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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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steht bei den Vorurtheilen und der Taktik der leitenden Personen wol so ziem¬
lich sest. Dennoch, und vielleicht grade darum, hat die Zusammenkunft in
Frankfurt der Sache der Association gute Früchte getragen. Eben die einer
Erörterung darüber in den Congreßsitzungen bereiteten Hindernisse brachten die
erwähnte Separatversammlung zu Wege, welche bewirkte, daß sich die deut¬
schen Mitglieder, die den Kern derselben bildeten, ihrer besondern, wir
möchten sagen nationalen Stellung zu der Frage bewußt wurden. Denn
das kann man sich bei näherem Hinblick wol kaum verhehlen, daß sich der
Zwiespalt der großen Principien, welche unter den gebildeten Völkern der Neu¬
zeit um die Herrschaft streiten, des Romanischen und Germanisch en. auch
in Auffassung und Handhabung der socialen Frage kundgibt. Auf der
einen Seite kirchliche oder staatliche Centralisation, jede selbstständige Regung
der Massen überwacht und verpönt, alles von oben geregelt, alles, mit Er-
tödtung jedes individuellen Unterschiedes, in einem wohldrcssirten hierarchischen
oder bureaukratischen Mechanismus eingezwängt. Auf der andern Seite da¬
gegen die mannigfaltigste Gliederung in freien, je nach der Gemeinschaft der
Interessen wechselnden Gruppen, von denen jede ihre besondern Angelegenheiten
selbst ordnet und auf die eigne Kraft gestützt fremde Hilfe und Leitung weder
verlangt noch duldet: und alles dies unbeschadet des gemeinsamen alle um¬
schlingenden Bandes, der höhern organischen Einheit, der sie sich, ohne die
Selbstständigkeit in ihrer individuellen Sphäre aufzugeben, sämmtlich einordnen,
und der sie grade hierdurch erst die echte Lebensfähigkeit mittheilen. Daher
waren denn auch die die deutschen Kongreßmitglieder nicht einen Augen¬
blick zweifelhaft, für welche von den beiden Richtungen sie sich erklären sollten,
und erhoben die Sache der aus der Basis vernünftiger Selbsthilfe beruhenden,
überall an die bestehenden Verhältnisse anknüpfenden Association mit allgemei¬
ner Bestimmung zu der ihrigen. Und wol dürfen wir in dieser Haltung von
Männern, die aus den verschiedensten Gegenden des gemeinsamen Vaterlandes
zusammengetroffen waren, und von denen viele durch ihre literarische und
sonstige Bedeutung, wie durch ihre bürgerliche Stellung zu den Notabilitäten
gehören, eine bedeutungsvolle Kundgebung der nationalen Sympathien für
unsre Sache erblicken. Wahrend dieselbe beim eigentlichen Volke in vielfachen
praktischen Gestaltungen mehr Eingang findet, während sich auch die Presse
fast allgemein dafür erklärt hat, fehlte es eben nur noch an einem öffentlichen
Ausspruch solcher Männer, abgegeben bei solcher Gelegenheit, um das Asso¬
ciationswesen, wie es sich bei uns gestaltet, als Nationalangelegenheit er¬
scheinen zu lassen. Ja noch mehr, wir sehen in diesem entschiedenen und
besondern Vorgehen der deutschen Congreßmitglieder die Bürgschaft und den
Vorläufer eines dieser Angelegenheit gewidmeten besondern deutschen Kon¬
gresses, s


steht bei den Vorurtheilen und der Taktik der leitenden Personen wol so ziem¬
lich sest. Dennoch, und vielleicht grade darum, hat die Zusammenkunft in
Frankfurt der Sache der Association gute Früchte getragen. Eben die einer
Erörterung darüber in den Congreßsitzungen bereiteten Hindernisse brachten die
erwähnte Separatversammlung zu Wege, welche bewirkte, daß sich die deut¬
schen Mitglieder, die den Kern derselben bildeten, ihrer besondern, wir
möchten sagen nationalen Stellung zu der Frage bewußt wurden. Denn
das kann man sich bei näherem Hinblick wol kaum verhehlen, daß sich der
Zwiespalt der großen Principien, welche unter den gebildeten Völkern der Neu¬
zeit um die Herrschaft streiten, des Romanischen und Germanisch en. auch
in Auffassung und Handhabung der socialen Frage kundgibt. Auf der
einen Seite kirchliche oder staatliche Centralisation, jede selbstständige Regung
der Massen überwacht und verpönt, alles von oben geregelt, alles, mit Er-
tödtung jedes individuellen Unterschiedes, in einem wohldrcssirten hierarchischen
oder bureaukratischen Mechanismus eingezwängt. Auf der andern Seite da¬
gegen die mannigfaltigste Gliederung in freien, je nach der Gemeinschaft der
Interessen wechselnden Gruppen, von denen jede ihre besondern Angelegenheiten
selbst ordnet und auf die eigne Kraft gestützt fremde Hilfe und Leitung weder
verlangt noch duldet: und alles dies unbeschadet des gemeinsamen alle um¬
schlingenden Bandes, der höhern organischen Einheit, der sie sich, ohne die
Selbstständigkeit in ihrer individuellen Sphäre aufzugeben, sämmtlich einordnen,
und der sie grade hierdurch erst die echte Lebensfähigkeit mittheilen. Daher
waren denn auch die die deutschen Kongreßmitglieder nicht einen Augen¬
blick zweifelhaft, für welche von den beiden Richtungen sie sich erklären sollten,
und erhoben die Sache der aus der Basis vernünftiger Selbsthilfe beruhenden,
überall an die bestehenden Verhältnisse anknüpfenden Association mit allgemei¬
ner Bestimmung zu der ihrigen. Und wol dürfen wir in dieser Haltung von
Männern, die aus den verschiedensten Gegenden des gemeinsamen Vaterlandes
zusammengetroffen waren, und von denen viele durch ihre literarische und
sonstige Bedeutung, wie durch ihre bürgerliche Stellung zu den Notabilitäten
gehören, eine bedeutungsvolle Kundgebung der nationalen Sympathien für
unsre Sache erblicken. Wahrend dieselbe beim eigentlichen Volke in vielfachen
praktischen Gestaltungen mehr Eingang findet, während sich auch die Presse
fast allgemein dafür erklärt hat, fehlte es eben nur noch an einem öffentlichen
Ausspruch solcher Männer, abgegeben bei solcher Gelegenheit, um das Asso¬
ciationswesen, wie es sich bei uns gestaltet, als Nationalangelegenheit er¬
scheinen zu lassen. Ja noch mehr, wir sehen in diesem entschiedenen und
besondern Vorgehen der deutschen Congreßmitglieder die Bürgschaft und den
Vorläufer eines dieser Angelegenheit gewidmeten besondern deutschen Kon¬
gresses, s


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[0134] steht bei den Vorurtheilen und der Taktik der leitenden Personen wol so ziem¬ lich sest. Dennoch, und vielleicht grade darum, hat die Zusammenkunft in Frankfurt der Sache der Association gute Früchte getragen. Eben die einer Erörterung darüber in den Congreßsitzungen bereiteten Hindernisse brachten die erwähnte Separatversammlung zu Wege, welche bewirkte, daß sich die deut¬ schen Mitglieder, die den Kern derselben bildeten, ihrer besondern, wir möchten sagen nationalen Stellung zu der Frage bewußt wurden. Denn das kann man sich bei näherem Hinblick wol kaum verhehlen, daß sich der Zwiespalt der großen Principien, welche unter den gebildeten Völkern der Neu¬ zeit um die Herrschaft streiten, des Romanischen und Germanisch en. auch in Auffassung und Handhabung der socialen Frage kundgibt. Auf der einen Seite kirchliche oder staatliche Centralisation, jede selbstständige Regung der Massen überwacht und verpönt, alles von oben geregelt, alles, mit Er- tödtung jedes individuellen Unterschiedes, in einem wohldrcssirten hierarchischen oder bureaukratischen Mechanismus eingezwängt. Auf der andern Seite da¬ gegen die mannigfaltigste Gliederung in freien, je nach der Gemeinschaft der Interessen wechselnden Gruppen, von denen jede ihre besondern Angelegenheiten selbst ordnet und auf die eigne Kraft gestützt fremde Hilfe und Leitung weder verlangt noch duldet: und alles dies unbeschadet des gemeinsamen alle um¬ schlingenden Bandes, der höhern organischen Einheit, der sie sich, ohne die Selbstständigkeit in ihrer individuellen Sphäre aufzugeben, sämmtlich einordnen, und der sie grade hierdurch erst die echte Lebensfähigkeit mittheilen. Daher waren denn auch die die deutschen Kongreßmitglieder nicht einen Augen¬ blick zweifelhaft, für welche von den beiden Richtungen sie sich erklären sollten, und erhoben die Sache der aus der Basis vernünftiger Selbsthilfe beruhenden, überall an die bestehenden Verhältnisse anknüpfenden Association mit allgemei¬ ner Bestimmung zu der ihrigen. Und wol dürfen wir in dieser Haltung von Männern, die aus den verschiedensten Gegenden des gemeinsamen Vaterlandes zusammengetroffen waren, und von denen viele durch ihre literarische und sonstige Bedeutung, wie durch ihre bürgerliche Stellung zu den Notabilitäten gehören, eine bedeutungsvolle Kundgebung der nationalen Sympathien für unsre Sache erblicken. Wahrend dieselbe beim eigentlichen Volke in vielfachen praktischen Gestaltungen mehr Eingang findet, während sich auch die Presse fast allgemein dafür erklärt hat, fehlte es eben nur noch an einem öffentlichen Ausspruch solcher Männer, abgegeben bei solcher Gelegenheit, um das Asso¬ ciationswesen, wie es sich bei uns gestaltet, als Nationalangelegenheit er¬ scheinen zu lassen. Ja noch mehr, wir sehen in diesem entschiedenen und besondern Vorgehen der deutschen Congreßmitglieder die Bürgschaft und den Vorläufer eines dieser Angelegenheit gewidmeten besondern deutschen Kon¬ gresses, s

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/134>, abgerufen am 22.12.2024.