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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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wo sie die alte Schule gesucht hat. in der Nachschöpfung der Ideale anderer
Völker und Zeiten. Wenn die griechische Kunst es sich zur Aufgabe sehen
konnte, die ihr bekannten Naturkräfte zu personificiren und einen Olymp zu
schaffen, in welchen sie ihre großen Männer als Halbgötter und Heroen ver¬
senke, so war sie in ihrem vollen Recht, grade so wie wenn die Kunst des
Mittelalters die höchsten Formen für das christliche Bewußtsein fand. Es ist
aber eine bloße romantische Grille, wenn sich die moderne Kunst noch ein¬
mal an die Lösung dieser schon gelösten Aufgaben macht, da sie die Vor¬
gänger voraussichtlich nie erreichen, geschweige denn übertreffen wird. Wir
haben die von unsrer Zeit erforschten und entdeckten Gebiete und Kräfte der
Natur zu personificiren, mit ihnen einen Olymp zu schaffen, unsrer Helden
und Halbgöttergeschichte zu schreiben und zu malen. Es sind dieß keine
andern, als tue großen Gesetzgeber im Reiche des modernen deutschen Geistes,
die Luther, Friedrich der Große, Lessing, Goethe, Schiller. Mozart. Beethoven,
kurz die Schöpfer unserer Cultur, sie werden den Olymp der deutschen rea¬
listischen Kunst zu bilden haben, und das Ringen nach politischer und reli¬
giöser Freiheit wird der Mittelpunkt der idealen Gedanken sein, wie das
Christenthum es im Mittelalter war.




Aus der römische" Kniserzeit.
Die Frauen,
t.

Schilderungen aus dem Leben der Frauen Roms in der Kaiserzeit können
nach der Natur unserer Quellen nur sehr fragmentarisch sein; überdies sind
sie ganz und gar auf die Frauen der höhern Stände beschränkt, da wir über
den Mittelstand (so weit im kaiserlichen Rom ein solcher existirte) überhaupt
sehr wenig unterrichtet sind, und über die Zustände der untern Classen nichts
als allgemeine Andeutungen besitzen. Wir bemerken noch, daß wir bei diesen
wie bei alten ähnlichen Schilderungen hauptsächlich die Zeit von August bis
zum Ausgang der Antonine im Auge haben.

Der Mädchenstand der römischen Frauen war kurz; kaum dem Kindes¬
alter entwachsen wurden sie schon verlobt und vermählt. Um die Wiege der
Kleinen waren Mutter, Großmutter, Tanten und Wärterinnen mit zärtlichen
Sorgen und Wünschen geschäftig. Ging die Mutter mit dem Kinde auf dem
Arm um einem Tempel der Venus vorüber, so murmelte sie ein inbrünstiges
Gebet, die Göttin möchte ihrem Töchterchen Schönheit verleihen. Der Aber-


wo sie die alte Schule gesucht hat. in der Nachschöpfung der Ideale anderer
Völker und Zeiten. Wenn die griechische Kunst es sich zur Aufgabe sehen
konnte, die ihr bekannten Naturkräfte zu personificiren und einen Olymp zu
schaffen, in welchen sie ihre großen Männer als Halbgötter und Heroen ver¬
senke, so war sie in ihrem vollen Recht, grade so wie wenn die Kunst des
Mittelalters die höchsten Formen für das christliche Bewußtsein fand. Es ist
aber eine bloße romantische Grille, wenn sich die moderne Kunst noch ein¬
mal an die Lösung dieser schon gelösten Aufgaben macht, da sie die Vor¬
gänger voraussichtlich nie erreichen, geschweige denn übertreffen wird. Wir
haben die von unsrer Zeit erforschten und entdeckten Gebiete und Kräfte der
Natur zu personificiren, mit ihnen einen Olymp zu schaffen, unsrer Helden
und Halbgöttergeschichte zu schreiben und zu malen. Es sind dieß keine
andern, als tue großen Gesetzgeber im Reiche des modernen deutschen Geistes,
die Luther, Friedrich der Große, Lessing, Goethe, Schiller. Mozart. Beethoven,
kurz die Schöpfer unserer Cultur, sie werden den Olymp der deutschen rea¬
listischen Kunst zu bilden haben, und das Ringen nach politischer und reli¬
giöser Freiheit wird der Mittelpunkt der idealen Gedanken sein, wie das
Christenthum es im Mittelalter war.




Aus der römische» Kniserzeit.
Die Frauen,
t.

Schilderungen aus dem Leben der Frauen Roms in der Kaiserzeit können
nach der Natur unserer Quellen nur sehr fragmentarisch sein; überdies sind
sie ganz und gar auf die Frauen der höhern Stände beschränkt, da wir über
den Mittelstand (so weit im kaiserlichen Rom ein solcher existirte) überhaupt
sehr wenig unterrichtet sind, und über die Zustände der untern Classen nichts
als allgemeine Andeutungen besitzen. Wir bemerken noch, daß wir bei diesen
wie bei alten ähnlichen Schilderungen hauptsächlich die Zeit von August bis
zum Ausgang der Antonine im Auge haben.

Der Mädchenstand der römischen Frauen war kurz; kaum dem Kindes¬
alter entwachsen wurden sie schon verlobt und vermählt. Um die Wiege der
Kleinen waren Mutter, Großmutter, Tanten und Wärterinnen mit zärtlichen
Sorgen und Wünschen geschäftig. Ging die Mutter mit dem Kinde auf dem
Arm um einem Tempel der Venus vorüber, so murmelte sie ein inbrünstiges
Gebet, die Göttin möchte ihrem Töchterchen Schönheit verleihen. Der Aber-


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[0034] wo sie die alte Schule gesucht hat. in der Nachschöpfung der Ideale anderer Völker und Zeiten. Wenn die griechische Kunst es sich zur Aufgabe sehen konnte, die ihr bekannten Naturkräfte zu personificiren und einen Olymp zu schaffen, in welchen sie ihre großen Männer als Halbgötter und Heroen ver¬ senke, so war sie in ihrem vollen Recht, grade so wie wenn die Kunst des Mittelalters die höchsten Formen für das christliche Bewußtsein fand. Es ist aber eine bloße romantische Grille, wenn sich die moderne Kunst noch ein¬ mal an die Lösung dieser schon gelösten Aufgaben macht, da sie die Vor¬ gänger voraussichtlich nie erreichen, geschweige denn übertreffen wird. Wir haben die von unsrer Zeit erforschten und entdeckten Gebiete und Kräfte der Natur zu personificiren, mit ihnen einen Olymp zu schaffen, unsrer Helden und Halbgöttergeschichte zu schreiben und zu malen. Es sind dieß keine andern, als tue großen Gesetzgeber im Reiche des modernen deutschen Geistes, die Luther, Friedrich der Große, Lessing, Goethe, Schiller. Mozart. Beethoven, kurz die Schöpfer unserer Cultur, sie werden den Olymp der deutschen rea¬ listischen Kunst zu bilden haben, und das Ringen nach politischer und reli¬ giöser Freiheit wird der Mittelpunkt der idealen Gedanken sein, wie das Christenthum es im Mittelalter war. Aus der römische» Kniserzeit. Die Frauen, t. Schilderungen aus dem Leben der Frauen Roms in der Kaiserzeit können nach der Natur unserer Quellen nur sehr fragmentarisch sein; überdies sind sie ganz und gar auf die Frauen der höhern Stände beschränkt, da wir über den Mittelstand (so weit im kaiserlichen Rom ein solcher existirte) überhaupt sehr wenig unterrichtet sind, und über die Zustände der untern Classen nichts als allgemeine Andeutungen besitzen. Wir bemerken noch, daß wir bei diesen wie bei alten ähnlichen Schilderungen hauptsächlich die Zeit von August bis zum Ausgang der Antonine im Auge haben. Der Mädchenstand der römischen Frauen war kurz; kaum dem Kindes¬ alter entwachsen wurden sie schon verlobt und vermählt. Um die Wiege der Kleinen waren Mutter, Großmutter, Tanten und Wärterinnen mit zärtlichen Sorgen und Wünschen geschäftig. Ging die Mutter mit dem Kinde auf dem Arm um einem Tempel der Venus vorüber, so murmelte sie ein inbrünstiges Gebet, die Göttin möchte ihrem Töchterchen Schönheit verleihen. Der Aber-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/34>, abgerufen am 21.12.2024.