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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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viel Spielraum gelassen. Wir kennen z. B. das Vermächtnis; einer Catia
Macrina in Termcina, welche zum Andenken an ihren verstorbenen Sohn der
Gemeinde etwa 70,000 Thaler vermachte, von denen hundert Kinder eine
monatliche Unterstützung statt Getreide, die Knaben fünf, die Mädchen vier
Denare erhalten sollten. Plinius der jüngere schenkte seiner Vaterstadt Como
ungefähr 35,000 Thaler zu demselben Zweck, in seinem Testamente fügte er
noch etwa 21,000 hinzu. Leider existirt von der Inschrift, die seine Stif¬
tungen für Como aufzählt, nur noch ein Fragment ldas in den Sarkophag
des Königs Lothar eingelassen ist): es befanden sich darunter auch große
Summen für die öffentlichen Thermen, für eine Bewirthung der Bürgerschaft
und etwa 7000 Thaler für die Instandhaltung der Stadtbibliothek. Nächst¬
em war die Sorge für Erziehung und Schulwesen ein würdiger Gegenstand
für die Munificenz der reichen Bürger in den Municipien. Plinius schreibt
an den Geschichtschreiber Tacitus, bei seiner letzten Anwesenheit in seiner
Geburtsstadt Como habe ihn ein junger Landsmann in Begleitung seines
Vaters besucht. Studirst du? fragte ich. Ja. Wo? In Mailand. Warum
nicht hier? Weil wir keinen Lehrer haben. Plinius stellt nun den an¬
wesenden Vätern vor, wie viel besser es wäre, wenn ihre Söhne in Como in
die Schule gingen. Das Leben sei für sie angenehmer, die Aufsicht leichter,
die Kosten geringer. Man mochte das Geld, das man auf Reisen und Woh¬
nungen an einen fremden Ort verwende, zur Besoldung von Lehrern in der
Stadt selbst zusammenlegen. Er selbst, obwol kinderlos, wolle den dritten
Theil der zusammengelegten Summe beisteuern, und würde das Ganze geben,
wenn er nicht glaubte, daß die Väter größere Sorgfalt aus die Wahl eines
Lehrers verwenden würden, zu dessen Besoldung sie selbst beitrügen, als bei
der Disposition über el" fremdes Capital. Er eröffnet ihnen die Aussicht,
daß, während jetzt die Comenser auswärts studirten, künftig die jungen Leute
aus der Umgegend nach Como strömen würden. Schließlich bittet er Taci¬
tus, ihm ewige vou den jüngern Männern zu empfehlen, die sich zu ihrer
Ausbildung an ihn angeschlossen hätten, woraus er den Eltern die Wahl
überlassen und selbst nur die Kosten tragen wolle.

Die reichen Honoratioren der italienischen Municipien, die in so um¬
fassender Weise für den Nutzen und das Vergnügen ihrer Mitbürger sorgten,
erhielten, wie schon bemerkt, keinen andern Lohn für diese Bemühungen als
die Ehre. Hin und wieder beschloß eine Gemeinde, in das Haus eines
verdienten Mannes aus der öffentlichen Wasserleitung eine fingerbreite Röhre
leiten zu lassen oder kaufte ihm ein Grundstück. Gewöhnlich aber votirte
man nur Adressen und Statuen, oder Communalämter und -Würden, die
nicht nur nie mit Einkommen, sondern immer mit Kosten verknüpft waren;
doch wurde ausnahmsweise und ehrenhalber oft das beim Eintritt in das


viel Spielraum gelassen. Wir kennen z. B. das Vermächtnis; einer Catia
Macrina in Termcina, welche zum Andenken an ihren verstorbenen Sohn der
Gemeinde etwa 70,000 Thaler vermachte, von denen hundert Kinder eine
monatliche Unterstützung statt Getreide, die Knaben fünf, die Mädchen vier
Denare erhalten sollten. Plinius der jüngere schenkte seiner Vaterstadt Como
ungefähr 35,000 Thaler zu demselben Zweck, in seinem Testamente fügte er
noch etwa 21,000 hinzu. Leider existirt von der Inschrift, die seine Stif¬
tungen für Como aufzählt, nur noch ein Fragment ldas in den Sarkophag
des Königs Lothar eingelassen ist): es befanden sich darunter auch große
Summen für die öffentlichen Thermen, für eine Bewirthung der Bürgerschaft
und etwa 7000 Thaler für die Instandhaltung der Stadtbibliothek. Nächst¬
em war die Sorge für Erziehung und Schulwesen ein würdiger Gegenstand
für die Munificenz der reichen Bürger in den Municipien. Plinius schreibt
an den Geschichtschreiber Tacitus, bei seiner letzten Anwesenheit in seiner
Geburtsstadt Como habe ihn ein junger Landsmann in Begleitung seines
Vaters besucht. Studirst du? fragte ich. Ja. Wo? In Mailand. Warum
nicht hier? Weil wir keinen Lehrer haben. Plinius stellt nun den an¬
wesenden Vätern vor, wie viel besser es wäre, wenn ihre Söhne in Como in
die Schule gingen. Das Leben sei für sie angenehmer, die Aufsicht leichter,
die Kosten geringer. Man mochte das Geld, das man auf Reisen und Woh¬
nungen an einen fremden Ort verwende, zur Besoldung von Lehrern in der
Stadt selbst zusammenlegen. Er selbst, obwol kinderlos, wolle den dritten
Theil der zusammengelegten Summe beisteuern, und würde das Ganze geben,
wenn er nicht glaubte, daß die Väter größere Sorgfalt aus die Wahl eines
Lehrers verwenden würden, zu dessen Besoldung sie selbst beitrügen, als bei
der Disposition über el» fremdes Capital. Er eröffnet ihnen die Aussicht,
daß, während jetzt die Comenser auswärts studirten, künftig die jungen Leute
aus der Umgegend nach Como strömen würden. Schließlich bittet er Taci¬
tus, ihm ewige vou den jüngern Männern zu empfehlen, die sich zu ihrer
Ausbildung an ihn angeschlossen hätten, woraus er den Eltern die Wahl
überlassen und selbst nur die Kosten tragen wolle.

Die reichen Honoratioren der italienischen Municipien, die in so um¬
fassender Weise für den Nutzen und das Vergnügen ihrer Mitbürger sorgten,
erhielten, wie schon bemerkt, keinen andern Lohn für diese Bemühungen als
die Ehre. Hin und wieder beschloß eine Gemeinde, in das Haus eines
verdienten Mannes aus der öffentlichen Wasserleitung eine fingerbreite Röhre
leiten zu lassen oder kaufte ihm ein Grundstück. Gewöhnlich aber votirte
man nur Adressen und Statuen, oder Communalämter und -Würden, die
nicht nur nie mit Einkommen, sondern immer mit Kosten verknüpft waren;
doch wurde ausnahmsweise und ehrenhalber oft das beim Eintritt in das


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[0340] viel Spielraum gelassen. Wir kennen z. B. das Vermächtnis; einer Catia Macrina in Termcina, welche zum Andenken an ihren verstorbenen Sohn der Gemeinde etwa 70,000 Thaler vermachte, von denen hundert Kinder eine monatliche Unterstützung statt Getreide, die Knaben fünf, die Mädchen vier Denare erhalten sollten. Plinius der jüngere schenkte seiner Vaterstadt Como ungefähr 35,000 Thaler zu demselben Zweck, in seinem Testamente fügte er noch etwa 21,000 hinzu. Leider existirt von der Inschrift, die seine Stif¬ tungen für Como aufzählt, nur noch ein Fragment ldas in den Sarkophag des Königs Lothar eingelassen ist): es befanden sich darunter auch große Summen für die öffentlichen Thermen, für eine Bewirthung der Bürgerschaft und etwa 7000 Thaler für die Instandhaltung der Stadtbibliothek. Nächst¬ em war die Sorge für Erziehung und Schulwesen ein würdiger Gegenstand für die Munificenz der reichen Bürger in den Municipien. Plinius schreibt an den Geschichtschreiber Tacitus, bei seiner letzten Anwesenheit in seiner Geburtsstadt Como habe ihn ein junger Landsmann in Begleitung seines Vaters besucht. Studirst du? fragte ich. Ja. Wo? In Mailand. Warum nicht hier? Weil wir keinen Lehrer haben. Plinius stellt nun den an¬ wesenden Vätern vor, wie viel besser es wäre, wenn ihre Söhne in Como in die Schule gingen. Das Leben sei für sie angenehmer, die Aufsicht leichter, die Kosten geringer. Man mochte das Geld, das man auf Reisen und Woh¬ nungen an einen fremden Ort verwende, zur Besoldung von Lehrern in der Stadt selbst zusammenlegen. Er selbst, obwol kinderlos, wolle den dritten Theil der zusammengelegten Summe beisteuern, und würde das Ganze geben, wenn er nicht glaubte, daß die Väter größere Sorgfalt aus die Wahl eines Lehrers verwenden würden, zu dessen Besoldung sie selbst beitrügen, als bei der Disposition über el» fremdes Capital. Er eröffnet ihnen die Aussicht, daß, während jetzt die Comenser auswärts studirten, künftig die jungen Leute aus der Umgegend nach Como strömen würden. Schließlich bittet er Taci¬ tus, ihm ewige vou den jüngern Männern zu empfehlen, die sich zu ihrer Ausbildung an ihn angeschlossen hätten, woraus er den Eltern die Wahl überlassen und selbst nur die Kosten tragen wolle. Die reichen Honoratioren der italienischen Municipien, die in so um¬ fassender Weise für den Nutzen und das Vergnügen ihrer Mitbürger sorgten, erhielten, wie schon bemerkt, keinen andern Lohn für diese Bemühungen als die Ehre. Hin und wieder beschloß eine Gemeinde, in das Haus eines verdienten Mannes aus der öffentlichen Wasserleitung eine fingerbreite Röhre leiten zu lassen oder kaufte ihm ein Grundstück. Gewöhnlich aber votirte man nur Adressen und Statuen, oder Communalämter und -Würden, die nicht nur nie mit Einkommen, sondern immer mit Kosten verknüpft waren; doch wurde ausnahmsweise und ehrenhalber oft das beim Eintritt in das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/340>, abgerufen am 22.12.2024.