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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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"Ich fürchte mich vor den Franzosen nicht,
Stark ist mein Herz und mein Stahl ist scharf.
Und that es manch Anderm noch so weh,
Wohin Ihr zieht, ich ziehe mit Euch."

Der Ritter macht sich nun auf den Weg:


Und als er kommt vor Se. Annas Thür

Zur Kirche tritt er sogleich hinein.

-- "Gesegnet seid, Frau Se. Anne gut,

Wir haben uns lange nicht gesehn.

War damals kaum zwanzig Jahre alt,

Und kam erst aus dem zwanzigsten Kampf.

Gewann alle zwanzig durch Eure Huld,

Drum Preis und Dank Se. Anne gut.

Führt Ihr mich auch heute gesund nach Haus,

So, Mutter Anne, gelob ich Euch:

Vom reinsten Wachs eine Kcrzcnschnur,

Die dreimal Eure Mauer umkreist.

Die Kirche dreimal, dreimal den Thurm,

Und dreimal den Friedhof, so weit er reicht."

""So geh denn zum Kampf, mein Ritter Lez-Breiz,

Auch ich, Se. Anne will mit dir ziehn.""


Auf den Schutz der Himmlischen vertrauend verschmäht Lez-Breiz die gewöhn¬
lichen Hilfsmittel irdischer Streiter.


Ein weißer Esel, des Ritters Gaul,
Des Thieres Zügel ein hänfener Strick;
Ein einzger Schildknappe folgt ihm nach,
Muß wohl ein gewaltiger Recke fein!

Desto besser hat sich Ritter Lorgnez gerüstet. Der kleine Schildknappe sagt:


"Zehn Männer zahl ich, und noch mal zehn,
Und abermals zehn, die Schar ist groß."

Aber Lez-Breiz erwiedert:


"Du magst sie zählen zum zweiten Mal
Sobald sie gekostet mein scharfes Schwert."

Gleich darauf stehen sich die Feinde gegenüber, und Ritter Lorgnez verkündet,
daß er im Auftrage des Königs von Frankreich kommt, um Lez-Breiz zu er¬
schlagen. Lez-Breiz verhöhnt ihn.


"Geh nach Paris, da gehörst Du hin
Mit goldnem Kleid ins Gemach der Fraun.
Geh hin, sonst mach ich Dich kalt wie Stein,
Sonst mach ich Dein Blut wie Eisen kalt!"

„Ich fürchte mich vor den Franzosen nicht,
Stark ist mein Herz und mein Stahl ist scharf.
Und that es manch Anderm noch so weh,
Wohin Ihr zieht, ich ziehe mit Euch."

Der Ritter macht sich nun auf den Weg:


Und als er kommt vor Se. Annas Thür

Zur Kirche tritt er sogleich hinein.

— „Gesegnet seid, Frau Se. Anne gut,

Wir haben uns lange nicht gesehn.

War damals kaum zwanzig Jahre alt,

Und kam erst aus dem zwanzigsten Kampf.

Gewann alle zwanzig durch Eure Huld,

Drum Preis und Dank Se. Anne gut.

Führt Ihr mich auch heute gesund nach Haus,

So, Mutter Anne, gelob ich Euch:

Vom reinsten Wachs eine Kcrzcnschnur,

Die dreimal Eure Mauer umkreist.

Die Kirche dreimal, dreimal den Thurm,

Und dreimal den Friedhof, so weit er reicht."

„„So geh denn zum Kampf, mein Ritter Lez-Breiz,

Auch ich, Se. Anne will mit dir ziehn.""


Auf den Schutz der Himmlischen vertrauend verschmäht Lez-Breiz die gewöhn¬
lichen Hilfsmittel irdischer Streiter.


Ein weißer Esel, des Ritters Gaul,
Des Thieres Zügel ein hänfener Strick;
Ein einzger Schildknappe folgt ihm nach,
Muß wohl ein gewaltiger Recke fein!

Desto besser hat sich Ritter Lorgnez gerüstet. Der kleine Schildknappe sagt:


„Zehn Männer zahl ich, und noch mal zehn,
Und abermals zehn, die Schar ist groß."

Aber Lez-Breiz erwiedert:


„Du magst sie zählen zum zweiten Mal
Sobald sie gekostet mein scharfes Schwert."

Gleich darauf stehen sich die Feinde gegenüber, und Ritter Lorgnez verkündet,
daß er im Auftrage des Königs von Frankreich kommt, um Lez-Breiz zu er¬
schlagen. Lez-Breiz verhöhnt ihn.


„Geh nach Paris, da gehörst Du hin
Mit goldnem Kleid ins Gemach der Fraun.
Geh hin, sonst mach ich Dich kalt wie Stein,
Sonst mach ich Dein Blut wie Eisen kalt!"

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[0470] „Ich fürchte mich vor den Franzosen nicht, Stark ist mein Herz und mein Stahl ist scharf. Und that es manch Anderm noch so weh, Wohin Ihr zieht, ich ziehe mit Euch." Der Ritter macht sich nun auf den Weg: Und als er kommt vor Se. Annas Thür Zur Kirche tritt er sogleich hinein. — „Gesegnet seid, Frau Se. Anne gut, Wir haben uns lange nicht gesehn. War damals kaum zwanzig Jahre alt, Und kam erst aus dem zwanzigsten Kampf. Gewann alle zwanzig durch Eure Huld, Drum Preis und Dank Se. Anne gut. Führt Ihr mich auch heute gesund nach Haus, So, Mutter Anne, gelob ich Euch: Vom reinsten Wachs eine Kcrzcnschnur, Die dreimal Eure Mauer umkreist. Die Kirche dreimal, dreimal den Thurm, Und dreimal den Friedhof, so weit er reicht." „„So geh denn zum Kampf, mein Ritter Lez-Breiz, Auch ich, Se. Anne will mit dir ziehn."" Auf den Schutz der Himmlischen vertrauend verschmäht Lez-Breiz die gewöhn¬ lichen Hilfsmittel irdischer Streiter. Ein weißer Esel, des Ritters Gaul, Des Thieres Zügel ein hänfener Strick; Ein einzger Schildknappe folgt ihm nach, Muß wohl ein gewaltiger Recke fein! Desto besser hat sich Ritter Lorgnez gerüstet. Der kleine Schildknappe sagt: „Zehn Männer zahl ich, und noch mal zehn, Und abermals zehn, die Schar ist groß." Aber Lez-Breiz erwiedert: „Du magst sie zählen zum zweiten Mal Sobald sie gekostet mein scharfes Schwert." Gleich darauf stehen sich die Feinde gegenüber, und Ritter Lorgnez verkündet, daß er im Auftrage des Königs von Frankreich kommt, um Lez-Breiz zu er¬ schlagen. Lez-Breiz verhöhnt ihn. „Geh nach Paris, da gehörst Du hin Mit goldnem Kleid ins Gemach der Fraun. Geh hin, sonst mach ich Dich kalt wie Stein, Sonst mach ich Dein Blut wie Eisen kalt!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/470>, abgerufen am 23.07.2024.