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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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turiner Cabinet ist in vollem Rechte, deshalb ihr Vorstellungen zu machen. Ebenso
ist es um sich natürlich, daß sie die verhafteten Personen vor den Gerichtshof
von Salerno stellt, aber es ist auch vollkommen gerechtfertigt, wenn die sar¬
dinische Regierung, welche die Ungesetzlichkeit der That behauptet, wodurch
jene Verhaftung erst möglich ward, deshalb reclamirt, da sie alle Folgen der
Wegnahme des Cagliari als null und nichtig betrachten muß.

Wir können demnach nicht umhin zu finden, daß Sardinien in allen
Punkten im Rechte ist, und halten es von der höchsten Wichtigkeit für das
Völkerrecht, daß seine Ansprüche wirklich zur Geltung kommen. Die Regierung
scheint hierfür, ehe sie es zu einem Bruche treibt, besonders auf die Unter"
Stützung der Seemächte zu rechnen, und hier gibt in Bezug auf die Stellung
der ersten dieser Mächte, England, das erschienene Blaubuch merkwürdige
Aufschlüsse.

Am 9. December vor. I. forderte Lord Clarendon den englischen Ge¬
sandten in Turin, Sir James Hudson, auf, den Grafen Cavour zu fragen, ob
die sardinische Negierung beabsichtige, Einsprache gegen das Verfahren der
neapolitanischen Regierung in der Sache des Cagliari zu thun, indem sie den
Grundsatz geltend mache, daß die neapolitanischen Kriegsschiffe kein Recht
hatten, den Cagliari über das Gebiet der Gerichtsbarkeit beider Sicilien
hinaus zu verfolgen. Ein Kriegsschiff eines Landes habe aus hoher See keuie
Gerichtsbarkeit über ein Kauffahrteischiff eines andern Landes, es könne die
Vorzeigung der Herkunftspapiere verlangen, und wenn dies geschehen, so habe
das Kriegsschiff keinerlei Einmischungsrecht, wenn das Kauffahrteischiff nicht
auf handhafter That der Seeräubern ergriffen sei. Kein solcher Act aber sei
in der Wegnahme des Cagliari begangen, er setzte seine Reise friedlich fort,
und die neapolitanischen Schiffe mußten vermuthen, daß er nach Genua zurück¬
kehrte. Es ist wahr, daß man gesägt hat, der Capitän und die Mannschaft
hätten den Weg nach Neapel eingeschlagen, um sich den dortigen Behörden
sammt ihrem Schiffe zu übergeben. Aber es scheint der Negierung I. M.,
daß es ein schlechter Scherz und eine Wortverdrehung sein würde, zu sagen, daß
diese Leute sich freiwillig den Fregatten überantwortet hätten, welche doch ge¬
schossen hatten, um den Cagliari zum Anhalten zu zwingen, und geneigt
waren, ihn in Grund zu bohren, wenn er sich nicht ergebe. Die Negierung
I. M. wünscht nun zu erfahren, ob die sardinische Negierung der Ansicht ist,
daß der Cagliari freiwillig von seinem Capitän übergeben, oder ob sie darauf
bestehen wird, daß das Schiff von den neapolitanischen Fregatten außerhalb
des Gerichtsbarkeitsgebietes von Neapel weggenommen. -- Die englische Re¬
gierung spricht sich in dieser Depesche, also im Princip unumwunden für Sar¬
dinien gegen ihren Gesandten aus, beschränkt sich aber allerdings auf eine
bloße Anfrage. Hudson trägt darauf seinem Secretär, H. Erskine, aus, diese


turiner Cabinet ist in vollem Rechte, deshalb ihr Vorstellungen zu machen. Ebenso
ist es um sich natürlich, daß sie die verhafteten Personen vor den Gerichtshof
von Salerno stellt, aber es ist auch vollkommen gerechtfertigt, wenn die sar¬
dinische Regierung, welche die Ungesetzlichkeit der That behauptet, wodurch
jene Verhaftung erst möglich ward, deshalb reclamirt, da sie alle Folgen der
Wegnahme des Cagliari als null und nichtig betrachten muß.

Wir können demnach nicht umhin zu finden, daß Sardinien in allen
Punkten im Rechte ist, und halten es von der höchsten Wichtigkeit für das
Völkerrecht, daß seine Ansprüche wirklich zur Geltung kommen. Die Regierung
scheint hierfür, ehe sie es zu einem Bruche treibt, besonders auf die Unter»
Stützung der Seemächte zu rechnen, und hier gibt in Bezug auf die Stellung
der ersten dieser Mächte, England, das erschienene Blaubuch merkwürdige
Aufschlüsse.

Am 9. December vor. I. forderte Lord Clarendon den englischen Ge¬
sandten in Turin, Sir James Hudson, auf, den Grafen Cavour zu fragen, ob
die sardinische Negierung beabsichtige, Einsprache gegen das Verfahren der
neapolitanischen Regierung in der Sache des Cagliari zu thun, indem sie den
Grundsatz geltend mache, daß die neapolitanischen Kriegsschiffe kein Recht
hatten, den Cagliari über das Gebiet der Gerichtsbarkeit beider Sicilien
hinaus zu verfolgen. Ein Kriegsschiff eines Landes habe aus hoher See keuie
Gerichtsbarkeit über ein Kauffahrteischiff eines andern Landes, es könne die
Vorzeigung der Herkunftspapiere verlangen, und wenn dies geschehen, so habe
das Kriegsschiff keinerlei Einmischungsrecht, wenn das Kauffahrteischiff nicht
auf handhafter That der Seeräubern ergriffen sei. Kein solcher Act aber sei
in der Wegnahme des Cagliari begangen, er setzte seine Reise friedlich fort,
und die neapolitanischen Schiffe mußten vermuthen, daß er nach Genua zurück¬
kehrte. Es ist wahr, daß man gesägt hat, der Capitän und die Mannschaft
hätten den Weg nach Neapel eingeschlagen, um sich den dortigen Behörden
sammt ihrem Schiffe zu übergeben. Aber es scheint der Negierung I. M.,
daß es ein schlechter Scherz und eine Wortverdrehung sein würde, zu sagen, daß
diese Leute sich freiwillig den Fregatten überantwortet hätten, welche doch ge¬
schossen hatten, um den Cagliari zum Anhalten zu zwingen, und geneigt
waren, ihn in Grund zu bohren, wenn er sich nicht ergebe. Die Negierung
I. M. wünscht nun zu erfahren, ob die sardinische Negierung der Ansicht ist,
daß der Cagliari freiwillig von seinem Capitän übergeben, oder ob sie darauf
bestehen wird, daß das Schiff von den neapolitanischen Fregatten außerhalb
des Gerichtsbarkeitsgebietes von Neapel weggenommen. — Die englische Re¬
gierung spricht sich in dieser Depesche, also im Princip unumwunden für Sar¬
dinien gegen ihren Gesandten aus, beschränkt sich aber allerdings auf eine
bloße Anfrage. Hudson trägt darauf seinem Secretär, H. Erskine, aus, diese


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/176>, abgerufen am 21.12.2024.