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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Geistes Kraft und Muth; die war seine Waffe, diese gab er den Prälaten,
diese gab er den Großen. Zwei oder drei müssen Gregorium verdammen,
die andern sehen gern, was der Mensch vermag wider zufällige Uebermacht
.... Gregor. Alexander. Innocenz erhoben einen Damm wider einen Strom,
der dem Erdboden drohte. Hier bauten ihre Vaterhände die Hierarchie und
neben ihr die Freiheit aller Staaten. Ohne diese konnte Rom durch die
Rescripte eines Einigen fallen; ohne jene war nicht möglich, allen Völkern
einerlei Gedanken einzugeben. Ohne Papst war die Kirche gleich wie ein
Heer, dessen Feldherr erschlagen worden ist. Ohne die Hierarchie hatte Eu¬
ropa keine Gesellschaft, welche (geschähe es auch wegen ihres eignen Vortheils)
über den allgemeinen Vortheil unaufhörlich wachen müßte. Von dem an war
eine Freistatt wider den Zorn der Potentaten: der Altar; es war eine Frei¬
statt wider den Mißbrauch des priesterlichen Ansehens: der Thron; und in
dem Gleichgewicht lag öffentliches Wohl.... Sie lebten in finsteren Zeiten,
welche uns aber alles gegeben, was wir nutzen. Vorher als der Imperator
auch der erste Pontifex war, war die ganze gesittete Welt in Schande, Bar¬
barei, Tod und Ruin verfallen: aus keiner andern Ursache, als weil, bezau-
bert von den Tugenden des Dictator Cäsar die Römer einem einigen Menschen
über Millionen, beides in göttlichen und menschlichen Dingen, unumschränkte
Obergewalt gelassen, ohne zu bedenken, daß ein Tiberius kommen könne."

Bei dem Verdacht, mit dem man damals die Umtriebe der Katholiken
verfolgte, mußte diese Verherrlichung des Papstthums von Seiten eines prote¬
stantischen Schriftstellers das größte Erstaunen erregen. Es ist vielleicht das¬
jenige Werk, durch welches Müller den unmittelbarsten Einfluß ausgeübthat.
Auch war für ihn die Beziehung auf die Gegenwart -- Kaiser Josephs Ein¬
griffe in die geistlichen Stifter -- die Hauptsache. "In den Reisen der Päpste"
schreibt er 14. Ma 1782 n. s. Br., "trachte ich das Jubelgeschrei des Publi-
cums über den Umsturz aller Vormauern militärischer Alleinherrschaft einiger
Maßen zu stillen; ich zeige, daß die Päpste der Kaisermacht in allen Zeiten
ein Gleichgewicht entgegengesetzt. Wenn ich in östreichischen Diensten wäre,
so dürfte ich nicht so schreiben; so lange ich es aber nicht bin, werde ich bis¬
weilen trachten, von gewissen Sachen den Deutschen richtige Begriffe beizu¬
bringen; denn dessen, was zu sagen ist, habe ich den zehnten Theil noch nicht
gesagt; es kömmt noch besser. Obgedachtes Buch macht Aussehn; verschiedene
Große haben mich dafür becomplimentirt, andere billigen es heimlich. Einige
von der Widerpart finden darin heimliches Gift. Mit Spittler habe ich einen
sonderbaren Briefwechsel hierüber; die Controvers hat uns zu Freunden ge¬
macht, welches nicht allezeit geschieht. Viele, welche den Versasser nicht wissen,
sagen, es ist von einem Jesuiten! Protestantische Geistliche haben es eifrig
vertheidigt; Einige wollten gern, die Hierarchie wäre noch."-- Am auffuhr-


Geistes Kraft und Muth; die war seine Waffe, diese gab er den Prälaten,
diese gab er den Großen. Zwei oder drei müssen Gregorium verdammen,
die andern sehen gern, was der Mensch vermag wider zufällige Uebermacht
.... Gregor. Alexander. Innocenz erhoben einen Damm wider einen Strom,
der dem Erdboden drohte. Hier bauten ihre Vaterhände die Hierarchie und
neben ihr die Freiheit aller Staaten. Ohne diese konnte Rom durch die
Rescripte eines Einigen fallen; ohne jene war nicht möglich, allen Völkern
einerlei Gedanken einzugeben. Ohne Papst war die Kirche gleich wie ein
Heer, dessen Feldherr erschlagen worden ist. Ohne die Hierarchie hatte Eu¬
ropa keine Gesellschaft, welche (geschähe es auch wegen ihres eignen Vortheils)
über den allgemeinen Vortheil unaufhörlich wachen müßte. Von dem an war
eine Freistatt wider den Zorn der Potentaten: der Altar; es war eine Frei¬
statt wider den Mißbrauch des priesterlichen Ansehens: der Thron; und in
dem Gleichgewicht lag öffentliches Wohl.... Sie lebten in finsteren Zeiten,
welche uns aber alles gegeben, was wir nutzen. Vorher als der Imperator
auch der erste Pontifex war, war die ganze gesittete Welt in Schande, Bar¬
barei, Tod und Ruin verfallen: aus keiner andern Ursache, als weil, bezau-
bert von den Tugenden des Dictator Cäsar die Römer einem einigen Menschen
über Millionen, beides in göttlichen und menschlichen Dingen, unumschränkte
Obergewalt gelassen, ohne zu bedenken, daß ein Tiberius kommen könne."

Bei dem Verdacht, mit dem man damals die Umtriebe der Katholiken
verfolgte, mußte diese Verherrlichung des Papstthums von Seiten eines prote¬
stantischen Schriftstellers das größte Erstaunen erregen. Es ist vielleicht das¬
jenige Werk, durch welches Müller den unmittelbarsten Einfluß ausgeübthat.
Auch war für ihn die Beziehung auf die Gegenwart — Kaiser Josephs Ein¬
griffe in die geistlichen Stifter — die Hauptsache. „In den Reisen der Päpste"
schreibt er 14. Ma 1782 n. s. Br., „trachte ich das Jubelgeschrei des Publi-
cums über den Umsturz aller Vormauern militärischer Alleinherrschaft einiger
Maßen zu stillen; ich zeige, daß die Päpste der Kaisermacht in allen Zeiten
ein Gleichgewicht entgegengesetzt. Wenn ich in östreichischen Diensten wäre,
so dürfte ich nicht so schreiben; so lange ich es aber nicht bin, werde ich bis¬
weilen trachten, von gewissen Sachen den Deutschen richtige Begriffe beizu¬
bringen; denn dessen, was zu sagen ist, habe ich den zehnten Theil noch nicht
gesagt; es kömmt noch besser. Obgedachtes Buch macht Aussehn; verschiedene
Große haben mich dafür becomplimentirt, andere billigen es heimlich. Einige
von der Widerpart finden darin heimliches Gift. Mit Spittler habe ich einen
sonderbaren Briefwechsel hierüber; die Controvers hat uns zu Freunden ge¬
macht, welches nicht allezeit geschieht. Viele, welche den Versasser nicht wissen,
sagen, es ist von einem Jesuiten! Protestantische Geistliche haben es eifrig
vertheidigt; Einige wollten gern, die Hierarchie wäre noch."— Am auffuhr-


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[0143] Geistes Kraft und Muth; die war seine Waffe, diese gab er den Prälaten, diese gab er den Großen. Zwei oder drei müssen Gregorium verdammen, die andern sehen gern, was der Mensch vermag wider zufällige Uebermacht .... Gregor. Alexander. Innocenz erhoben einen Damm wider einen Strom, der dem Erdboden drohte. Hier bauten ihre Vaterhände die Hierarchie und neben ihr die Freiheit aller Staaten. Ohne diese konnte Rom durch die Rescripte eines Einigen fallen; ohne jene war nicht möglich, allen Völkern einerlei Gedanken einzugeben. Ohne Papst war die Kirche gleich wie ein Heer, dessen Feldherr erschlagen worden ist. Ohne die Hierarchie hatte Eu¬ ropa keine Gesellschaft, welche (geschähe es auch wegen ihres eignen Vortheils) über den allgemeinen Vortheil unaufhörlich wachen müßte. Von dem an war eine Freistatt wider den Zorn der Potentaten: der Altar; es war eine Frei¬ statt wider den Mißbrauch des priesterlichen Ansehens: der Thron; und in dem Gleichgewicht lag öffentliches Wohl.... Sie lebten in finsteren Zeiten, welche uns aber alles gegeben, was wir nutzen. Vorher als der Imperator auch der erste Pontifex war, war die ganze gesittete Welt in Schande, Bar¬ barei, Tod und Ruin verfallen: aus keiner andern Ursache, als weil, bezau- bert von den Tugenden des Dictator Cäsar die Römer einem einigen Menschen über Millionen, beides in göttlichen und menschlichen Dingen, unumschränkte Obergewalt gelassen, ohne zu bedenken, daß ein Tiberius kommen könne." Bei dem Verdacht, mit dem man damals die Umtriebe der Katholiken verfolgte, mußte diese Verherrlichung des Papstthums von Seiten eines prote¬ stantischen Schriftstellers das größte Erstaunen erregen. Es ist vielleicht das¬ jenige Werk, durch welches Müller den unmittelbarsten Einfluß ausgeübthat. Auch war für ihn die Beziehung auf die Gegenwart — Kaiser Josephs Ein¬ griffe in die geistlichen Stifter — die Hauptsache. „In den Reisen der Päpste" schreibt er 14. Ma 1782 n. s. Br., „trachte ich das Jubelgeschrei des Publi- cums über den Umsturz aller Vormauern militärischer Alleinherrschaft einiger Maßen zu stillen; ich zeige, daß die Päpste der Kaisermacht in allen Zeiten ein Gleichgewicht entgegengesetzt. Wenn ich in östreichischen Diensten wäre, so dürfte ich nicht so schreiben; so lange ich es aber nicht bin, werde ich bis¬ weilen trachten, von gewissen Sachen den Deutschen richtige Begriffe beizu¬ bringen; denn dessen, was zu sagen ist, habe ich den zehnten Theil noch nicht gesagt; es kömmt noch besser. Obgedachtes Buch macht Aussehn; verschiedene Große haben mich dafür becomplimentirt, andere billigen es heimlich. Einige von der Widerpart finden darin heimliches Gift. Mit Spittler habe ich einen sonderbaren Briefwechsel hierüber; die Controvers hat uns zu Freunden ge¬ macht, welches nicht allezeit geschieht. Viele, welche den Versasser nicht wissen, sagen, es ist von einem Jesuiten! Protestantische Geistliche haben es eifrig vertheidigt; Einige wollten gern, die Hierarchie wäre noch."— Am auffuhr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/143>, abgerufen am 22.12.2024.