Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.meist unangetastet. Das rst die Dynamik der Geschichtschreibung, die da meist unangetastet. Das rst die Dynamik der Geschichtschreibung, die da <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186730"/> <p xml:id="ID_731" prev="#ID_730" next="#ID_732"> meist unangetastet. Das rst die Dynamik der Geschichtschreibung, die da<lb/> lehre, so viel Licht in den Kops und so viel Feuer in das Gemüth zu brin¬<lb/> gen, daß dadurch Thatkraft für das Vaterland geweckt werde. Jetzt, wo das<lb/> Geschelte jährlich neu gemachter Formeln die altväterischen Ideen von Freiheit,<lb/> Muth, Selbständigkeit. Ehre übertönt, wo die Erklärung des Ursprungs und<lb/> Geistes bald aller Verfassungen in einem Wort ist: „er wollte es so" und wo<lb/> wir zu unserer Bequemlichkeit der mühseligen Sorgen für Sicherheit und Eigen¬<lb/> thum immer mehr entladen werden, hat freilich die Muse der Historie diesem<lb/> Geschlecht nichts weiter zu sagen. Da kommen unsere Jünglinge, sonst be¬<lb/> wundernde Hörer des Alters, jetzt, ehe sie die Wissenschaft durchstudirt, mit<lb/> Resultaten fertig; allerdings sehr erhaben, denn sie bauen die Pyramide von<lb/> oben herunter; wohlversehen mit einem furchtbaren Apparat von Productivität<lb/> und Eductivität. Identität und Duplicität, Activität und Passivität, Sub-<lb/> »ud Objectivität, Dualität und Triplicität, und Gott weiß wie vielen Pola¬<lb/> ritäten, lauter hohen Dingen, wovon die Helden der Tage von Marathon,<lb/> von Sempach und von Roßbach nichts gewußt .... Seit wir nicht einen<lb/> Schwein estait mehr zu vertheidigen wissen, helfen wir Gott das Universum<lb/> machen; seit wir nicht mehr wissen, wer in acht Tagen unser Herr sein wird,<lb/> speculiren wir über den Plan des Ewigen mit seiner Welt." — So sehr sich<lb/> Müller bemühte in den Briefen auch an seine vertrautesten Freunde die<lb/> vollständige Zufriedenheit mit seiner Lage auszudrücken, so merkt man doch,<lb/> wenn er sich einen Augenblick gehen läßt, die Unbehaglichkeit heraus. Die<lb/> beständigen Fortschritte der Revolution machten ihm Grauen und er sah wohl<lb/> ein. daß aus die Partei, die jetzt im Kaiserstaat herrschte, keine haltbare Hoff¬<lb/> nung zu setzen sei. Es gelang ihm im Juli 1797 Urlaub nach Schaffhausen<lb/> zu erhalten, wo er bis zum December blieb und sich wieder ganz in die<lb/> schweizerischen Interessen vertiefte. Hier traf sein Gemüth der härteste Schlag.<lb/> Auch die Schweiz wurde in die Revolution hineingerissen, eine Hand erhob<lb/> sich gegen die andere und diese Verwirrung gab endlich den Franzosen Ge¬<lb/> legenheit, sich eines Theils der Schweiz zu bemächtigen. Von allen Seiten<lb/> fragte man den berühmten Geschichtschreiber der Eidgenossen, der so oft über<lb/> die Zukunft geweissagt und dem man jetzt, obwol mit Unrecht, einen mächtigen<lb/> Einfluß am kaiserlichen Hof zuschrieb, um Rath, aber die feurige Rede von<lb/> 1786 war vergessen, von durchgreifenden Reformen war leine Rede und der<lb/> östreichische Hofrath konnte seinen Landsleuten keine andere Weisung ertheilen,<lb/> als schleunigst zu den alten Zuständen zurückzukehren und die Gunst der Höfe,<lb/> namentlich Oestreichs, dadurch zu erkaufen, daß man nicht blos jede politische<lb/> Rolle aufgebe, sondern auch jede revolutionäre Neuerung mit der Wurzel be¬<lb/> seitige. Die neue Wühlversammlung zu Schaffhausen wählte ihn am 3. Ap.<lb/> 1798 zum Mitglied des helvetischen Obergerichtshofcs, er lehnte es ab, und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
meist unangetastet. Das rst die Dynamik der Geschichtschreibung, die da
lehre, so viel Licht in den Kops und so viel Feuer in das Gemüth zu brin¬
gen, daß dadurch Thatkraft für das Vaterland geweckt werde. Jetzt, wo das
Geschelte jährlich neu gemachter Formeln die altväterischen Ideen von Freiheit,
Muth, Selbständigkeit. Ehre übertönt, wo die Erklärung des Ursprungs und
Geistes bald aller Verfassungen in einem Wort ist: „er wollte es so" und wo
wir zu unserer Bequemlichkeit der mühseligen Sorgen für Sicherheit und Eigen¬
thum immer mehr entladen werden, hat freilich die Muse der Historie diesem
Geschlecht nichts weiter zu sagen. Da kommen unsere Jünglinge, sonst be¬
wundernde Hörer des Alters, jetzt, ehe sie die Wissenschaft durchstudirt, mit
Resultaten fertig; allerdings sehr erhaben, denn sie bauen die Pyramide von
oben herunter; wohlversehen mit einem furchtbaren Apparat von Productivität
und Eductivität. Identität und Duplicität, Activität und Passivität, Sub-
»ud Objectivität, Dualität und Triplicität, und Gott weiß wie vielen Pola¬
ritäten, lauter hohen Dingen, wovon die Helden der Tage von Marathon,
von Sempach und von Roßbach nichts gewußt .... Seit wir nicht einen
Schwein estait mehr zu vertheidigen wissen, helfen wir Gott das Universum
machen; seit wir nicht mehr wissen, wer in acht Tagen unser Herr sein wird,
speculiren wir über den Plan des Ewigen mit seiner Welt." — So sehr sich
Müller bemühte in den Briefen auch an seine vertrautesten Freunde die
vollständige Zufriedenheit mit seiner Lage auszudrücken, so merkt man doch,
wenn er sich einen Augenblick gehen läßt, die Unbehaglichkeit heraus. Die
beständigen Fortschritte der Revolution machten ihm Grauen und er sah wohl
ein. daß aus die Partei, die jetzt im Kaiserstaat herrschte, keine haltbare Hoff¬
nung zu setzen sei. Es gelang ihm im Juli 1797 Urlaub nach Schaffhausen
zu erhalten, wo er bis zum December blieb und sich wieder ganz in die
schweizerischen Interessen vertiefte. Hier traf sein Gemüth der härteste Schlag.
Auch die Schweiz wurde in die Revolution hineingerissen, eine Hand erhob
sich gegen die andere und diese Verwirrung gab endlich den Franzosen Ge¬
legenheit, sich eines Theils der Schweiz zu bemächtigen. Von allen Seiten
fragte man den berühmten Geschichtschreiber der Eidgenossen, der so oft über
die Zukunft geweissagt und dem man jetzt, obwol mit Unrecht, einen mächtigen
Einfluß am kaiserlichen Hof zuschrieb, um Rath, aber die feurige Rede von
1786 war vergessen, von durchgreifenden Reformen war leine Rede und der
östreichische Hofrath konnte seinen Landsleuten keine andere Weisung ertheilen,
als schleunigst zu den alten Zuständen zurückzukehren und die Gunst der Höfe,
namentlich Oestreichs, dadurch zu erkaufen, daß man nicht blos jede politische
Rolle aufgebe, sondern auch jede revolutionäre Neuerung mit der Wurzel be¬
seitige. Die neue Wühlversammlung zu Schaffhausen wählte ihn am 3. Ap.
1798 zum Mitglied des helvetischen Obergerichtshofcs, er lehnte es ab, und
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