verschaffen, daß man große öffentliche Bauten unternahm; so sollen z. B. die Wartburg und das Schloß in Freiberg auf eine solche Veranlassung ent¬ standen sein. Es möge hier noch die Bewertung eine Stelle finden, daß die bei uns so allgemein gewordene Sitte, nach welcher eine Gemeinde eine patriotische Huldigung dadurch darzubringen sucht, daß sie zur Erinnerung an festliche Tage des Herrscherhauses irgend eine wohlthätige Stiftung ein¬ richtet, auch im Mittelalter schon bestand. So gründen die Bürger von Donauwörth 1197 zur Feier der Anwesenheit Maximilians I. ein großes Getreidemagazin.
Von den Städten lernten nun auch die Fürsten, geistliche und weltliche, besonders seit sich die Landeshoheit mehr und mehr ausbildete, die Grund¬ sätze der Theurungspolitik, die sie dann entsprechend den rusticaleu Verhält¬ nissen noch ergänzten Sie sorgen unter anderm dafür, daß es den armen Landbauern zur Zeit der Noth "icht an Saatgetreide fehle, oder verpflichten dieselben die Hälfte ihrer Aecker mit bestimmten Früchten zu besäen, weil die¬ selben eine frühere Ernte versprechen. Schlimm war es allerdings, wo zwei concurrirende Gewalten waren z. B. Rath und Bischof und der letztere so wie die gesammte Geistlichkeit nicht geneigt waren, sich den strengen städtischen Markt¬ ordnungen und Thcuruugsvorschrifteu zu fügen, denn bei aller Wohlthätigkeit pflegten die geistlichen Herren ihren Vortheil durchaus nicht aus den Augen zu lassen und verkauften unter allen Umständen ihr Getreide lieber theuer als billig. Da kam es wegen dieser Angelegenheiten oft zu schlimmen Händeln, zu Excommuni- cation und Blutvergießen. Oder es kam wol auch vor, daß Fürsten durch eine mißbräuchliche Ausübung des Münzrechtes allen Maßregeln der städtischen BeHorden zum Trotz die Theurung noch vermehrten. Andererseits sehen wir aber auch an vielen Orten ein freundliches Verhältniß zwischen den verschie¬ denen Gewalten..sehen Fürsten in theuren Jahren den Städten bedeutende Quan¬ titäten Korn schenken; wir hören, daß eine Stadt der andern zu mäßigen Preisen ans ihren Magazinen Korn lieferte. ja daß eine von den Hussiten schrecklich mitgenommene Stadt von ihren Nachbarn durch reiche Geschenke an Lebensmitteln unterstützt wurde. Es ist auch vorgekommen (unter anderm im Jahre 1491), daß eine ganze Reihe von Obrigkeiten, der Kur¬ fürst von der Pfalz, der Bischof von Worms und Speier und die Magi¬ strate dieser beiden Städte sich zu gemeinsamen Maßregeln gegen die Korn- Mucherer vereinigten.
Wir haben um von einem Mittel gegen die Theurung noch gar nicht ge¬ sprochen, welches eigentlich zu unserer Zeit die Hauptrolle spielt, nämlich von der Einfuhr von außen, ausräubern, wo die Ernte besser ausgefallen war. Auch nach dieser Seite hui erstreckt sich die Fürsorge der Obrigkeit im Mittelalter. Sie senden zuverlässige Männer aus, um anderswo in der Nahe und Ferne
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verschaffen, daß man große öffentliche Bauten unternahm; so sollen z. B. die Wartburg und das Schloß in Freiberg auf eine solche Veranlassung ent¬ standen sein. Es möge hier noch die Bewertung eine Stelle finden, daß die bei uns so allgemein gewordene Sitte, nach welcher eine Gemeinde eine patriotische Huldigung dadurch darzubringen sucht, daß sie zur Erinnerung an festliche Tage des Herrscherhauses irgend eine wohlthätige Stiftung ein¬ richtet, auch im Mittelalter schon bestand. So gründen die Bürger von Donauwörth 1197 zur Feier der Anwesenheit Maximilians I. ein großes Getreidemagazin.
Von den Städten lernten nun auch die Fürsten, geistliche und weltliche, besonders seit sich die Landeshoheit mehr und mehr ausbildete, die Grund¬ sätze der Theurungspolitik, die sie dann entsprechend den rusticaleu Verhält¬ nissen noch ergänzten Sie sorgen unter anderm dafür, daß es den armen Landbauern zur Zeit der Noth »icht an Saatgetreide fehle, oder verpflichten dieselben die Hälfte ihrer Aecker mit bestimmten Früchten zu besäen, weil die¬ selben eine frühere Ernte versprechen. Schlimm war es allerdings, wo zwei concurrirende Gewalten waren z. B. Rath und Bischof und der letztere so wie die gesammte Geistlichkeit nicht geneigt waren, sich den strengen städtischen Markt¬ ordnungen und Thcuruugsvorschrifteu zu fügen, denn bei aller Wohlthätigkeit pflegten die geistlichen Herren ihren Vortheil durchaus nicht aus den Augen zu lassen und verkauften unter allen Umständen ihr Getreide lieber theuer als billig. Da kam es wegen dieser Angelegenheiten oft zu schlimmen Händeln, zu Excommuni- cation und Blutvergießen. Oder es kam wol auch vor, daß Fürsten durch eine mißbräuchliche Ausübung des Münzrechtes allen Maßregeln der städtischen BeHorden zum Trotz die Theurung noch vermehrten. Andererseits sehen wir aber auch an vielen Orten ein freundliches Verhältniß zwischen den verschie¬ denen Gewalten..sehen Fürsten in theuren Jahren den Städten bedeutende Quan¬ titäten Korn schenken; wir hören, daß eine Stadt der andern zu mäßigen Preisen ans ihren Magazinen Korn lieferte. ja daß eine von den Hussiten schrecklich mitgenommene Stadt von ihren Nachbarn durch reiche Geschenke an Lebensmitteln unterstützt wurde. Es ist auch vorgekommen (unter anderm im Jahre 1491), daß eine ganze Reihe von Obrigkeiten, der Kur¬ fürst von der Pfalz, der Bischof von Worms und Speier und die Magi¬ strate dieser beiden Städte sich zu gemeinsamen Maßregeln gegen die Korn- Mucherer vereinigten.
Wir haben um von einem Mittel gegen die Theurung noch gar nicht ge¬ sprochen, welches eigentlich zu unserer Zeit die Hauptrolle spielt, nämlich von der Einfuhr von außen, ausräubern, wo die Ernte besser ausgefallen war. Auch nach dieser Seite hui erstreckt sich die Fürsorge der Obrigkeit im Mittelalter. Sie senden zuverlässige Männer aus, um anderswo in der Nahe und Ferne
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verschaffen, daß man große öffentliche Bauten unternahm; so sollen z. B. die
Wartburg und das Schloß in Freiberg auf eine solche Veranlassung ent¬
standen sein. Es möge hier noch die Bewertung eine Stelle finden, daß die
bei uns so allgemein gewordene Sitte, nach welcher eine Gemeinde eine
patriotische Huldigung dadurch darzubringen sucht, daß sie zur Erinnerung
an festliche Tage des Herrscherhauses irgend eine wohlthätige Stiftung ein¬
richtet, auch im Mittelalter schon bestand. So gründen die Bürger von
Donauwörth 1197 zur Feier der Anwesenheit Maximilians I. ein großes
Getreidemagazin.
Von den Städten lernten nun auch die Fürsten, geistliche und weltliche,
besonders seit sich die Landeshoheit mehr und mehr ausbildete, die Grund¬
sätze der Theurungspolitik, die sie dann entsprechend den rusticaleu Verhält¬
nissen noch ergänzten Sie sorgen unter anderm dafür, daß es den armen
Landbauern zur Zeit der Noth »icht an Saatgetreide fehle, oder verpflichten
dieselben die Hälfte ihrer Aecker mit bestimmten Früchten zu besäen, weil die¬
selben eine frühere Ernte versprechen. Schlimm war es allerdings, wo zwei
concurrirende Gewalten waren z. B. Rath und Bischof und der letztere so wie
die gesammte Geistlichkeit nicht geneigt waren, sich den strengen städtischen Markt¬
ordnungen und Thcuruugsvorschrifteu zu fügen, denn bei aller Wohlthätigkeit
pflegten die geistlichen Herren ihren Vortheil durchaus nicht aus den Augen zu
lassen und verkauften unter allen Umständen ihr Getreide lieber theuer als billig.
Da kam es wegen dieser Angelegenheiten oft zu schlimmen Händeln, zu Excommuni-
cation und Blutvergießen. Oder es kam wol auch vor, daß Fürsten durch eine
mißbräuchliche Ausübung des Münzrechtes allen Maßregeln der städtischen
BeHorden zum Trotz die Theurung noch vermehrten. Andererseits sehen wir
aber auch an vielen Orten ein freundliches Verhältniß zwischen den verschie¬
denen Gewalten..sehen Fürsten in theuren Jahren den Städten bedeutende Quan¬
titäten Korn schenken; wir hören, daß eine Stadt der andern zu mäßigen
Preisen ans ihren Magazinen Korn lieferte. ja daß eine von den
Hussiten schrecklich mitgenommene Stadt von ihren Nachbarn durch reiche
Geschenke an Lebensmitteln unterstützt wurde. Es ist auch vorgekommen
(unter anderm im Jahre 1491), daß eine ganze Reihe von Obrigkeiten, der Kur¬
fürst von der Pfalz, der Bischof von Worms und Speier und die Magi¬
strate dieser beiden Städte sich zu gemeinsamen Maßregeln gegen die Korn-
Mucherer vereinigten.
Wir haben um von einem Mittel gegen die Theurung noch gar nicht ge¬
sprochen, welches eigentlich zu unserer Zeit die Hauptrolle spielt, nämlich von
der Einfuhr von außen, ausräubern, wo die Ernte besser ausgefallen war. Auch
nach dieser Seite hui erstreckt sich die Fürsorge der Obrigkeit im Mittelalter.
Sie senden zuverlässige Männer aus, um anderswo in der Nahe und Ferne
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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/123>, abgerufen am 29.12.2024.
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