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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Papieren, welche seinen Ursprung und seine Bestimmung beglaubigten, ver¬
seilen war.

Die sardinische Negierung mußte demzufolge die Wegnahme des Cagliari
als völkerrechtswidrig ansehen und sich zu Reclamationen berechtigt erachten.
Am Ul. Januar richtete Graf Cavour eine Depesche an den Grafen Gropello,
worin er den obigen Thatbestand feststellte und demnach die Wegnahme für
ungesetzlich erklärte, die Fregatten hätten mindestens den Capitän sogleich
loslassen müssen, sobald sie aus seinen Papieren Nationalität und Charakter
des Schiffes ersehen. Die Negierung müsse daher Herausgabe desselben und
Freilassung aller verhafteten Personen fordern, da alles gerichtliche Verfahren
gegen dieselbe null und nichtig sei, indem die Wegnahme selbst als völker-
rechtswicdrig bezeichnet werden müsse. Der Commandeur Carafa antwortete
am 30. Januar, daß die Umstände eines Falles, wie der vorliegende sei. keine
diplomatische Erörterung zuließen, die Beurtheilung desselben vielmehr allein dem
zuständigen Gcrichshof obliege, ohne daß die Negierung sich irgendwie einmischen
dürfe oder könne. Von der Entscheidung des Obergerichtes zu Salerno also hänge
die Schuld oder Unschuld der Angeklagten ab, und das Prisengericht, welches
über die Wegnahme selbst zu urtheilen habe, sei den Statuten der königlichen
Marine gemäß eingesetzt. Der Capitän Sitzio und die Eigenthümer hätten
auch, weit entfernt die Competenz des Gerichtes anzufechten, dieselbe vielmehr
anerkannt und damit nur den unerschütterten völkerrechtlichen Grundsätzen ge¬
huldigt, welche sich in den Gesetzbüchern aller Staaten, Sardinien nicht aus¬
genommen, wiederfänden. Diese Thatsachen seien also füglich bei Seite und
den Gerichten zu überlassen. Ferner aber sei die Wegnahme eines Schiffes
auf hoher See noch an sich kein Act, welcher dem Völkerrecht zuwiderlaufe,
sie habe Statt gefunden infolge der Verbrechen, welche auf neapolitanischen
Gebiete von Individuen verübt seien, welche sich an Bord des Cagliari be¬
fanden, man hatte sie beobachtet und verfolgte sie, der Ausgangspunkt dieser
Verfolgung lag innerhalb neapolitanischen Gebietes, dieselbe brauchte sich
aber wegen jener verbrecherischen Acte, wodurch das Fahrzeug den Charakter,
eines neutralen verlor, nicht ans das Küstenmeer zu beschränken, sondern
konnte auf der hohen See, welche keines Eigenthum ist, soweit fortgesetzt wer¬
den, bis sie in das Küstenmeer eines andern Staates ging, und deshalb kann die
Gesetzlichkeit der Wegnahme auf offnem Meere nicht angefochten werden. Die
Wegnahme aber hatte nicht nur einen repressiven, sondern auch einen präven¬
tiver Charakter- denn man konnte sehr wohl voraussetzen, daß der Cagliari
nach Ponza zurückkehre und von dort neue Aufständische nach dem Festlande
bringe. Demgemäß müsse sich die neapolitanische Negierung weigern, auf
die sardinischen Forderungen einzugehen.

Gras Cavour erwiederte am 18. März, daß er von dieser Depesche mit


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Papieren, welche seinen Ursprung und seine Bestimmung beglaubigten, ver¬
seilen war.

Die sardinische Negierung mußte demzufolge die Wegnahme des Cagliari
als völkerrechtswidrig ansehen und sich zu Reclamationen berechtigt erachten.
Am Ul. Januar richtete Graf Cavour eine Depesche an den Grafen Gropello,
worin er den obigen Thatbestand feststellte und demnach die Wegnahme für
ungesetzlich erklärte, die Fregatten hätten mindestens den Capitän sogleich
loslassen müssen, sobald sie aus seinen Papieren Nationalität und Charakter
des Schiffes ersehen. Die Negierung müsse daher Herausgabe desselben und
Freilassung aller verhafteten Personen fordern, da alles gerichtliche Verfahren
gegen dieselbe null und nichtig sei, indem die Wegnahme selbst als völker-
rechtswicdrig bezeichnet werden müsse. Der Commandeur Carafa antwortete
am 30. Januar, daß die Umstände eines Falles, wie der vorliegende sei. keine
diplomatische Erörterung zuließen, die Beurtheilung desselben vielmehr allein dem
zuständigen Gcrichshof obliege, ohne daß die Negierung sich irgendwie einmischen
dürfe oder könne. Von der Entscheidung des Obergerichtes zu Salerno also hänge
die Schuld oder Unschuld der Angeklagten ab, und das Prisengericht, welches
über die Wegnahme selbst zu urtheilen habe, sei den Statuten der königlichen
Marine gemäß eingesetzt. Der Capitän Sitzio und die Eigenthümer hätten
auch, weit entfernt die Competenz des Gerichtes anzufechten, dieselbe vielmehr
anerkannt und damit nur den unerschütterten völkerrechtlichen Grundsätzen ge¬
huldigt, welche sich in den Gesetzbüchern aller Staaten, Sardinien nicht aus¬
genommen, wiederfänden. Diese Thatsachen seien also füglich bei Seite und
den Gerichten zu überlassen. Ferner aber sei die Wegnahme eines Schiffes
auf hoher See noch an sich kein Act, welcher dem Völkerrecht zuwiderlaufe,
sie habe Statt gefunden infolge der Verbrechen, welche auf neapolitanischen
Gebiete von Individuen verübt seien, welche sich an Bord des Cagliari be¬
fanden, man hatte sie beobachtet und verfolgte sie, der Ausgangspunkt dieser
Verfolgung lag innerhalb neapolitanischen Gebietes, dieselbe brauchte sich
aber wegen jener verbrecherischen Acte, wodurch das Fahrzeug den Charakter,
eines neutralen verlor, nicht ans das Küstenmeer zu beschränken, sondern
konnte auf der hohen See, welche keines Eigenthum ist, soweit fortgesetzt wer¬
den, bis sie in das Küstenmeer eines andern Staates ging, und deshalb kann die
Gesetzlichkeit der Wegnahme auf offnem Meere nicht angefochten werden. Die
Wegnahme aber hatte nicht nur einen repressiven, sondern auch einen präven¬
tiver Charakter- denn man konnte sehr wohl voraussetzen, daß der Cagliari
nach Ponza zurückkehre und von dort neue Aufständische nach dem Festlande
bringe. Demgemäß müsse sich die neapolitanische Negierung weigern, auf
die sardinischen Forderungen einzugehen.

Gras Cavour erwiederte am 18. März, daß er von dieser Depesche mit


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[0171] Papieren, welche seinen Ursprung und seine Bestimmung beglaubigten, ver¬ seilen war. Die sardinische Negierung mußte demzufolge die Wegnahme des Cagliari als völkerrechtswidrig ansehen und sich zu Reclamationen berechtigt erachten. Am Ul. Januar richtete Graf Cavour eine Depesche an den Grafen Gropello, worin er den obigen Thatbestand feststellte und demnach die Wegnahme für ungesetzlich erklärte, die Fregatten hätten mindestens den Capitän sogleich loslassen müssen, sobald sie aus seinen Papieren Nationalität und Charakter des Schiffes ersehen. Die Negierung müsse daher Herausgabe desselben und Freilassung aller verhafteten Personen fordern, da alles gerichtliche Verfahren gegen dieselbe null und nichtig sei, indem die Wegnahme selbst als völker- rechtswicdrig bezeichnet werden müsse. Der Commandeur Carafa antwortete am 30. Januar, daß die Umstände eines Falles, wie der vorliegende sei. keine diplomatische Erörterung zuließen, die Beurtheilung desselben vielmehr allein dem zuständigen Gcrichshof obliege, ohne daß die Negierung sich irgendwie einmischen dürfe oder könne. Von der Entscheidung des Obergerichtes zu Salerno also hänge die Schuld oder Unschuld der Angeklagten ab, und das Prisengericht, welches über die Wegnahme selbst zu urtheilen habe, sei den Statuten der königlichen Marine gemäß eingesetzt. Der Capitän Sitzio und die Eigenthümer hätten auch, weit entfernt die Competenz des Gerichtes anzufechten, dieselbe vielmehr anerkannt und damit nur den unerschütterten völkerrechtlichen Grundsätzen ge¬ huldigt, welche sich in den Gesetzbüchern aller Staaten, Sardinien nicht aus¬ genommen, wiederfänden. Diese Thatsachen seien also füglich bei Seite und den Gerichten zu überlassen. Ferner aber sei die Wegnahme eines Schiffes auf hoher See noch an sich kein Act, welcher dem Völkerrecht zuwiderlaufe, sie habe Statt gefunden infolge der Verbrechen, welche auf neapolitanischen Gebiete von Individuen verübt seien, welche sich an Bord des Cagliari be¬ fanden, man hatte sie beobachtet und verfolgte sie, der Ausgangspunkt dieser Verfolgung lag innerhalb neapolitanischen Gebietes, dieselbe brauchte sich aber wegen jener verbrecherischen Acte, wodurch das Fahrzeug den Charakter, eines neutralen verlor, nicht ans das Küstenmeer zu beschränken, sondern konnte auf der hohen See, welche keines Eigenthum ist, soweit fortgesetzt wer¬ den, bis sie in das Küstenmeer eines andern Staates ging, und deshalb kann die Gesetzlichkeit der Wegnahme auf offnem Meere nicht angefochten werden. Die Wegnahme aber hatte nicht nur einen repressiven, sondern auch einen präven¬ tiver Charakter- denn man konnte sehr wohl voraussetzen, daß der Cagliari nach Ponza zurückkehre und von dort neue Aufständische nach dem Festlande bringe. Demgemäß müsse sich die neapolitanische Negierung weigern, auf die sardinischen Forderungen einzugehen. Gras Cavour erwiederte am 18. März, daß er von dieser Depesche mit 21 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/171>, abgerufen am 21.12.2024.