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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Wahrspruch der Geschworenen vor den Verfolgungen Jakob II. gesichert wurde.
Wie damals flogen Signale längs der Themse von einem Stadttheile zum
andern, wie damals begrüßten sich Fremde freudig auf der Straße wie alte
Freunde, und es fehlte dies Mal nur das Verbrennen Napoleons im Bilde,
statt des Papstes von damals. Uns wird es ziemen, die Freude der Eng¬
länder über die Freisprechung Bernards mit demselben Unwillen zu verm-
theilen, mit welcher einst die ungeschickten Bemühungen der kaiserlichen Partei,
den Staatsstreich zu rechtfertigen, auch in d. Bl. verurtheilt worden sind.
Daß eine Jury in politischer Aufregung ein Individuum freispricht, weiches durch
zweifellose Zeugnisse der Theilnahme an einem Mordversuch überführt ist, das ist
an sich schlimm genug; daß aber diese Freisprechung als ein Triumph eng¬
lischer Unabhängigkeit gefeiert werden konnte, ist noch viel bedenklicher, denn es
zeigt die gefährlichste Schwäche des englischen Volkscharakters in unerfreulicher
Nacktheit, ihre Leichtigkeit sich zu borniren.

Für den Kaiser aber wird diese starke Strömung des englischen Volks¬
willens, gleichviel welche sittliche Berechtigung derselbe hat, zur Nemesis, denn es
ist seine Schuld, daß eine so plötzliche, unberechenbare Gewalt, wie die öffent¬
liche Meinung in England ist, sich erheben konnte, das theuer erkaufte Bündniß
aufzulösen. sowol er, als jedes englische Eabinet, mag dies Derby, Palmerston
oder Rüssel heißen, wird das Zerrissene zu bessern und den guten Schein zu erhal¬
ten suchen, so lange als möglich. Aber man beurtheilt den Kaiser nicht falsch,
wenn man annimmt, daß der Tag der Freisprechung Bernards in seinem
Innern trotz aller Klugheit und Selbstbeherrschung eine Abneigung gegen Eng¬
land besesngt hat, welche durch seine Umgebung in jeder Weise genährt,
durch den Stolz seiner Corpsführer vergrößert, ihn in neue politische Bahnen
hineintreibe und unaufhaltsam einer Katastrophe näher führt. Aus dem Ge-
fängnisse des Mörders Orsini haben sich die Fäden gesponnen, welche ihn,
so scheint es, unwiderstehlich dem Kampfplatz zuführen, auf dem sein Schick¬
sal entschieden werden soll: Italien. Unter seinen Getreuen läuft eine Phrase
des Kaisers um-, er werde entweder in den Straßen Londons oder in dem
Vatikan sterben. Sie ist wenigstens bedeutsam für seine Ansicht von der Zukunft.

Die Frage, welche den Kaiser jetzt unablässig beschäftigen muß, ist die:
wer kann der neue Alliirte Frankreichs sein? Die Antwort versuchen wir im
H nächsten Heft zu geben.




Verantwortlicher Redacteur- 0, Morip Busch -- Verlag v"n F. L, Herbig
in Leipzig.
Druck von E,. E, Slbert in Leipzig.

Wahrspruch der Geschworenen vor den Verfolgungen Jakob II. gesichert wurde.
Wie damals flogen Signale längs der Themse von einem Stadttheile zum
andern, wie damals begrüßten sich Fremde freudig auf der Straße wie alte
Freunde, und es fehlte dies Mal nur das Verbrennen Napoleons im Bilde,
statt des Papstes von damals. Uns wird es ziemen, die Freude der Eng¬
länder über die Freisprechung Bernards mit demselben Unwillen zu verm-
theilen, mit welcher einst die ungeschickten Bemühungen der kaiserlichen Partei,
den Staatsstreich zu rechtfertigen, auch in d. Bl. verurtheilt worden sind.
Daß eine Jury in politischer Aufregung ein Individuum freispricht, weiches durch
zweifellose Zeugnisse der Theilnahme an einem Mordversuch überführt ist, das ist
an sich schlimm genug; daß aber diese Freisprechung als ein Triumph eng¬
lischer Unabhängigkeit gefeiert werden konnte, ist noch viel bedenklicher, denn es
zeigt die gefährlichste Schwäche des englischen Volkscharakters in unerfreulicher
Nacktheit, ihre Leichtigkeit sich zu borniren.

Für den Kaiser aber wird diese starke Strömung des englischen Volks¬
willens, gleichviel welche sittliche Berechtigung derselbe hat, zur Nemesis, denn es
ist seine Schuld, daß eine so plötzliche, unberechenbare Gewalt, wie die öffent¬
liche Meinung in England ist, sich erheben konnte, das theuer erkaufte Bündniß
aufzulösen. sowol er, als jedes englische Eabinet, mag dies Derby, Palmerston
oder Rüssel heißen, wird das Zerrissene zu bessern und den guten Schein zu erhal¬
ten suchen, so lange als möglich. Aber man beurtheilt den Kaiser nicht falsch,
wenn man annimmt, daß der Tag der Freisprechung Bernards in seinem
Innern trotz aller Klugheit und Selbstbeherrschung eine Abneigung gegen Eng¬
land besesngt hat, welche durch seine Umgebung in jeder Weise genährt,
durch den Stolz seiner Corpsführer vergrößert, ihn in neue politische Bahnen
hineintreibe und unaufhaltsam einer Katastrophe näher führt. Aus dem Ge-
fängnisse des Mörders Orsini haben sich die Fäden gesponnen, welche ihn,
so scheint es, unwiderstehlich dem Kampfplatz zuführen, auf dem sein Schick¬
sal entschieden werden soll: Italien. Unter seinen Getreuen läuft eine Phrase
des Kaisers um-, er werde entweder in den Straßen Londons oder in dem
Vatikan sterben. Sie ist wenigstens bedeutsam für seine Ansicht von der Zukunft.

Die Frage, welche den Kaiser jetzt unablässig beschäftigen muß, ist die:
wer kann der neue Alliirte Frankreichs sein? Die Antwort versuchen wir im
H nächsten Heft zu geben.




Verantwortlicher Redacteur- 0, Morip Busch — Verlag v»n F. L, Herbig
in Leipzig.
Druck von E,. E, Slbert in Leipzig.
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[0208] Wahrspruch der Geschworenen vor den Verfolgungen Jakob II. gesichert wurde. Wie damals flogen Signale längs der Themse von einem Stadttheile zum andern, wie damals begrüßten sich Fremde freudig auf der Straße wie alte Freunde, und es fehlte dies Mal nur das Verbrennen Napoleons im Bilde, statt des Papstes von damals. Uns wird es ziemen, die Freude der Eng¬ länder über die Freisprechung Bernards mit demselben Unwillen zu verm- theilen, mit welcher einst die ungeschickten Bemühungen der kaiserlichen Partei, den Staatsstreich zu rechtfertigen, auch in d. Bl. verurtheilt worden sind. Daß eine Jury in politischer Aufregung ein Individuum freispricht, weiches durch zweifellose Zeugnisse der Theilnahme an einem Mordversuch überführt ist, das ist an sich schlimm genug; daß aber diese Freisprechung als ein Triumph eng¬ lischer Unabhängigkeit gefeiert werden konnte, ist noch viel bedenklicher, denn es zeigt die gefährlichste Schwäche des englischen Volkscharakters in unerfreulicher Nacktheit, ihre Leichtigkeit sich zu borniren. Für den Kaiser aber wird diese starke Strömung des englischen Volks¬ willens, gleichviel welche sittliche Berechtigung derselbe hat, zur Nemesis, denn es ist seine Schuld, daß eine so plötzliche, unberechenbare Gewalt, wie die öffent¬ liche Meinung in England ist, sich erheben konnte, das theuer erkaufte Bündniß aufzulösen. sowol er, als jedes englische Eabinet, mag dies Derby, Palmerston oder Rüssel heißen, wird das Zerrissene zu bessern und den guten Schein zu erhal¬ ten suchen, so lange als möglich. Aber man beurtheilt den Kaiser nicht falsch, wenn man annimmt, daß der Tag der Freisprechung Bernards in seinem Innern trotz aller Klugheit und Selbstbeherrschung eine Abneigung gegen Eng¬ land besesngt hat, welche durch seine Umgebung in jeder Weise genährt, durch den Stolz seiner Corpsführer vergrößert, ihn in neue politische Bahnen hineintreibe und unaufhaltsam einer Katastrophe näher führt. Aus dem Ge- fängnisse des Mörders Orsini haben sich die Fäden gesponnen, welche ihn, so scheint es, unwiderstehlich dem Kampfplatz zuführen, auf dem sein Schick¬ sal entschieden werden soll: Italien. Unter seinen Getreuen läuft eine Phrase des Kaisers um-, er werde entweder in den Straßen Londons oder in dem Vatikan sterben. Sie ist wenigstens bedeutsam für seine Ansicht von der Zukunft. Die Frage, welche den Kaiser jetzt unablässig beschäftigen muß, ist die: wer kann der neue Alliirte Frankreichs sein? Die Antwort versuchen wir im H nächsten Heft zu geben. Verantwortlicher Redacteur- 0, Morip Busch — Verlag v»n F. L, Herbig in Leipzig. Druck von E,. E, Slbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/208>, abgerufen am 22.12.2024.