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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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wol nicht fortwährend eine so zugestutzte reine Privatsache unter dem Deck¬
mantel des Wortes Landcsangelegenhcit und im Nomen von Ritter und
Landschaft betreiben.

Obige in Aussicht gestellte hohe Entschließung ist bisher ausgeblieben; nahe
an dreihundert bürgerliche Ritter werden fortwährend von der Ausübung der ihnen
von ihren Landesfürsten ertheilten Rechte durch eine viel geringere Anzahl
adeliger Ritter willkürlich ausgeschlossen, die Einkünfte des Landeseigcn-
thums. die Kloster, der Ueberweisung entgegen, zu Versorgungsanstalten
der Töchter des Adels und einiger wenigen Bürgermeister verwandt, und
solche Zustände nennt man eine ehrwürdige geschichtliche Entwicklung, das
soll ein gesicherter Rechtszustand sein und zwar im Jahre unseres Herrn
1858? --

Schon häufig ist es angeregt und es sind auch schwache Versuche gemacht,
diese Angelegenheit von Seiten der bürgerlichen Ritter auf dem Rechtswege
zu verfolgen; aber nicht allein der Ausgang, sondern auch der Anfang er¬
schien unsern Juristen bisher ein Mysterium. Die Menschen sind da. die
von den Klöstern, dem Landcseigenthum, Besitz ergriffen haben und sich des
Genusses erfreuen; aber es soll der zu Beklagende so wenig als das Forum,
wo er zu belangen ist, zu finden sein!

Noch muß bemerkt werden, daß sich auf den beiden letzten Landtagen ein
Streit zwischen den Eingebornen und Recipirteu einerseits und den Bürger¬
meistern anderseits erhoben hat, dessen Schlichtung man mit einiger Span¬
nung entgegensteht. Es hat sich nämlich bei den Klostcrkassen infolge der
günstigen Conjuncturen ein Ueberschuß von einigen 7V,000 Thlr. ergeben.
Der Adel will zu Creirung neuer Stellen für seine Töchter schreiten, die
Bürgermeister wollen dies aber nicht zugeben.

, Es böte dieser Streit zwar eine gute Gelegenheit dar. von dem bisher
verfolgten, immer doch unsichern und gefahrvollen Wege abzuleiten, wenn
man wenigstens diese Ueberschüsse zur Erziehung der weiblichen Jugend
des Landes bestimmte, die einmal fundirten Stellen bestehen und alle
Mitglieder der Stände an der ihnen nach den Neversalen rechtsgiltig zu¬
stehenden Verwaltung der Klöster Theil nehmen ließ.

Allein zu einem solchen Schritt gehört eme bedeutende moralische Kraft,
die um so schwerer zu entwickeln ist, je länger man dem Egoismus ausschlie߬
lich gehuldigt hat.

Mag juristische Sophisterei mit ihrem Herkommen, Gewohnheitsrecht,
Verjährung und wie die Dinge alle heißen, fortfahren, das Unrecht als Recht
hinzustellen; die gesunde Vernunft des Volkes wird immer daran festhalten, daß
Unrecht niemals Recht werden könne, auch wenn ersteres Hundette von Jahren
geübt ist. und so ist nicht zu zweifeln, daß eine bessere Zukunft auch hier das


wol nicht fortwährend eine so zugestutzte reine Privatsache unter dem Deck¬
mantel des Wortes Landcsangelegenhcit und im Nomen von Ritter und
Landschaft betreiben.

Obige in Aussicht gestellte hohe Entschließung ist bisher ausgeblieben; nahe
an dreihundert bürgerliche Ritter werden fortwährend von der Ausübung der ihnen
von ihren Landesfürsten ertheilten Rechte durch eine viel geringere Anzahl
adeliger Ritter willkürlich ausgeschlossen, die Einkünfte des Landeseigcn-
thums. die Kloster, der Ueberweisung entgegen, zu Versorgungsanstalten
der Töchter des Adels und einiger wenigen Bürgermeister verwandt, und
solche Zustände nennt man eine ehrwürdige geschichtliche Entwicklung, das
soll ein gesicherter Rechtszustand sein und zwar im Jahre unseres Herrn
1858? —

Schon häufig ist es angeregt und es sind auch schwache Versuche gemacht,
diese Angelegenheit von Seiten der bürgerlichen Ritter auf dem Rechtswege
zu verfolgen; aber nicht allein der Ausgang, sondern auch der Anfang er¬
schien unsern Juristen bisher ein Mysterium. Die Menschen sind da. die
von den Klöstern, dem Landcseigenthum, Besitz ergriffen haben und sich des
Genusses erfreuen; aber es soll der zu Beklagende so wenig als das Forum,
wo er zu belangen ist, zu finden sein!

Noch muß bemerkt werden, daß sich auf den beiden letzten Landtagen ein
Streit zwischen den Eingebornen und Recipirteu einerseits und den Bürger¬
meistern anderseits erhoben hat, dessen Schlichtung man mit einiger Span¬
nung entgegensteht. Es hat sich nämlich bei den Klostcrkassen infolge der
günstigen Conjuncturen ein Ueberschuß von einigen 7V,000 Thlr. ergeben.
Der Adel will zu Creirung neuer Stellen für seine Töchter schreiten, die
Bürgermeister wollen dies aber nicht zugeben.

, Es böte dieser Streit zwar eine gute Gelegenheit dar. von dem bisher
verfolgten, immer doch unsichern und gefahrvollen Wege abzuleiten, wenn
man wenigstens diese Ueberschüsse zur Erziehung der weiblichen Jugend
des Landes bestimmte, die einmal fundirten Stellen bestehen und alle
Mitglieder der Stände an der ihnen nach den Neversalen rechtsgiltig zu¬
stehenden Verwaltung der Klöster Theil nehmen ließ.

Allein zu einem solchen Schritt gehört eme bedeutende moralische Kraft,
die um so schwerer zu entwickeln ist, je länger man dem Egoismus ausschlie߬
lich gehuldigt hat.

Mag juristische Sophisterei mit ihrem Herkommen, Gewohnheitsrecht,
Verjährung und wie die Dinge alle heißen, fortfahren, das Unrecht als Recht
hinzustellen; die gesunde Vernunft des Volkes wird immer daran festhalten, daß
Unrecht niemals Recht werden könne, auch wenn ersteres Hundette von Jahren
geübt ist. und so ist nicht zu zweifeln, daß eine bessere Zukunft auch hier das


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[0509] wol nicht fortwährend eine so zugestutzte reine Privatsache unter dem Deck¬ mantel des Wortes Landcsangelegenhcit und im Nomen von Ritter und Landschaft betreiben. Obige in Aussicht gestellte hohe Entschließung ist bisher ausgeblieben; nahe an dreihundert bürgerliche Ritter werden fortwährend von der Ausübung der ihnen von ihren Landesfürsten ertheilten Rechte durch eine viel geringere Anzahl adeliger Ritter willkürlich ausgeschlossen, die Einkünfte des Landeseigcn- thums. die Kloster, der Ueberweisung entgegen, zu Versorgungsanstalten der Töchter des Adels und einiger wenigen Bürgermeister verwandt, und solche Zustände nennt man eine ehrwürdige geschichtliche Entwicklung, das soll ein gesicherter Rechtszustand sein und zwar im Jahre unseres Herrn 1858? — Schon häufig ist es angeregt und es sind auch schwache Versuche gemacht, diese Angelegenheit von Seiten der bürgerlichen Ritter auf dem Rechtswege zu verfolgen; aber nicht allein der Ausgang, sondern auch der Anfang er¬ schien unsern Juristen bisher ein Mysterium. Die Menschen sind da. die von den Klöstern, dem Landcseigenthum, Besitz ergriffen haben und sich des Genusses erfreuen; aber es soll der zu Beklagende so wenig als das Forum, wo er zu belangen ist, zu finden sein! Noch muß bemerkt werden, daß sich auf den beiden letzten Landtagen ein Streit zwischen den Eingebornen und Recipirteu einerseits und den Bürger¬ meistern anderseits erhoben hat, dessen Schlichtung man mit einiger Span¬ nung entgegensteht. Es hat sich nämlich bei den Klostcrkassen infolge der günstigen Conjuncturen ein Ueberschuß von einigen 7V,000 Thlr. ergeben. Der Adel will zu Creirung neuer Stellen für seine Töchter schreiten, die Bürgermeister wollen dies aber nicht zugeben. , Es böte dieser Streit zwar eine gute Gelegenheit dar. von dem bisher verfolgten, immer doch unsichern und gefahrvollen Wege abzuleiten, wenn man wenigstens diese Ueberschüsse zur Erziehung der weiblichen Jugend des Landes bestimmte, die einmal fundirten Stellen bestehen und alle Mitglieder der Stände an der ihnen nach den Neversalen rechtsgiltig zu¬ stehenden Verwaltung der Klöster Theil nehmen ließ. Allein zu einem solchen Schritt gehört eme bedeutende moralische Kraft, die um so schwerer zu entwickeln ist, je länger man dem Egoismus ausschlie߬ lich gehuldigt hat. Mag juristische Sophisterei mit ihrem Herkommen, Gewohnheitsrecht, Verjährung und wie die Dinge alle heißen, fortfahren, das Unrecht als Recht hinzustellen; die gesunde Vernunft des Volkes wird immer daran festhalten, daß Unrecht niemals Recht werden könne, auch wenn ersteres Hundette von Jahren geübt ist. und so ist nicht zu zweifeln, daß eine bessere Zukunft auch hier das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/509>, abgerufen am 22.07.2024.