Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.gau breiter, -- dort wird nicht blos das a in o und das an in a. sondern Es ist wahr, der Pfälzer hat jetzt noch mehr specifisch pfälzischen Stolz gau breiter, — dort wird nicht blos das a in o und das an in a. sondern Es ist wahr, der Pfälzer hat jetzt noch mehr specifisch pfälzischen Stolz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0162" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186574"/> <p xml:id="ID_359" prev="#ID_358"> gau breiter, — dort wird nicht blos das a in o und das an in a. sondern<lb/> auch das e in i und i in e, das an in ü und das o gar in on in einer<lb/> geraumen Anzahl von Wörtern verwandelt. Und außer Hot, statt hat, —<lb/> den statt bin. Lab statt Laub. Broud statt Brod, sagt man als Anklang an<lb/> das Alemannische dort mich „ecri, gull. böifi" statt „eine, gute, böse", und<lb/> „Entlich, Mädlich, Vögelich" statt Entlein. Mägdlein. Vögelein in der Mehr¬<lb/> zahl. Von Grünstadt über das donnersberger Hügelland hinüber ist der Ueber¬<lb/> gang in den westricher Dialect. und so entspricht hier wie überall das Sprache<lb/> liebe dem Geographischen und Landschaftlichen. In der Haardt reicht das<lb/> Pfälzische bis unmittelbar an die Wasserscheide in die Thäler der Haardt,<lb/> über derselben wird schon völlig ausgeprägt die westricher Mundart ge¬<lb/> sprochen. Wie die Menschen dort, so auch ihre Sprache. — sie ist milder,<lb/> inniger, weicher, — raschelt nicht so gewaltig einher, im Gegentheil ergeht<lb/> sie sich in langsamer Weise, ruhiger auf und abwogend. in gezogenen Tönen,<lb/> so daß man oft den Gesang eines Kindes zu vernehmen glaubt. Der sanfte<lb/> rhythmische Gang derselben, die besonders im Munde von Mädchen liebliche<lb/> Melodie und die ungeschminkte Naivetät machen dieselbe zu einer der für das<lb/> Ohr angenehmsten, das Herz und Gemüth ansprechendsten Mundarten. Selbst<lb/> die Einzelsilbe hat zwei deutlich vernehmbare Töne und das Singende der<lb/> Mundart tritt in manchen Gegenden so stark hervor, daß man bei einzelnen<lb/> Sätzen einen angeschlagenen Accord zu vernehmen glaubt. Auffallend in dieser<lb/> Mundart ist besonders die Beugungsform des Hilfszeitwortes sein-, „eich sin,<lb/> du bischt, er is; mer bin. ehr bin, sie bin."</p><lb/> <p xml:id="ID_360" next="#ID_361"> Es ist wahr, der Pfälzer hat jetzt noch mehr specifisch pfälzischen Stolz<lb/> als den Stolz des Deutschen. Aber leider ist ja das in Deutschland überall<lb/> so und ist immer so gewesen. Sicherlich würde heute jeder Pfälzer seinen<lb/> Localpatriotismus dem allgemeinen opfern, wenn es zu einem einigen Deutsch¬<lb/> land käme. So lange er aber sieht, daß der Oestreicher sich als Oestreicher,<lb/> der Brandenburger als Brandenburger fühlt, kann er des Gedankens nicht<lb/> los werden, ob denn auch die alte rheinische Pfalz nicht in politischer Eben¬<lb/> bürtigkeit den andern gegenüberstehen könne, warum denn grade sie zerstückelt<lb/> und getrennt sein müsse! Er ist jedoch politisch reif genug, daß er dabei nicht<lb/> an einen neuen Duodezstaat denkt. — vielmehr sind manche der Meinung,<lb/> daß überhaupt die Rheinlande insgesammt einen Staat bilden konnten, wozu<lb/> Elsaß und Lothringen fallen müßten. Die Idee der Errichtung eines „bur¬<lb/> gundischen Reiches" hatte denn auch 1832 eine große Partei am Rheine für<lb/> sich und sie ist bekanntlich keineswegs eine neue. In den Köpfen mehrer<lb/> Pfalzgrafen faßte sie Raum, die ja ohnedies eine gewisse Lehnsherrlichkeit über<lb/> die meisten Nachbarstaaten ausübten und unter andern alle „Wildfänge" der<lb/> benachbarten Länder in Anspruch nahmen. Sie waren zugleich Kreisoberste</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0162]
gau breiter, — dort wird nicht blos das a in o und das an in a. sondern
auch das e in i und i in e, das an in ü und das o gar in on in einer
geraumen Anzahl von Wörtern verwandelt. Und außer Hot, statt hat, —
den statt bin. Lab statt Laub. Broud statt Brod, sagt man als Anklang an
das Alemannische dort mich „ecri, gull. böifi" statt „eine, gute, böse", und
„Entlich, Mädlich, Vögelich" statt Entlein. Mägdlein. Vögelein in der Mehr¬
zahl. Von Grünstadt über das donnersberger Hügelland hinüber ist der Ueber¬
gang in den westricher Dialect. und so entspricht hier wie überall das Sprache
liebe dem Geographischen und Landschaftlichen. In der Haardt reicht das
Pfälzische bis unmittelbar an die Wasserscheide in die Thäler der Haardt,
über derselben wird schon völlig ausgeprägt die westricher Mundart ge¬
sprochen. Wie die Menschen dort, so auch ihre Sprache. — sie ist milder,
inniger, weicher, — raschelt nicht so gewaltig einher, im Gegentheil ergeht
sie sich in langsamer Weise, ruhiger auf und abwogend. in gezogenen Tönen,
so daß man oft den Gesang eines Kindes zu vernehmen glaubt. Der sanfte
rhythmische Gang derselben, die besonders im Munde von Mädchen liebliche
Melodie und die ungeschminkte Naivetät machen dieselbe zu einer der für das
Ohr angenehmsten, das Herz und Gemüth ansprechendsten Mundarten. Selbst
die Einzelsilbe hat zwei deutlich vernehmbare Töne und das Singende der
Mundart tritt in manchen Gegenden so stark hervor, daß man bei einzelnen
Sätzen einen angeschlagenen Accord zu vernehmen glaubt. Auffallend in dieser
Mundart ist besonders die Beugungsform des Hilfszeitwortes sein-, „eich sin,
du bischt, er is; mer bin. ehr bin, sie bin."
Es ist wahr, der Pfälzer hat jetzt noch mehr specifisch pfälzischen Stolz
als den Stolz des Deutschen. Aber leider ist ja das in Deutschland überall
so und ist immer so gewesen. Sicherlich würde heute jeder Pfälzer seinen
Localpatriotismus dem allgemeinen opfern, wenn es zu einem einigen Deutsch¬
land käme. So lange er aber sieht, daß der Oestreicher sich als Oestreicher,
der Brandenburger als Brandenburger fühlt, kann er des Gedankens nicht
los werden, ob denn auch die alte rheinische Pfalz nicht in politischer Eben¬
bürtigkeit den andern gegenüberstehen könne, warum denn grade sie zerstückelt
und getrennt sein müsse! Er ist jedoch politisch reif genug, daß er dabei nicht
an einen neuen Duodezstaat denkt. — vielmehr sind manche der Meinung,
daß überhaupt die Rheinlande insgesammt einen Staat bilden konnten, wozu
Elsaß und Lothringen fallen müßten. Die Idee der Errichtung eines „bur¬
gundischen Reiches" hatte denn auch 1832 eine große Partei am Rheine für
sich und sie ist bekanntlich keineswegs eine neue. In den Köpfen mehrer
Pfalzgrafen faßte sie Raum, die ja ohnedies eine gewisse Lehnsherrlichkeit über
die meisten Nachbarstaaten ausübten und unter andern alle „Wildfänge" der
benachbarten Länder in Anspruch nahmen. Sie waren zugleich Kreisoberste
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