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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Sache von Tag zu Tag sich hinzog. Da nun die letzten Tage voraussichtlich
von den wichtigen "och rückständigen Sectionsberichten in Anspruch genommen
wurden. Schulze, auch anderweit engagirt, seinen Aufenthalt nicht so lange
ausdehnen konnte, so gab derselbe die Veranlassung zu einer Separatversammlung
derjenigen Congrcßmitglieder, welche sich für die Sache interessirten, im Saale
des Hotel Landsberg. Ol'schon die Einladung hierzu nur durch mündliche
Mittheilung unter den Mitgliedern verbreitet worden war, fand sich doch eine
große Zahl, hauptsächlich Deutsche, nebst einigen Schweizern, Franzosen, Deutsch¬
russen und Holländern zusammen, darunter namhafte wissenschaftliche Autori¬
täten, so die Professoren Nan, Mittermaier, Welcker und Friedländer von
Heidelberg, Schubert von Königsberg, Matomizka von Erlangen u. A. Ein¬
stimmig wurde auf den längern, eingehenden Vortrag Schutzes die Wichtig¬
keit, die wirthschaftlich gesunde Grundlage der Associationen anerkannt, ja von
den Resultaten der noch in den ersten Anfängen befangenen Bewegung, wie
z. V. bei den Vorschußvereinen, war man wahrhaft überrascht. Infolge
dessen hat denn auch ein Theil der Anwesenden noch in der letzten Congreß-
sitzung den Antrag eingebracht und durchgesetzt:


"Daß das Princip und die fortschreitende Entwicklung der auf verständiger
Selbsthilfe und eigner Kraft beruhenden ökonomischen Association, ins¬
besondere derVorschußvereine und gewerkschaftlichenGenossc li-
schaften zur gemeinschaftlichen Anschaffung der Rohstoffe für die
Fabrikation, so wie der Vereinigungen zur Beschaffung der
nothwendigen Lebensbedürfnisse unter den Handwerkern und
andern gewerblichen Arbeitern auf dem gegenwärtigen Congresse zum
Gegenstande der Berathung gemacht, demnächst aber auch unter die Be-
rathungsgcgenstände der folgenden Congresse aufgenommen werde."

Indessen ist mit dieser Concession so wenig, wie mit der früher an Huber
gemachten für die Sache der Association beim Congresse etwas gewonnen, so
lange dessen Leitung denselben Personen verbleibt, wie bisher. Es sind dies
wesentlich die belgischen Mitglieder, denen man hauptsächlich das Verdienst
der Stiftung dieser Versammlungen und eine gewisse Allmacht stillschweigend zuzu¬
gestehen scheint. Und wie geschickt diese Herrn alles, was ihnen nicht taugt, zu besei¬
tigen wissen, zeigte sich beim Congresse unter andern in der wichtigen Principien¬
frage: ob die Armenpflege Staatsgemeinde- oder Privatsache sein, oder ob sie
der Kirche überwiesen werden solle? Die hierüber jüngst in Belgien ent¬
standenen Streitigkeiten und Unruhen ließen eine lebhafte Debatte erwarten,
dock mochten den Herrn die Einblicke in die sehr sättigen Zustände ihres
Vaterlandes in dieser Rücksicht unbequem sein. Denn obschon sowol die
Häupter der liberalen, wie der klerikalen Partei in Frankfurt vertreten waren,
hatten sie im gegenseitigen EinVerständniß, noch vor dem vollzähligen Ein-


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Sache von Tag zu Tag sich hinzog. Da nun die letzten Tage voraussichtlich
von den wichtigen »och rückständigen Sectionsberichten in Anspruch genommen
wurden. Schulze, auch anderweit engagirt, seinen Aufenthalt nicht so lange
ausdehnen konnte, so gab derselbe die Veranlassung zu einer Separatversammlung
derjenigen Congrcßmitglieder, welche sich für die Sache interessirten, im Saale
des Hotel Landsberg. Ol'schon die Einladung hierzu nur durch mündliche
Mittheilung unter den Mitgliedern verbreitet worden war, fand sich doch eine
große Zahl, hauptsächlich Deutsche, nebst einigen Schweizern, Franzosen, Deutsch¬
russen und Holländern zusammen, darunter namhafte wissenschaftliche Autori¬
täten, so die Professoren Nan, Mittermaier, Welcker und Friedländer von
Heidelberg, Schubert von Königsberg, Matomizka von Erlangen u. A. Ein¬
stimmig wurde auf den längern, eingehenden Vortrag Schutzes die Wichtig¬
keit, die wirthschaftlich gesunde Grundlage der Associationen anerkannt, ja von
den Resultaten der noch in den ersten Anfängen befangenen Bewegung, wie
z. V. bei den Vorschußvereinen, war man wahrhaft überrascht. Infolge
dessen hat denn auch ein Theil der Anwesenden noch in der letzten Congreß-
sitzung den Antrag eingebracht und durchgesetzt:


„Daß das Princip und die fortschreitende Entwicklung der auf verständiger
Selbsthilfe und eigner Kraft beruhenden ökonomischen Association, ins¬
besondere derVorschußvereine und gewerkschaftlichenGenossc li-
schaften zur gemeinschaftlichen Anschaffung der Rohstoffe für die
Fabrikation, so wie der Vereinigungen zur Beschaffung der
nothwendigen Lebensbedürfnisse unter den Handwerkern und
andern gewerblichen Arbeitern auf dem gegenwärtigen Congresse zum
Gegenstande der Berathung gemacht, demnächst aber auch unter die Be-
rathungsgcgenstände der folgenden Congresse aufgenommen werde."

Indessen ist mit dieser Concession so wenig, wie mit der früher an Huber
gemachten für die Sache der Association beim Congresse etwas gewonnen, so
lange dessen Leitung denselben Personen verbleibt, wie bisher. Es sind dies
wesentlich die belgischen Mitglieder, denen man hauptsächlich das Verdienst
der Stiftung dieser Versammlungen und eine gewisse Allmacht stillschweigend zuzu¬
gestehen scheint. Und wie geschickt diese Herrn alles, was ihnen nicht taugt, zu besei¬
tigen wissen, zeigte sich beim Congresse unter andern in der wichtigen Principien¬
frage: ob die Armenpflege Staatsgemeinde- oder Privatsache sein, oder ob sie
der Kirche überwiesen werden solle? Die hierüber jüngst in Belgien ent¬
standenen Streitigkeiten und Unruhen ließen eine lebhafte Debatte erwarten,
dock mochten den Herrn die Einblicke in die sehr sättigen Zustände ihres
Vaterlandes in dieser Rücksicht unbequem sein. Denn obschon sowol die
Häupter der liberalen, wie der klerikalen Partei in Frankfurt vertreten waren,
hatten sie im gegenseitigen EinVerständniß, noch vor dem vollzähligen Ein-


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[0131] Sache von Tag zu Tag sich hinzog. Da nun die letzten Tage voraussichtlich von den wichtigen »och rückständigen Sectionsberichten in Anspruch genommen wurden. Schulze, auch anderweit engagirt, seinen Aufenthalt nicht so lange ausdehnen konnte, so gab derselbe die Veranlassung zu einer Separatversammlung derjenigen Congrcßmitglieder, welche sich für die Sache interessirten, im Saale des Hotel Landsberg. Ol'schon die Einladung hierzu nur durch mündliche Mittheilung unter den Mitgliedern verbreitet worden war, fand sich doch eine große Zahl, hauptsächlich Deutsche, nebst einigen Schweizern, Franzosen, Deutsch¬ russen und Holländern zusammen, darunter namhafte wissenschaftliche Autori¬ täten, so die Professoren Nan, Mittermaier, Welcker und Friedländer von Heidelberg, Schubert von Königsberg, Matomizka von Erlangen u. A. Ein¬ stimmig wurde auf den längern, eingehenden Vortrag Schutzes die Wichtig¬ keit, die wirthschaftlich gesunde Grundlage der Associationen anerkannt, ja von den Resultaten der noch in den ersten Anfängen befangenen Bewegung, wie z. V. bei den Vorschußvereinen, war man wahrhaft überrascht. Infolge dessen hat denn auch ein Theil der Anwesenden noch in der letzten Congreß- sitzung den Antrag eingebracht und durchgesetzt: „Daß das Princip und die fortschreitende Entwicklung der auf verständiger Selbsthilfe und eigner Kraft beruhenden ökonomischen Association, ins¬ besondere derVorschußvereine und gewerkschaftlichenGenossc li- schaften zur gemeinschaftlichen Anschaffung der Rohstoffe für die Fabrikation, so wie der Vereinigungen zur Beschaffung der nothwendigen Lebensbedürfnisse unter den Handwerkern und andern gewerblichen Arbeitern auf dem gegenwärtigen Congresse zum Gegenstande der Berathung gemacht, demnächst aber auch unter die Be- rathungsgcgenstände der folgenden Congresse aufgenommen werde." Indessen ist mit dieser Concession so wenig, wie mit der früher an Huber gemachten für die Sache der Association beim Congresse etwas gewonnen, so lange dessen Leitung denselben Personen verbleibt, wie bisher. Es sind dies wesentlich die belgischen Mitglieder, denen man hauptsächlich das Verdienst der Stiftung dieser Versammlungen und eine gewisse Allmacht stillschweigend zuzu¬ gestehen scheint. Und wie geschickt diese Herrn alles, was ihnen nicht taugt, zu besei¬ tigen wissen, zeigte sich beim Congresse unter andern in der wichtigen Principien¬ frage: ob die Armenpflege Staatsgemeinde- oder Privatsache sein, oder ob sie der Kirche überwiesen werden solle? Die hierüber jüngst in Belgien ent¬ standenen Streitigkeiten und Unruhen ließen eine lebhafte Debatte erwarten, dock mochten den Herrn die Einblicke in die sehr sättigen Zustände ihres Vaterlandes in dieser Rücksicht unbequem sein. Denn obschon sowol die Häupter der liberalen, wie der klerikalen Partei in Frankfurt vertreten waren, hatten sie im gegenseitigen EinVerständniß, noch vor dem vollzähligen Ein- 16*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/131>, abgerufen am 22.12.2024.