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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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hierin nur auf Andeutungen. Die Verschluckungen des n am Ende der
Wörter, die mannigfachen Nasenlaute, die Aussprache des el und al wie ä,
die weiche Betonung des b in der Mitte der Warte (wie w), die rasche
sprudelnde, zungenfertige Sprechweise und die vielen beigemischten, wenn auch
verdorbenen französischen Worte, deren Begriff im Deutschen auszudrücken dem
Pfälzer gar nicht mehr geläufig ist, erinnern an die Nähe der Franzosen,
zu welchen jn die Pfälzer den Uebergang bilden sollen. Dem Pfälzer
sind ü. o unbekannte Laute, er kennt nur die reinen Vokale i und e,
ebensowenig kennt er den Doppelconsonant pf, oder das harte t, wofür
ihm p und d genügen. Ueberhaupt hat die pfälzische Sprache ebenso viele An¬
klänge aus dem Plattdeutschen als aus dem eigentlichen Süddeutschen und
bildet den Uebergang. Am leichtesten wird sich der Pfälzer mit dem Franken
überhaupt, dann mit dem Thüringer und Meißner verständigen. -- Wenn
das d am Ende der Worte nicht selten ganz wegfällt, so tritt an seine Stelle
in der Mitte der Worte nicht blos im Wesirich, sondern auch besonders in der
südlichen Vorderpfalz ein leises r, und das r selbst am Ende der Wörter wird
oft gar nicht oder nur halb gehört. Charakeristisch ist sodann die Aussprache
des se und sy, wie seht und hebb. Ferner hat außer ihren besondern Eigen¬
thümlichkeiten, ihrem Bilderreichthum, ihren drastischen Wendungen und ihre"
handgreiflichen Vergleichen und Sprichwörtern, ihren originellen Ausrufungen
und Flüchen, wovon wir nur das allbekannte "die Kreml" nennen, kein andrer
Dialekt so viel Beimischungen aus dem Jänischcn oder Rothwelsch der Juden
und Gauner. Jeder Handelsmann in der Pfalz versteht dieses und muß es
geläufig sprechen können, und so haben sich eine ganze Masse von Wörtern,
zum Theil hebräischen Ursprungs, in die Volkssprache eingeschmuggelt, so daß
der wackere Seume nicht und Unrecht von dem Judcnjargon der Pfälzer spricht:
-- sonderbarerweise finden aber nun grade die Pfälzer, daß die übrigen Deut¬
schen einen dem Jüdischen ähnlichen Dialekt sprechen, wie denn Seume bei
seiner Rückkehr von Svracns von jenem Pfälzerbauern auch für einen Juden
gehalten wurde.

Eine strenge Sprachscheide in der Pfalz bildet die First der Wasserscheide,
zwischen dem Westnch und der eigentlichen Pfalz. Das Vorderpfälzische
hat jene oben berührten Eigenschaften in höherem Grade, -- rasch sprudelt
es von dein Munde, beinahe "hurtig und Donnergepolter", frisch und frei
liegt das Herz uns der Zunge, die freundlichsten, herzlichsten Verfluchungen,
die liebenswürdigsten Grobheiten, die gröbsten Liebenswürdigkeiten und ein
Schwall vou derben Wortbildern stürzt einem entgegen. Hart, lebhaft und
auch in seinem Ernste noch jovial und komisch hört sich der vorderpsälzische
Dialekt an. Oft schneidend scharf in seinen Klänge,, ergötzt dennoch der Humor,
der schon im Accent liegt. Arber Landau hinaus wird der Dialekt im Was-


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hierin nur auf Andeutungen. Die Verschluckungen des n am Ende der
Wörter, die mannigfachen Nasenlaute, die Aussprache des el und al wie ä,
die weiche Betonung des b in der Mitte der Warte (wie w), die rasche
sprudelnde, zungenfertige Sprechweise und die vielen beigemischten, wenn auch
verdorbenen französischen Worte, deren Begriff im Deutschen auszudrücken dem
Pfälzer gar nicht mehr geläufig ist, erinnern an die Nähe der Franzosen,
zu welchen jn die Pfälzer den Uebergang bilden sollen. Dem Pfälzer
sind ü. o unbekannte Laute, er kennt nur die reinen Vokale i und e,
ebensowenig kennt er den Doppelconsonant pf, oder das harte t, wofür
ihm p und d genügen. Ueberhaupt hat die pfälzische Sprache ebenso viele An¬
klänge aus dem Plattdeutschen als aus dem eigentlichen Süddeutschen und
bildet den Uebergang. Am leichtesten wird sich der Pfälzer mit dem Franken
überhaupt, dann mit dem Thüringer und Meißner verständigen. — Wenn
das d am Ende der Worte nicht selten ganz wegfällt, so tritt an seine Stelle
in der Mitte der Worte nicht blos im Wesirich, sondern auch besonders in der
südlichen Vorderpfalz ein leises r, und das r selbst am Ende der Wörter wird
oft gar nicht oder nur halb gehört. Charakeristisch ist sodann die Aussprache
des se und sy, wie seht und hebb. Ferner hat außer ihren besondern Eigen¬
thümlichkeiten, ihrem Bilderreichthum, ihren drastischen Wendungen und ihre»
handgreiflichen Vergleichen und Sprichwörtern, ihren originellen Ausrufungen
und Flüchen, wovon wir nur das allbekannte „die Kreml" nennen, kein andrer
Dialekt so viel Beimischungen aus dem Jänischcn oder Rothwelsch der Juden
und Gauner. Jeder Handelsmann in der Pfalz versteht dieses und muß es
geläufig sprechen können, und so haben sich eine ganze Masse von Wörtern,
zum Theil hebräischen Ursprungs, in die Volkssprache eingeschmuggelt, so daß
der wackere Seume nicht und Unrecht von dem Judcnjargon der Pfälzer spricht:
— sonderbarerweise finden aber nun grade die Pfälzer, daß die übrigen Deut¬
schen einen dem Jüdischen ähnlichen Dialekt sprechen, wie denn Seume bei
seiner Rückkehr von Svracns von jenem Pfälzerbauern auch für einen Juden
gehalten wurde.

Eine strenge Sprachscheide in der Pfalz bildet die First der Wasserscheide,
zwischen dem Westnch und der eigentlichen Pfalz. Das Vorderpfälzische
hat jene oben berührten Eigenschaften in höherem Grade, — rasch sprudelt
es von dein Munde, beinahe „hurtig und Donnergepolter", frisch und frei
liegt das Herz uns der Zunge, die freundlichsten, herzlichsten Verfluchungen,
die liebenswürdigsten Grobheiten, die gröbsten Liebenswürdigkeiten und ein
Schwall vou derben Wortbildern stürzt einem entgegen. Hart, lebhaft und
auch in seinem Ernste noch jovial und komisch hört sich der vorderpsälzische
Dialekt an. Oft schneidend scharf in seinen Klänge,, ergötzt dennoch der Humor,
der schon im Accent liegt. Arber Landau hinaus wird der Dialekt im Was-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/161>, abgerufen am 21.12.2024.