Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.den, alles wird dem Stil aufgeopfert, daher dürften wir nur eine Reihe wei¬ Wie also der Stoff der Cornclianischcn Epoche die deutsche Begeisterung Ein neuer Geist, eine neue Zeit waren aber inzwischen erschienen. Die Es mag uns sehr unangenehm sein anzuerkennen, daß unsre Träume vom Es ist im Gegentheil ein glücklicher Beweis von der frischen und gesunden den, alles wird dem Stil aufgeopfert, daher dürften wir nur eine Reihe wei¬ Wie also der Stoff der Cornclianischcn Epoche die deutsche Begeisterung Ein neuer Geist, eine neue Zeit waren aber inzwischen erschienen. Die Es mag uns sehr unangenehm sein anzuerkennen, daß unsre Träume vom Es ist im Gegentheil ein glücklicher Beweis von der frischen und gesunden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186442"/> <p xml:id="ID_72" prev="#ID_71"> den, alles wird dem Stil aufgeopfert, daher dürften wir nur eine Reihe wei¬<lb/> terer Namen und Productionen nennen, um männiglich zu beweisen, daß auch<lb/> dieser Schule der Zopf und zwar ein um so langweiligerer und steiferer nickt<lb/> mangelt, als er durch keinerlei technische Geschicklichkeit aufgewogen wird, bei<lb/> gleicher innerer Leere nicht einmal den äußern Neiz der Farbe besitzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_73"> Wie also der Stoff der Cornclianischcn Epoche die deutsche Begeisterung<lb/> der Freiheitskriege verbraucht, so hatte inzwischen die Schule auch ihre<lb/> Unfähigkeit bewiesen, etwas zu lernen, sie hatte es nicht vermocht, sich mehr<lb/> Kenntnis; der Natur, eine höhere technische Ausbildung in Rundung und Fär¬<lb/> bung zu erwerben, sie begnügte sich mit immer geistloserer Nachahmung classischer<lb/> Muster, jn die Fortbildung ist ihr bei ihrem Cultus der Linie, des Contours,<lb/> bei ihrer immer ausschließlicher idcalisirend gewordenen Tendenz gradezu un¬<lb/> möglich. Mit jenen drei vorgenannten Meistern stirbt Geist und Inhalt aus,<lb/> die leere Form bleibt, vollkommen unfähig, einen neuen Geist zu fassen.<lb/> Was dieser classicirenden Schule aber vollkommen alle Wirkung raubt, ist<lb/> ihr totales Unvermögen, Profangeschichte so zu malen, wie wir sie heut¬<lb/> zutage verstehen. Sie verhält sich zu derselben just wie Livius zu Monunsen<lb/> oder Niebuhr. sie macht allemal einen Mythus daraus, sie ist in nichts<lb/> wahr, weder in der Schilderung der einzelnen Personen, wo ihr alles in¬<lb/> dividuelle Leben abgeht, noch in der Auffassung des Ganzen, das sie als<lb/> t'tlKIk LONVVNUO behandelt. Jn diesem Stück hat sie gegen Cornelius, der<lb/> uns selbst den Olymp zu verlebendigen weiß, die bedauerlichsten Rückschritte<lb/> gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_74"> Ein neuer Geist, eine neue Zeit waren aber inzwischen erschienen. Die<lb/> Erschütterungen des Jahres 1848 hatten einen guten Theil unsrer politischen<lb/> und nationalen Ideale vernichtet, noch mehr zeigten sich die philosophisch<lb/> religiösen als unzulänglich. Idealismus, romantische Reaction und der Ueber¬<lb/> muth philosophischer Speculation, die jenes Jahr miteinander erzeugt hatten,<lb/> und die in der Literatur der Romantik, der Kunst der classicirenden Schule<lb/> ihre Hauptrepräsentanten fanden, haben vollständig Bankerott gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_75"> Es mag uns sehr unangenehm sein anzuerkennen, daß unsre Träume vom<lb/> deutschen Reich vorläufig zerflossen sind, daß wir uns als unfähig erwiesen<lb/> haben, diese Ideale ins Leben zu führen, daß die emancipirte Dame mit dem<lb/> altdeutschen Ritterfräulein der derben Realität der Kuhmagd haben weichen<lb/> müssen, die Augen aber kann man vor so brutalen Facken deshalb doch nicht<lb/> schließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_76" next="#ID_77"> Es ist im Gegentheil ein glücklicher Beweis von der frischen und gesunden<lb/> Lebenskraft unsrer Nation, daß sie dieselben nicht geschlossen hat, sondern<lb/> unverdrossen an die Arbeit ging, ein neues Fundament zu ihrer künftigen<lb/> Existenz zu legen. Dieses Fundament konnte begreiflicherweise zunächst kein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
den, alles wird dem Stil aufgeopfert, daher dürften wir nur eine Reihe wei¬
terer Namen und Productionen nennen, um männiglich zu beweisen, daß auch
dieser Schule der Zopf und zwar ein um so langweiligerer und steiferer nickt
mangelt, als er durch keinerlei technische Geschicklichkeit aufgewogen wird, bei
gleicher innerer Leere nicht einmal den äußern Neiz der Farbe besitzt.
Wie also der Stoff der Cornclianischcn Epoche die deutsche Begeisterung
der Freiheitskriege verbraucht, so hatte inzwischen die Schule auch ihre
Unfähigkeit bewiesen, etwas zu lernen, sie hatte es nicht vermocht, sich mehr
Kenntnis; der Natur, eine höhere technische Ausbildung in Rundung und Fär¬
bung zu erwerben, sie begnügte sich mit immer geistloserer Nachahmung classischer
Muster, jn die Fortbildung ist ihr bei ihrem Cultus der Linie, des Contours,
bei ihrer immer ausschließlicher idcalisirend gewordenen Tendenz gradezu un¬
möglich. Mit jenen drei vorgenannten Meistern stirbt Geist und Inhalt aus,
die leere Form bleibt, vollkommen unfähig, einen neuen Geist zu fassen.
Was dieser classicirenden Schule aber vollkommen alle Wirkung raubt, ist
ihr totales Unvermögen, Profangeschichte so zu malen, wie wir sie heut¬
zutage verstehen. Sie verhält sich zu derselben just wie Livius zu Monunsen
oder Niebuhr. sie macht allemal einen Mythus daraus, sie ist in nichts
wahr, weder in der Schilderung der einzelnen Personen, wo ihr alles in¬
dividuelle Leben abgeht, noch in der Auffassung des Ganzen, das sie als
t'tlKIk LONVVNUO behandelt. Jn diesem Stück hat sie gegen Cornelius, der
uns selbst den Olymp zu verlebendigen weiß, die bedauerlichsten Rückschritte
gemacht.
Ein neuer Geist, eine neue Zeit waren aber inzwischen erschienen. Die
Erschütterungen des Jahres 1848 hatten einen guten Theil unsrer politischen
und nationalen Ideale vernichtet, noch mehr zeigten sich die philosophisch
religiösen als unzulänglich. Idealismus, romantische Reaction und der Ueber¬
muth philosophischer Speculation, die jenes Jahr miteinander erzeugt hatten,
und die in der Literatur der Romantik, der Kunst der classicirenden Schule
ihre Hauptrepräsentanten fanden, haben vollständig Bankerott gemacht.
Es mag uns sehr unangenehm sein anzuerkennen, daß unsre Träume vom
deutschen Reich vorläufig zerflossen sind, daß wir uns als unfähig erwiesen
haben, diese Ideale ins Leben zu führen, daß die emancipirte Dame mit dem
altdeutschen Ritterfräulein der derben Realität der Kuhmagd haben weichen
müssen, die Augen aber kann man vor so brutalen Facken deshalb doch nicht
schließen.
Es ist im Gegentheil ein glücklicher Beweis von der frischen und gesunden
Lebenskraft unsrer Nation, daß sie dieselben nicht geschlossen hat, sondern
unverdrossen an die Arbeit ging, ein neues Fundament zu ihrer künftigen
Existenz zu legen. Dieses Fundament konnte begreiflicherweise zunächst kein
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