerufen am 22.12.2024.