Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.die Oratorien von Haydn und Händel, oder die parfümirten Seufzer des Schreiben wir aber der Sonntagsfrage eine so geringe Bedeutung an sich Ein Deutscher schreibt diese Zeilen. Während er sich mit Freuden sagt, Endlich aber ist es ja wol auch interessant, zu beobachten, in welcher die Oratorien von Haydn und Händel, oder die parfümirten Seufzer des Schreiben wir aber der Sonntagsfrage eine so geringe Bedeutung an sich Ein Deutscher schreibt diese Zeilen. Während er sich mit Freuden sagt, Endlich aber ist es ja wol auch interessant, zu beobachten, in welcher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0189" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186601"/> <p xml:id="ID_429" prev="#ID_428"> die Oratorien von Haydn und Händel, oder die parfümirten Seufzer des<lb/> Trovatorc wiederhallten. Man treffe Anstalten, daß unter jedem Strohdach,<lb/> in jeder Dorfkapclle gebildeter Gesang möglich werde! Das ist das Mittel,<lb/> das Seelenleben des Volkes zu erhöhen und den puritanischen Geist zu<lb/> bannen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_430"> Schreiben wir aber der Sonntagsfrage eine so geringe Bedeutung an sich<lb/> selbst zu, so müssen die Gründe, weshalb wir sie" so ausführlich besprochen,<lb/> wenigstens angedeutet werden. —</p><lb/> <p xml:id="ID_431"> Ein Deutscher schreibt diese Zeilen. Während er sich mit Freuden sagt,<lb/> daß seine Nation an tüchtiger Bildung, an schöner Lebensanschauung, um<lb/> Veredlung des Daseins im geistigen Sinne über alle andern den Borrang hat,<lb/> will er zugleich andeuten, auf wie eignen Bedingungen das Leben und die Zu¬<lb/> stände in Deutschland beruhen. Wenn aber schon auf dem indifferenten Boden der<lb/> allgemeinen Sitten und Anschauung, um wie viel mehr auf dem streitigen der Po¬<lb/> litik. Möchten die modernen Anglomanen die Sache besser studiren, und zur<lb/> Klarheit darüber kommen, ob England, ja, ob irgend ein Ausland überhaupt<lb/> das Muster für unsere Entwicklung werden kann, oder ob nicht Deutschlands<lb/> Zukunft ihren eignen Weg finden muß. Stehen wir politisch tiefer, so stehen<lb/> wir in andern Beziehungen des geistigen Lebens über England, und haben<lb/> also auch ein Recht, nach diesem Maßstab unsrer Bildung und Denkart den<lb/> Bau der Zukunft einzurichten. Ein Deutscher schreibt diese Zeilen. Wer<lb/> gönnt ihm nicht, im fremden Lande das Echo schöner, herzlicher Stimmen<lb/> und Klänge aus der Heimath zu hören? Die Borgänge, Lehren und Ansichten<lb/> Deutschlands sind es, die ihm in all diesen Bestrebungen entgegenkommen.<lb/> Sein so viel geschmähtes, weil im hohen Gerichtshof Europas so dürftig<lb/> vertretenes Vaterland gilt dem stolzen Auslande in den wichtigsten Lebens¬<lb/> fragen als ein Borbild. Auf das. was zwischen Rhein und Weichsel gedacht<lb/> und empfunden worden, lehnen sich die Materialisten des Themsestrandes und<lb/> hoffen ihr Heil davon. Fließt nicht ein verzeihlicher Stolz aus dem Bewußt¬<lb/> sein, daß Deutschland das Amt eines Apostels des Schönen und Guten unter<lb/> den Völkern erhalten hat?</p><lb/> <p xml:id="ID_432" next="#ID_433"> Endlich aber ist es ja wol auch interessant, zu beobachten, in welcher<lb/> Weise eine, wenn auch untergeordnete Frage im Lande des Parlamentarismus<lb/> behandelt wird. In diesem Bezüge ist die Sonntagsfrage besonders günstig,<lb/> weil sie, von der Politik ziemlich abgesondert, zwischen den Parteien liegt,<lb/> weil sie alle materiellen Interessen ausschließt, und ebendeshalb nicht mehr<lb/> Leidenschaft entwickelt, als nöthig ist, um den Menschen in Bewegung zu setzen.<lb/> Wir sehen da. wie ein vom Volke mit Vertrauen bekleideter Mann einem<lb/> weitgchcgten Wunsche an höchster Stelle das Wort leiht, wie sich sogleich<lb/> eine Zahl Gleichgesinnter zu ihm gesellt, wie die Elite der letzteren sofort</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0189]
die Oratorien von Haydn und Händel, oder die parfümirten Seufzer des
Trovatorc wiederhallten. Man treffe Anstalten, daß unter jedem Strohdach,
in jeder Dorfkapclle gebildeter Gesang möglich werde! Das ist das Mittel,
das Seelenleben des Volkes zu erhöhen und den puritanischen Geist zu
bannen. —
Schreiben wir aber der Sonntagsfrage eine so geringe Bedeutung an sich
selbst zu, so müssen die Gründe, weshalb wir sie" so ausführlich besprochen,
wenigstens angedeutet werden. —
Ein Deutscher schreibt diese Zeilen. Während er sich mit Freuden sagt,
daß seine Nation an tüchtiger Bildung, an schöner Lebensanschauung, um
Veredlung des Daseins im geistigen Sinne über alle andern den Borrang hat,
will er zugleich andeuten, auf wie eignen Bedingungen das Leben und die Zu¬
stände in Deutschland beruhen. Wenn aber schon auf dem indifferenten Boden der
allgemeinen Sitten und Anschauung, um wie viel mehr auf dem streitigen der Po¬
litik. Möchten die modernen Anglomanen die Sache besser studiren, und zur
Klarheit darüber kommen, ob England, ja, ob irgend ein Ausland überhaupt
das Muster für unsere Entwicklung werden kann, oder ob nicht Deutschlands
Zukunft ihren eignen Weg finden muß. Stehen wir politisch tiefer, so stehen
wir in andern Beziehungen des geistigen Lebens über England, und haben
also auch ein Recht, nach diesem Maßstab unsrer Bildung und Denkart den
Bau der Zukunft einzurichten. Ein Deutscher schreibt diese Zeilen. Wer
gönnt ihm nicht, im fremden Lande das Echo schöner, herzlicher Stimmen
und Klänge aus der Heimath zu hören? Die Borgänge, Lehren und Ansichten
Deutschlands sind es, die ihm in all diesen Bestrebungen entgegenkommen.
Sein so viel geschmähtes, weil im hohen Gerichtshof Europas so dürftig
vertretenes Vaterland gilt dem stolzen Auslande in den wichtigsten Lebens¬
fragen als ein Borbild. Auf das. was zwischen Rhein und Weichsel gedacht
und empfunden worden, lehnen sich die Materialisten des Themsestrandes und
hoffen ihr Heil davon. Fließt nicht ein verzeihlicher Stolz aus dem Bewußt¬
sein, daß Deutschland das Amt eines Apostels des Schönen und Guten unter
den Völkern erhalten hat?
Endlich aber ist es ja wol auch interessant, zu beobachten, in welcher
Weise eine, wenn auch untergeordnete Frage im Lande des Parlamentarismus
behandelt wird. In diesem Bezüge ist die Sonntagsfrage besonders günstig,
weil sie, von der Politik ziemlich abgesondert, zwischen den Parteien liegt,
weil sie alle materiellen Interessen ausschließt, und ebendeshalb nicht mehr
Leidenschaft entwickelt, als nöthig ist, um den Menschen in Bewegung zu setzen.
Wir sehen da. wie ein vom Volke mit Vertrauen bekleideter Mann einem
weitgchcgten Wunsche an höchster Stelle das Wort leiht, wie sich sogleich
eine Zahl Gleichgesinnter zu ihm gesellt, wie die Elite der letzteren sofort
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