Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.ist einer der liebenswürdigsten Züge im italienischen Nationalcharakter die Um zuerst von religiösen Stiftungen zu reden, so werben in Inschriften 41 *
ist einer der liebenswürdigsten Züge im italienischen Nationalcharakter die Um zuerst von religiösen Stiftungen zu reden, so werben in Inschriften 41 *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0331" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186743"/> <p xml:id="ID_754" prev="#ID_753"> ist einer der liebenswürdigsten Züge im italienischen Nationalcharakter die<lb/> leidenschaftliche Anhänglichkeit an die Vaterstadt. Aus der Geschichte seiner<lb/> Vaterstadt kennt in der Regel anch der Geringste die glorreichsten Ereignisse,<lb/> die Namen und Thaten der berühmten Männer, die aus ihr hervorgegangen<lb/> sind, und auch in kleinen Orten hat es gewöhnlich einen fedcrkundigcn Advo-<lb/> caten, Kavaliere oder Prete gegeben, der mit sehr lebhafter Phantasie, aber<lb/> nicht sehr strenger Wahrheitsliebe, ihre Geschichte in'sehr bombastischer Sprache<lb/> geschrieben hat. Im Alterthum waren die Bestrebungen der Municipalpatnoten<lb/> hauptsächlich darauf gerichtet, selbst mit großen Opfern zum Glanz und zum<lb/> Nutzen ihrer Vaterstadt nach Kräften beizutragen. Die reichern Bürger gaben<lb/> bedeutende Summen zur Erbauung oder Herstellung von Gebäuden jeder Art,<lb/> die der Stadt zur Zierde oder zum Frommen gereichten. Namentlich thaten dies<lb/> die, denen ein Eommunalamt, eine Priesterwürde oder andere städtische Auszeich¬<lb/> nungen übertragen worden, und die durch das Herkommen verpflichtet waren,<lb/> sich für diese Ehre irgendwie dankbar zu erzeigen. Da nun die edlen Geber<lb/> selten ermangelten, ihre Namen mit genauer Angabe der Schenkung durch in<lb/> Stein gehauene Inschriften zu verewigen, so haben wir ungemein zahlreiche<lb/> Nachrichten über die Veranlassung und den Umfang solcher Stiftungen. Sie<lb/> umfassen alle Arten von öffentlichen Bauten und Schenkungen von sehr gering¬<lb/> fügigen bis zu fürstlichen, von der Basis einer Slawe, die ein Bürger hat neu<lb/> machen lassen, bis zu Tempeln, Säulenhallen und Theatern, die von einzelnen<lb/> auf ihre Kosten zum allgemeinen Besten errichtet worden sind. Plinius erzählt, daß<lb/> der Arzt Crinas seiner Vaterstadt Massilia (Marseille) Mauern für nicht viel<lb/> weniger als zehn Millionen Sesterzen (etwa 700,000 Thaler) habe erbauen<lb/> lassen, nichts desto weniger hinterließ er bei seinem Tode eine gleiche Summe.<lb/> Im südlichen Italien gaben überdies Zerstörungen durch Erdbeben den Bür¬<lb/> gern öfter Gelegenheit, ihre Großmuth nud Freigebigkeit zu zeigen; so sind<lb/> z. B. Pompeji und Herculanum sechzehn Jahre vor ihrer Verschüttung durch<lb/> ein Erdbeben zerstört worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_755" next="#ID_756"> Um zuerst von religiösen Stiftungen zu reden, so werben in Inschriften<lb/> außer der Erbauung und Ausschmückung von Tempeln, Altären und Kapellen<lb/> und der Errichtung von Götterbildern noch manche andere fromme Gaben<lb/> erwähnt. Ein großer Theil dieser frommen Werke ist auf Geheiß vonTraum-<lb/> gesichtcn geschehn, die als Befehle der betreffenden Gottheiten galten. Von<lb/> einem Bürger der Insel Malta meldet sein erhaltenes Monument, daß er einen<lb/> Marmortempel des Apollo geweiht, desgleichen vor demselben vier Säulen,<lb/> Pfeiler und Fußboden hat machen lassen, das Ganze mit einem Aufwande<lb/> von 110,792 Sesterzen (etwa 8000 Thaler). In einer Stadt hat jemand<lb/> auf Eingebung eines Traums die Schlange in einem Tempel (vielleicht des<lb/> Aesculap) aus eignem Golde neu machen lassen, in einem andern jemand</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 41 *</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0331]
ist einer der liebenswürdigsten Züge im italienischen Nationalcharakter die
leidenschaftliche Anhänglichkeit an die Vaterstadt. Aus der Geschichte seiner
Vaterstadt kennt in der Regel anch der Geringste die glorreichsten Ereignisse,
die Namen und Thaten der berühmten Männer, die aus ihr hervorgegangen
sind, und auch in kleinen Orten hat es gewöhnlich einen fedcrkundigcn Advo-
caten, Kavaliere oder Prete gegeben, der mit sehr lebhafter Phantasie, aber
nicht sehr strenger Wahrheitsliebe, ihre Geschichte in'sehr bombastischer Sprache
geschrieben hat. Im Alterthum waren die Bestrebungen der Municipalpatnoten
hauptsächlich darauf gerichtet, selbst mit großen Opfern zum Glanz und zum
Nutzen ihrer Vaterstadt nach Kräften beizutragen. Die reichern Bürger gaben
bedeutende Summen zur Erbauung oder Herstellung von Gebäuden jeder Art,
die der Stadt zur Zierde oder zum Frommen gereichten. Namentlich thaten dies
die, denen ein Eommunalamt, eine Priesterwürde oder andere städtische Auszeich¬
nungen übertragen worden, und die durch das Herkommen verpflichtet waren,
sich für diese Ehre irgendwie dankbar zu erzeigen. Da nun die edlen Geber
selten ermangelten, ihre Namen mit genauer Angabe der Schenkung durch in
Stein gehauene Inschriften zu verewigen, so haben wir ungemein zahlreiche
Nachrichten über die Veranlassung und den Umfang solcher Stiftungen. Sie
umfassen alle Arten von öffentlichen Bauten und Schenkungen von sehr gering¬
fügigen bis zu fürstlichen, von der Basis einer Slawe, die ein Bürger hat neu
machen lassen, bis zu Tempeln, Säulenhallen und Theatern, die von einzelnen
auf ihre Kosten zum allgemeinen Besten errichtet worden sind. Plinius erzählt, daß
der Arzt Crinas seiner Vaterstadt Massilia (Marseille) Mauern für nicht viel
weniger als zehn Millionen Sesterzen (etwa 700,000 Thaler) habe erbauen
lassen, nichts desto weniger hinterließ er bei seinem Tode eine gleiche Summe.
Im südlichen Italien gaben überdies Zerstörungen durch Erdbeben den Bür¬
gern öfter Gelegenheit, ihre Großmuth nud Freigebigkeit zu zeigen; so sind
z. B. Pompeji und Herculanum sechzehn Jahre vor ihrer Verschüttung durch
ein Erdbeben zerstört worden.
Um zuerst von religiösen Stiftungen zu reden, so werben in Inschriften
außer der Erbauung und Ausschmückung von Tempeln, Altären und Kapellen
und der Errichtung von Götterbildern noch manche andere fromme Gaben
erwähnt. Ein großer Theil dieser frommen Werke ist auf Geheiß vonTraum-
gesichtcn geschehn, die als Befehle der betreffenden Gottheiten galten. Von
einem Bürger der Insel Malta meldet sein erhaltenes Monument, daß er einen
Marmortempel des Apollo geweiht, desgleichen vor demselben vier Säulen,
Pfeiler und Fußboden hat machen lassen, das Ganze mit einem Aufwande
von 110,792 Sesterzen (etwa 8000 Thaler). In einer Stadt hat jemand
auf Eingebung eines Traums die Schlange in einem Tempel (vielleicht des
Aesculap) aus eignem Golde neu machen lassen, in einem andern jemand
41 *
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |