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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Aussicht, sobald mir bestimmt erklärt wurde, daß uur ein Katholik die erste
Stelle bei der Hofbibliothek bekleiden könne. Da ich ebenso authentisch er¬
fuhr, daß die Fortsetzung der Geschichte der Schweiz selbst im Auslande nicht
gedruckt werden dürfe, ohne von der wiener Censur beschnitten zu sein, so
ward mein, ohnedem Wohl überlegter Entschluß unerschütterlich." Außer diesen
Gründen führt Müller in seiner 18"K geschriebenen Selbstbiographie noch
einige andere an. "Der Zufall einer Reise brachte ihn nach Berlin, zurück
in die Erinnerung jenes großen und der vielen Grube eines guten zu oft
verkannten Königs, und in den Genuß jener grnndsatzmäßigen Freiheit lite¬
rarischer Mittheilung. Es wachte in ihm auf, was diese Organisation und
Macht in der gefahrvollsten Krise dem Reich, was sie Europa war und sein
müsse; er erkannte die Monarchie, welcher eine gewisse Erhabenheit in den
Ideen, eine gewisse Kühnheit in den Entschlüssen, eine rege Thätigkeit in
allem, und eine öftere Erneuerung voriger Großthaten zu ihrer Erhaltung
nothwendig sind. Er glaubte altes wohl zu fassen und opferte andere persön¬
liche Vortheile einem freien Wirkungskreis auf. Von dem an ist, was er
von Jugend auf wollte, alle seine Kraft dem Ruhm und Glück des preußi¬
schen Staats und seiner großen Zwecke, seine Ruhe, sein lebenslängliches For¬
schen in der Erfahrung der Jahrhunderte, dem Emporbringen des besten Gei¬
stes in öffentlichen Geschäften, guter Lehre überhaupt gewidmet."

Von Schaffhausen reiste Müller über Eoppet, wo er sich einige Tage bei
Fr. v. StMil aufhielt und ihr versprach, ihrem eben gestorbenen Vater ein
Denkmal zu setzen, zu seinen alten Freunden nach Genf und Mainz. Auf
dieser Reise suchte man ihn wieder gegen Berlin mißtrauisch zu machen, nicht
ganz ohne Erfolg. Doch fand er Mitte Juli bei seiner Ankunft in Berlin
einen so zuvorkommender Empfang, daß ihm alles in Berlin in rosafarbnem
Licht erschien. Selbst Ifflands Darstellungen un Theater und die Versuche
der Magnetiscurs, Sumbolit'er und Naturphilosophien erregten sein Interesse.
Doch war er vielseitig genug, sich auch mit Nicolai und Merkel gut zu stellen.
"Es lebe der gläubige Leichtsinn." schreibt er 24. Sept. Ich lebe wie auf. Gute
und wirksame Menschen theilen mir schöne Pläne zur Beförderung mit. Es
ist in dieser Monarchie für alles Gute eine große Tendenz. Friede gebe Gott
und' unser Preußenreich soll der herrlichsten eins werden .... Von auswärts
trachtet man zuweilen mich noch in politische Mäklerei zu verweben; Gott be.
wahre! was kommt heraus? Lxinntis v mvcUg. vitu, tot. annis, Milm" iuvo
nos ni Lviieewtem xvr silvntium von'mus, muß ich den Rest zu Rathe
halten." So fassten auch seine Freunde die Sache auf. Der alte Henne
schrieb ihm aus Göttingen 1. Juli 1805- "Wie wohl muß Ihnen zu Muthe
sein, daß Sie aus den, durch Aberglauben, Psnffen- und Dummkopfspolitik


Aussicht, sobald mir bestimmt erklärt wurde, daß uur ein Katholik die erste
Stelle bei der Hofbibliothek bekleiden könne. Da ich ebenso authentisch er¬
fuhr, daß die Fortsetzung der Geschichte der Schweiz selbst im Auslande nicht
gedruckt werden dürfe, ohne von der wiener Censur beschnitten zu sein, so
ward mein, ohnedem Wohl überlegter Entschluß unerschütterlich." Außer diesen
Gründen führt Müller in seiner 18»K geschriebenen Selbstbiographie noch
einige andere an. „Der Zufall einer Reise brachte ihn nach Berlin, zurück
in die Erinnerung jenes großen und der vielen Grube eines guten zu oft
verkannten Königs, und in den Genuß jener grnndsatzmäßigen Freiheit lite¬
rarischer Mittheilung. Es wachte in ihm auf, was diese Organisation und
Macht in der gefahrvollsten Krise dem Reich, was sie Europa war und sein
müsse; er erkannte die Monarchie, welcher eine gewisse Erhabenheit in den
Ideen, eine gewisse Kühnheit in den Entschlüssen, eine rege Thätigkeit in
allem, und eine öftere Erneuerung voriger Großthaten zu ihrer Erhaltung
nothwendig sind. Er glaubte altes wohl zu fassen und opferte andere persön¬
liche Vortheile einem freien Wirkungskreis auf. Von dem an ist, was er
von Jugend auf wollte, alle seine Kraft dem Ruhm und Glück des preußi¬
schen Staats und seiner großen Zwecke, seine Ruhe, sein lebenslängliches For¬
schen in der Erfahrung der Jahrhunderte, dem Emporbringen des besten Gei¬
stes in öffentlichen Geschäften, guter Lehre überhaupt gewidmet."

Von Schaffhausen reiste Müller über Eoppet, wo er sich einige Tage bei
Fr. v. StMil aufhielt und ihr versprach, ihrem eben gestorbenen Vater ein
Denkmal zu setzen, zu seinen alten Freunden nach Genf und Mainz. Auf
dieser Reise suchte man ihn wieder gegen Berlin mißtrauisch zu machen, nicht
ganz ohne Erfolg. Doch fand er Mitte Juli bei seiner Ankunft in Berlin
einen so zuvorkommender Empfang, daß ihm alles in Berlin in rosafarbnem
Licht erschien. Selbst Ifflands Darstellungen un Theater und die Versuche
der Magnetiscurs, Sumbolit'er und Naturphilosophien erregten sein Interesse.
Doch war er vielseitig genug, sich auch mit Nicolai und Merkel gut zu stellen.
„Es lebe der gläubige Leichtsinn." schreibt er 24. Sept. Ich lebe wie auf. Gute
und wirksame Menschen theilen mir schöne Pläne zur Beförderung mit. Es
ist in dieser Monarchie für alles Gute eine große Tendenz. Friede gebe Gott
und' unser Preußenreich soll der herrlichsten eins werden .... Von auswärts
trachtet man zuweilen mich noch in politische Mäklerei zu verweben; Gott be.
wahre! was kommt heraus? Lxinntis v mvcUg. vitu, tot. annis, Milm« iuvo
nos ni Lviieewtem xvr silvntium von'mus, muß ich den Rest zu Rathe
halten." So fassten auch seine Freunde die Sache auf. Der alte Henne
schrieb ihm aus Göttingen 1. Juli 1805- „Wie wohl muß Ihnen zu Muthe
sein, daß Sie aus den, durch Aberglauben, Psnffen- und Dummkopfspolitik


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/322>, abgerufen am 22.12.2024.