Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.beugt worden im Drang der Zeit, bald vornehm selbst diese Hülle gleich einem Ich habe diese Thatsachen nur angeführt als Vorläufer zu dem entschei¬ beugt worden im Drang der Zeit, bald vornehm selbst diese Hülle gleich einem Ich habe diese Thatsachen nur angeführt als Vorläufer zu dem entschei¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186720"/> <p xml:id="ID_715" prev="#ID_714"> beugt worden im Drang der Zeit, bald vornehm selbst diese Hülle gleich einem<lb/> Schwachheitsmantel von sich weisend. Es ist die Reaction des Adels und<lb/> der Kirche; und diese politische Strömung spiegelt sich in den Verhandlungen<lb/> der gegenwärtig da und dort lagerten Stände. Wenn ich aber im vorlie¬<lb/> genden Fall für Würtemberg das Vorrecht beanspruche, so liegt der Grund<lb/> darin, daß in anderen Ländern von einem eigentlichen Kampfe nicht geredet<lb/> werden rann, in Würtemberg aber eine Widerstandskraft im Volke sich rührt,<lb/> welche den Ausgang noch sehr ins Ungewisse setzt. Denn diejenige Macht,<lb/> welche heutigen Tags wieder das große Wort zu führen strebt, der Adel, hat<lb/> bei der Entwicklung des' würtembergischen Staates so gut wie keine Rolle<lb/> gespielt. Der Adel wars, der es vorzog, bei den schließlich zum tübingcr<lb/> Vertrag 1514 führenden Verhandlungen' sich nicht zu betheiligen, weil es sich<lb/> in jenen Verathungen — wie wenigstens die herrschende Annahme ist — vom<lb/> Zahlensollen handelte. (Wächter würd. Privat.-N. Vd. I. S. 140. ff.) Die<lb/> Landesstädte, die Bürger, und nicht der Adel, waren es, welche den Aufruhr<lb/> des „armen Konrad" dämpften! der Adel aber wars, der in Verbindung mit<lb/> den Reichsstädten im Jahre 15>!> den Herzog Ulrich aus seinem Lande trieb.</p><lb/> <p xml:id="ID_716" next="#ID_717"> Ich habe diese Thatsachen nur angeführt als Vorläufer zu dem entschei¬<lb/> denden Schritt, der nicht lange mehr auf sich warten ließ. Im Jahr 1559<lb/> erklärte der deutsche Kaiser Ferdinand I. den schwäbischen Adel für reichsun¬<lb/> mittelbar, der eben damit ans allem würtembergischen Unterthanenverbande<lb/> auftrat und höchstens durch das Lehcnsband noch theilweise mit dein Herzog<lb/> verknüpft blieb. Es konnte zwar nicht fehlen, daß nllmälig wieder ein<lb/> landsäsfiger Adel sich bildete. Der Glanz des herzoglichen Hofes zog an; es<lb/> lockte die Aussicht auf die höchsten Würden im Lande, wol auch die Hoff¬<lb/> nung auf Verbesserung der finanziellen Lage. Mancher unterwarf sich wieder;<lb/> daneben wurde auch wol hin und wieder ein Bürgerlicher in den erblichen<lb/> Adelstand erhoben. So findet man nun allerdings eine Adelsbank im herzog¬<lb/> lichen Hofgericht, Privilegien adeliger Güter und anderes mehr. Allein als<lb/> politischer Stand hat sich in Würtemberg bis in das neunzehnte Jahrhundert<lb/> der Adel nicht mehr geltend zu machen vermocht. Die einzigen verfassungs¬<lb/> mäßigen Vertreter des Landes waren die Prälaten und die Deputirten<lb/> der Landschaft, d. h. die Abgeordneten der Städte und des zu demselben<lb/> gehörigen Amtes. So hat also der Adel in Würtemberg keine mit der Ent¬<lb/> wickelung des Landes verwachsene Geschichte, keine das Volk in seinem inner¬<lb/> sten Leben erfassende Wurzel. Er ist größtentheils neu von außen hereinge¬<lb/> kommen und findet im Lande selbst keinen Rückhalt und keine Sympathie.<lb/> Aber noch mehr! Es war nicht opferbereites Aufgeben seiner Rechte, kein Act<lb/> freiwilliger Unterwerfung, was den reichsunmittelbaren Adel unter die sou¬<lb/> veränes des Königs von Würtemberg gebracht hat. Durch einen Act der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0308]
beugt worden im Drang der Zeit, bald vornehm selbst diese Hülle gleich einem
Schwachheitsmantel von sich weisend. Es ist die Reaction des Adels und
der Kirche; und diese politische Strömung spiegelt sich in den Verhandlungen
der gegenwärtig da und dort lagerten Stände. Wenn ich aber im vorlie¬
genden Fall für Würtemberg das Vorrecht beanspruche, so liegt der Grund
darin, daß in anderen Ländern von einem eigentlichen Kampfe nicht geredet
werden rann, in Würtemberg aber eine Widerstandskraft im Volke sich rührt,
welche den Ausgang noch sehr ins Ungewisse setzt. Denn diejenige Macht,
welche heutigen Tags wieder das große Wort zu führen strebt, der Adel, hat
bei der Entwicklung des' würtembergischen Staates so gut wie keine Rolle
gespielt. Der Adel wars, der es vorzog, bei den schließlich zum tübingcr
Vertrag 1514 führenden Verhandlungen' sich nicht zu betheiligen, weil es sich
in jenen Verathungen — wie wenigstens die herrschende Annahme ist — vom
Zahlensollen handelte. (Wächter würd. Privat.-N. Vd. I. S. 140. ff.) Die
Landesstädte, die Bürger, und nicht der Adel, waren es, welche den Aufruhr
des „armen Konrad" dämpften! der Adel aber wars, der in Verbindung mit
den Reichsstädten im Jahre 15>!> den Herzog Ulrich aus seinem Lande trieb.
Ich habe diese Thatsachen nur angeführt als Vorläufer zu dem entschei¬
denden Schritt, der nicht lange mehr auf sich warten ließ. Im Jahr 1559
erklärte der deutsche Kaiser Ferdinand I. den schwäbischen Adel für reichsun¬
mittelbar, der eben damit ans allem würtembergischen Unterthanenverbande
auftrat und höchstens durch das Lehcnsband noch theilweise mit dein Herzog
verknüpft blieb. Es konnte zwar nicht fehlen, daß nllmälig wieder ein
landsäsfiger Adel sich bildete. Der Glanz des herzoglichen Hofes zog an; es
lockte die Aussicht auf die höchsten Würden im Lande, wol auch die Hoff¬
nung auf Verbesserung der finanziellen Lage. Mancher unterwarf sich wieder;
daneben wurde auch wol hin und wieder ein Bürgerlicher in den erblichen
Adelstand erhoben. So findet man nun allerdings eine Adelsbank im herzog¬
lichen Hofgericht, Privilegien adeliger Güter und anderes mehr. Allein als
politischer Stand hat sich in Würtemberg bis in das neunzehnte Jahrhundert
der Adel nicht mehr geltend zu machen vermocht. Die einzigen verfassungs¬
mäßigen Vertreter des Landes waren die Prälaten und die Deputirten
der Landschaft, d. h. die Abgeordneten der Städte und des zu demselben
gehörigen Amtes. So hat also der Adel in Würtemberg keine mit der Ent¬
wickelung des Landes verwachsene Geschichte, keine das Volk in seinem inner¬
sten Leben erfassende Wurzel. Er ist größtentheils neu von außen hereinge¬
kommen und findet im Lande selbst keinen Rückhalt und keine Sympathie.
Aber noch mehr! Es war nicht opferbereites Aufgeben seiner Rechte, kein Act
freiwilliger Unterwerfung, was den reichsunmittelbaren Adel unter die sou¬
veränes des Königs von Würtemberg gebracht hat. Durch einen Act der
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